Werte Stummifreunde,
heute möchte ich den Interessierten hier eine weitere, einst geplante Atomlok vorstellen, die sowjetische Atomlok, von mir „АЛ1“ (= Atomlokomotive 1) genannt.
Während in den westlichen Ländern spätestens in den 1960ger Jahren das Thema einer atomangetriebenen Lokomotive gestorben war, sah das in der diktatorischen Sowjetunion anders aus, da man hier wenig Rücksicht auf die Meinung und die Gesundheit der eigenen Bevölkerung nahm, sobald es um die Staatsicherheit ging. – Über Atomlokprojekten aus der Sowjetunion vernahm man immer wieder was, meistens mit übertriebenen Angaben, was diese alles leisten sollten, illustriert mit gezeichneten Phantasielokomotiven. Danach verschwanden diese Atomloks wieder still und leise aus der Öffentlichkeit und sie gerieten in Vergessenheit.
Dennoch scheint es ein Atomlokprojekt gegeben zu haben, welches anscheinend fast durchkonstruiert wurde. Es handelte sich wohl um eine geplante Atomlokomotive, die vorrangig die strategischen Atomraketenzüge durch die Sowjetunion kreuz und queer fahren sollte. Eine Lok, die man nur alle paar Jahre neu mit „Treibstoff“ bestücken müßte, wäre für diesen Einsatz reizvoll gewesen. Daneben sollte die sowjetische Atomlok ähnlich einer eierlegen Wollmilchsau auch schwere Güterzüge in nicht elektrifizierten Gegenden zu transportieren, als auch mobieles Kraftwerk für Baustellen und abgelegene Ortschaften z.B. in Sibirien dienen. Die angedachte Atomlok wurde 1983-1986 von der Lokomotivenfabrik Kolomar in Zusammenarbeit mit dem Teplovoznoye-Forschungsinstitut (VNITI) entwickelt. Ähnlich der ehemaligen Versuchslokomotive TE4 aus den 1960ger Jahren sollte die Lok aus drei fest miteinander gekuppelten Teilen bestehen, von der die zwei Endeinheiten links und rechts auf die bewährte Dieselelktrolokomotive 2TE116 zurückgreifen, die aber der Atomlok angepaßt werden müßten. Der neuzukonstruiernde Mittelteil sollte den schnellen Neutronenreaktor vom Typ BOR 60 samt Strahlenschutz und dem ersten sowie zweiten Kühlkreislauf Natrium-Kalium (Na-K) beinhalten. Alleine der Reaktor mit Zubehör wie Wärmeaustauscher und Kontrollausrüstung sollte 140 Tonnen wiegen. Darum sollte der Mittelteil zwei vierachsige Drehgestelle erhalten, entweder von der Diesellokomotive TEM7 oder neukonstruierte. Diese zwei Drehgestelle sollten nicht angetrieben sein.
Der dritte Kühlkreislauf sollte über Luft erfolgen. Dazu war vorgesehen, die 600 °C heiße Luft in beide Kopfeinheiten zu überführen, wo sie jeweils eine Gasturbine vom Typs D-012T-3 antreiben, die wiederum einen Stromgenerator antreibt, der dann Strom für die jeweils sechs Achsen pro Kopfeinheit liefern sollte. Die expandierte Luft sollte mittels eines Verdichters und von Zufuhr von frischer Luft zurück zum Reaktor geführt werden. Etwa 8.000 PS sollte die Lok somit am Ende leisten können, was aber als steigerungswürdig angesehen wurde. Zudem sollten beide Kopfeinheiten einen Hilfsdiesel erhalten, mit dem es möglich gewesen wäre, die Lokomotive auch mit ausgeschalteten Reaktor zu bewegen. Außerdem sollten die Hilfsdiesel das Anfahren des Reaktors ermöglichen.
Besonderer Wert wurde auf die Sicherheit des Reaktors bei einem schweren Unfall und gegen terroristische Angriffe gelegt. Daneben sah man wegen der Strahlung vor, die gleichen Bahnstrecken nicht in zu hoher Frequenz zu befahren, Städte und Bahnhöfe mit gedrosselten Reaktor zu durchqueren. Angeblich sollte das Bedienungspersonal der Atomlok genügend vor der radioaktiven Strahlung geschützt sein. Für Personenzüge, ausgenommen die Mannschaftswagen bei den Atomzügen, war sie wohl nicht vorgesehen.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Vertrag über die Reduzierung der Atomwaffen, die dann auch die Atomraketenzüge verbot, kam dann um 1990 wohl auch das Aus für die sowjetische Atomlok. Vielleicht lag es auch an dem Gedanken, daß Atomlokomotiven vor den Raketenzügen mittels der amerikanischen Satellitentechnik aufgespürt werden könnten und man dann doch auf die altbewährten Dieselelektrolokomotiven zurückgriff.
Achtung! Bei den folgenden Links weiß ich nicht genau, was die die Sicherheitssoftware sagt. Mal streikt sie und mal nicht. Im Zweifel besser meiden.
Vorlage für meine Interpretation der Sowjetatomlok ist folgendes Bildchen und die Links darunter (eine Auswahl): https://ic.pics.livejournal.com/raigap/4...10_original.jpg
Weiterführende russische Links:
https://raigap.livejournal.com/732786.html
https://joyreactor.cc/post/2467545
Russisch kann ich nicht, aber dafür gibt es ja die gute Tante Google und noch ein paar andere Übersetzungsprogramme. Ich habe auch mal die Lokomotivenfabrik Kolomar angemailt, ob sie mir da nicht besseres Bildmaterial liefern könnten, aber bis heute rührte sich da nichts. Vielleicht auch besser so, sonst kann ich meine schöne Atomlok in die Tonne treten, da sie doch möglicherweise am Ende ganz anders geplant war?
Daten zur sowjetischen Atomlok:
Name/Bezeichnung: unbekannt, ich nenne sie: „АЛ1“;
Projekt 1983 - 1986;
Hersteller: Lokomotivenfabrik Kolomna/Rußland;
Leistung: ca. 8.158 PS;
Höchstgeschwindigkeit geschätzt: ca. 140 km/h;
Länge über Puffer geschätzt: ca. 60.900 mm;
Gewicht: ca. 460 t;
VG Thorsten
größere Auflösung: Russische_Atomlok_gruen_stummi.png
größere Auflösung: Russische_Atomlok_rot_stummi.png