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Hier möchte ich eines der Segmente meiner in Planung/im Bau befindlichen H0 Anlage vorstellen, vorläufig das einzige vorzeigbare Segment. Es handelt sich um ein Stück der Bahnhofsausfahrt in Richtung einer doppelspurigen Strecke (in Richtung rechts in Bild 1, im Tunnel verschwindend), der Nordrampe der Gwitterstock Alpentransversalen in Waldbünden. Ein Auszieh-/Abstellgleis verläuft vom Bahnhof Schilfhausen HB (links) her kommend parallel zu den zwei Streckengleisen und endet (rechts) an einem Prellbock. Der Gleisverlauf der zwei Hauptgleise auf dem Segment zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:
- Übergang von einem Bogen (Radius 1,5 m) auf der Bahnhofseite zu einer Geraden Richtung Strecke mit sogenanntem Übergangsbogen dazwischen
- Übergang von ebenem Gleisverlauf im Bahnhof zu 1% Gefälle Richtung Strecke mit sogenannter Ausrundung dazwischen
- Überhöhung im Bogen
- Einfacher Spurwechsel (mit 2 Weichen) im Bereich des Bogens/Übergangsbogens
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Bild 1: Google Earth Ansicht des Segmentes. Nach links geht es in einem Bogen zum Bahnhof, rechts durch den Tunnel zur freien Strecke.
Die Geometrie des Gleisverlaufs ist in Bild 2a dargestellt. Von links nach rechts verläuft die doppelspurige Strecke in einem Kreisbogen (rot), durch ein Stück Übergangsbogen (violett, 75 cm lang) und endet schliesslich in einer Geraden (blau, 30 cm lang). Der Gleisabstand zwischen innerer und äusserer Spur beträgt 5,0 cm. Der Übergangsbogen wurde mit Hilfe der NEM 113 konstruiert [1], wobei die Werte f = 16 mm und L = 75 cm verwendet wurden (Bild 2a).
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Bild 2: Schematische Darstellung der Geometrie des Gleisverlaufs (nicht massstäblich dargestellt). (a) Geometrie der doppelspurigen Strecke. Der im Bild markierte Winkel von 26° bezieht sich auf den Segmentübergang. Der Bogen setzt sich auf dem nächsten Segment mit gleichem Radius fort. (b) Geometrie des Spurwechsels. (c) Höhenentwicklung des Trassees. Grosse fette Zahlen geben die Distanz zwischen horizontaler Grundplatte und der Trasseeplatte in Millimeter an. 90 cm vom rechten Segmentende entfernt beginnt die getrennte Überhöhung der inneren und äusseren Spur. (d) Einzelne Schienenstränge: Einfach verlegbare Schienen und Backenschienen (rot), Herzstücke der Weichen (blau) und Weichenzungen/Zwischenschienen (grün).
Der Spurwechsel verläuft auf einem Kreisbogen mit Radius 2,5 m (Bild 2b). Dieser Radius resultierte aus einem Trial-and-error Ansatz ("Versuch und Irrtum") mit dem Ziel, dass die beiden Weichen etwa den selben Herzstückwinkel aufweisen sollen und dass dieser Winkel in der Nähe von 5° zu liegen komme. Dieser Winkel entspricht einer 1:12 Weiche (4,8°). Die Lage des Mittelpunkts des 2,5 m Kreises wurde empirisch (numerisch) ermittelt und zwar so, dass der Kreisbogen einerseits tangential an der Geraden (bzw. am Anfang des Übergangsbogens) der äusseren Spur anliegt und andererseits den Kreisbogen der inneren Spur tangential berührt. Der Spurwechsel von Weichenzungenspitze zu Weichenzungenspitze wird so 78 cm lang. Mir gefällt die resultierende Geometrie des Spurwechels sehr gut: Ein Zug, der von rechts aus der Geraden her kommt, durchläuft erst einen Kreisbogen mit Radius 2,5 m, bevor er direkt (ohne Zwischengerade oder sonstige Wiederaufweitung des Radius) in den engeren Kreisbogen mit Radius 1,5 m übergeht [2].
