Hallo Henner und Klaus-Dieter,
na in dieses schöne Miteinander des Physikers und Ingenieurs muss allerdings der Linguist und Kultursemiotiker doch seinen Senf geben
(immer diese Philologen...)
Ich will gar nicht streiten oder böse diskutieren, aber wenn Ihr Euch bei dem Begriff "Modell" so einig seid, muss man trotzdem noch zu bedenken geben, dass Begriffe das ausmachen, als was sie verwendet werden, nicht das, was sich gegebenenfalls eine kleine Gruppe darunter vorstellt.
Nehmen wir die Duden-Definition für "Modelleisenbahn":
Zitat
Spielzeugeisenbahn, deren einzelne Teile möglichst wirklichkeitsgetreu nachgebildet sind
Na da ist für Eure Definition von "Modell" der Widerspruch in sich schon eingebaut - denn "Spielzeug" sind diese Modelle sicher nicht!
Ganz sicher ist der hochentwickelte Modellbau eine sehr anspruchsvolle Sache und verdient alle Achtung, aber der Begriff der "Modell"eisenbahn lässt sich darauf nicht reduzieren. Vor gar nicht allzu langer Zeit (was sind schon ein paar Jahrzehnte...) war ja auch eine Pseudo-06 in H0 von Märklin mit 01-Fahrwerk das höchste der Gefühle für die jungen Eisenbahnfans, und galt als "Modell". Und wenn wir heute in der Bevölkerung fragen, was eine Modelleisenbahn ist - also Eure Selbstbauprojekte in allen Ehren - aber ich wette mal ganz gewagt: So etwas kommt den Allerwenigsten beim Begriff "Modell" in den Sinn. Und ist ein Kleinkind mit Märklin-89er auf Holzbahngleisen nicht auch ein "Modell"eisenbahner? Für mich schon, für viele andere sicher auch.
Insofern empfinde ich die Initiativen, weniger auf den Maßstab, als vielmehr auf die finanzierbare Machbarkeit zu achten, als durchaus löblich, da sie ein breiteres Publikum in seinem Verständnis für "Modelleisenbahn" erreichen können. Leider sind die Märkte nicht überall gleich und auch die Produktionsbedingungen nicht, viel weniger noch der Anspruch auf Shareholder Value - alle diese Faktoren spielen natürlich bei der Preisgestaltung mit. Jedoch wäre mir ein Zukunftsszenario von Großserienherstellern, die mit "schwach" detaillierten Modellen im vernünftigen Preissegment eine große Breite von Kunden erreichen, sehr viel lieber als die weitere Zunahme der Bedienung von der (Anwesende sind nicht (!!!) gemeint) teils wirklich unsympathisch daherkommenden selbsternannten Elite von Exklusivmodellisten, die ja doch im besten Falle ein Modell nur hin und her fahren lassen, weil jeder machbare Radius unter ihrem Niveau ist (bewusst böse ausgedrückt). Aber sie haben das Geld dafür, scheints. Naja, jedem seins.
Zuletzt noch der Hinweis darauf, dass innerhalb der Modellbahnerei nicht umsonst verschiedenste Etiketten existieren, weil eben "Modell" nicht gleich "Modell" ist - H0pur etwa, oder der Hinweis auf verschiedene Radsätze, die, NEM-gerecht oder auch sehr viel feiner, für Spur 1-Modelle angeboten werden. Ich denke nicht, dass jemand ein NEM-gerechtes Modell eben nicht als "Modell" bezeichnen würde (was wäre es eigentlich stattdessen?). NEM ist ja überhaupt nicht gleich Vorbild...
Nun, mein Punkt mag einigermaßen akademisch sein. Aber leider, so muss ich einwerfen, können Begriffe nicht so einfach auf das eigene Verständnis reduziert werden - da hat die Sprachgemeinschaft schon auch ein Wörtchen mitzureden.
Jedenfalls, wenn die Modellbahnerei auch in Zukunft Platz für alle in dieser Diskussion aufgeworfenen Spielarten vom Billigplastikspielzeugbahner bis hin zum "Ich-ätz-mir-das-Scharnier-für-den-Deckel-der-Kaffekanne-auf-der-Feuertür-selbst"-Detaillisten bietet, wäre das nicht die schlechteste aller Modellwelten. Und wer weiß, künftige Ingenieure oder Physiker brächte sie vielleicht auch hervor...
Beste Grüße,
Guido