In altmodischer Weise wurden die Koordinaten der Gleisführung berechnet und als Punkte auf ein 5 mm Sperrholzbrett übertragen, das als Trassee dienen wird [3]. Nachher wurde das Trassee entsprechend ausgesägt. Nach NEM 122 verwende ich eine Trasseebreite von knapp 9 cm für meine doppelspurige Strecke (50 mm Gleisabstand + 38 mm Grösse "b") [1].
Danach wurde der Segmentkasten gebaut. Das Segment hat eine unregelmässige Form, aber die Länge ist grob 130 cm und die Segmentbreite im rechten Bereich 35 cm. Als Segmentbasis dient eine 12 mm horizontale Sperrholzplatte. Da unmittelbar unter diesem Segment die Abfahrt in den Schattenbahnhof geplant ist, muss der Unterbau des Segments so dünn wie möglich ausfallen, um nicht mit der darunter liegenden Rampe in Konflikt zu geraten. Deshalb wird die Versteifung der Platte, der eigentliche Kasten, auf der Oberseite der Grundplatte gebaut und nicht wie üblich darunter. Die Gleise werden also quasi im Innern des Kastens verlaufen (Bild 3) und nicht oben drauf. Entwässerungsgräben entlang der Strecke wurden wo nötig (im rechten Bereich ausserhalb des Tunnels) in die 12 mm Platte gefräst, wiederum um die Platte so hoch wie möglich legen zu können. Löcher, die in Zukunft einmal die Sommerfeldt Oberleitunsmasten aufnehmen werden, wurden auch bereits zu diesem Zeitpunkt in die Platte gebohrt, da es in dieser Rohbauphase noch sehr einfach ist, ein senkrechtes Loch zu bohren.
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Bild 3: Ansicht der linken Segmentseite. Sichtbar sind die Grundplatte, Segmentseitenwände (bzw. die Versteifung der Grundplatte) und die Überhöhung der Strecke im Bogen.
Nun wurde das Trasseebrett in den Kasten eingebaut. Am rechten Ende wurde das 5 mm dicke Trassee direkt auf die 12 mm Platte geschraubt. Richtung links wurden zunehmend mehr und mehr 1mm dicke Unterlagsscheiben zwischen die Basis- und Trasseeplatte eingeschoben bevor verschraubt wurde und zwar so, dass pro 10 cm Distanz eine 1 mm Steigung entstand. Bild 2c zeigt, wieviele Unterlagsscheiben an welcher Stelle verwendet wurden bzw. wie gross der Abstand zwischen Grund- und Trasseeplatte ist in Millimeter. Im Übergangsbogen beginnt die Überhöhung, die mit 4 mm pro 9 cm Trasseebreite beim Beginn des Kreisbogens ihr Maximum erreicht [4]. Gegen das linke Ende des Segmentes beginnt ausserdem die Ausrundung zur Horizontalen. Ebenfalls beginnt gleich nach dem Spurwechsel (90 cm vom rechten Segmentende entfernt) die getrennte Überhöhung (2 mm pro 4,5 cm Trasseebreite) der inneren und äusseren Spur, was am linken Segmentende ersichtlich wird (Bild 3). Ausserdem sieht man in Bild 3, dass 5 Unterlagsscheiben à 1 mm Höhe durch ein 5 mm dickes Sperrholzbrett ersetzt werden können.
Nachdem der Sperrholzgleiskörper soweit fertig gestellt war, wurden die Gleise (Altas Flexgleis Code 100) entlang der oben erwähnten markierten Punkte verlegt [3,5]. Im Weichenbereich wurden vorerst nur die äusseren Schienenstränge verlegt (rot in Bild 2d). Darauf wurden die Herzstücke (blau) und die Weichenzungen/Zwischenschienen (grün) angefertigt. Dazu verwendete ich die Werkzeuge von Fast Tracks Hobbyworks und folgte den Anleitungen, die per Video zur Verfügung stehen [6].
Meine Vorgehensweise zur Ermittlung der Gleisgeometrie entspricht mit ziemlicher Sicherheit nicht dem Vorgehen bei der realen Bahn. Dort würden vermutlich Standardweichen so verbogen, dass sie in die doppelspurige Geometrie passen. Daraus ergäbe sich dann die Geometrie des Spurwechsels. Bei mir ist es umgekehrt: Ich lege erst die Geometrie des Spurwechsels fest (Kreisbogen), was dann die Geometrie der Weichen festlegt. Das heisst, die Weichen sind bei mir Spezialanfertigungen. Da ich die Weichen sowieso selbst bauen wollte, spielt das hier keine Rolle, sie wären so oder so Einzelanfertigungen.
Es ist interessant, dass Bernd (Weichen-Bernd, Spezialist der Fahrdynamik) ein ganz ähnliches Segment gebaut hat [Link]. Dabei griff er tatsächlich auf Standardweichen zurück (Tillig, 2200 mm Radius, 9,4°), die entsprechend angepasst wurden. Da sich Bernd konsequent am Vorbild orientiert, müsste seine Vorgehensweise logischerweise der des Vorbilds entsprechen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich hier bei Bernd und seinen gleichgesinnten Kollegen für ihre Beiträge bedanken und feststellen, dass diese Beiträge selbst auf Spielbahner wie mich einen entscheidenden Einfluss haben, auch wenn ich hier die Konzepte der Fahrdynamik nicht konsequent anwende.
Zum Abschluss möchte ich gerne noch zwei Bilder einstellen, um die Harmonie des Bogens (Bild 4) und die Wirkung des Übergangsbogens zu testen (Bild 5). Für mich sieht das gut aus, obwohl sich die Gleisführung wie oben erwähnt bei den Weichen nicht am Vorbild orientiert.
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Bild 4: Auch aus einer Perspektive mit extremer Verkürzung sieht der Bogen des Gleisverlaufs für mich harmonisch aus, keine offensichtlichen Knicke oder sonstige Unstetigkeiten erkennbar. Sichtbar ist auch das leichte Gefälle (1%) der Strecke, verglichen mit dem horizontalen Abstellgleis auf der linken Seite.
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Bild 5: Zug auf dem äusseren Gleis zum Testen der Optik. Alle Wagen sind 303 mm lang.
Anmerkungen
[1] NEM: Normen europäischer Modelleisenbahnen des Verbandes der Modelleisenbahner und Eisenbahnfreunde Europas (MOROP)
https://www.morop.org/index.php/de/nem-normen.html
[2] Theoretisch wären Übergangsbögen einerseits zwischen Gerade und 2,5 m Kreis und andererseits zwischen 2,5 m und 1,5 m Kreis wünschenswert. In der Praxis ging mir das jedoch etwas zu weit und ich verzichtete darauf.
[3] Ich verzichte bei meiner Gleisverlegung auf Geräuschdämmung (Kork, Gummi etc.), weil ich das Fahrgeräusch der Eisenbahn sehr mag und weil ich in einem freistehenden Haus wohne ohne Nachbarn in unmittelbarer Nähe. Ausserdem fahre ich von Hand und immer nur einen Zug gleichzeitig. Richtigen Betrieb gibt es bei mir nicht, sagt mir nichts. Ich widme mich einem Zug nach dem anderen und fahre den dann auch persönlich.
[4] Die Grösse der Überhöhung wurde nicht fahrdynamisch berechnet. Hier wollte ich einfach einen Wert, der nach NEM 114 zulässig und gross genug ist, dass man die Überhöhung auch wahrnimmt. Bin halt Spielbahner.
[5] Warum Code 100 und nicht ein realistischeres Gleis? Für mich spielen zwei Faktoren mit. Erstens sind meine Fahrzeuge zum Teil sehr alt, aus den 60-er Jahren. Für diese alten (und auch alle anderen) Fahrzeuge hat sich Code 100 bestens bewährt. Zweitens finde ich die Optik des Code 100 Gleises gut genug. Ich baue generell nicht strikt massstabgerecht, es muss nur so einigermassen stimmen. In diesem Sinne passt Code 100.
[6] Fast Tracks Hobbyworks Inc., Port Dover, Ontario, Canada. https://www.handlaidtrack.com/