Zitat von im Beitrag Preispolitik der Modellbahnhersteller
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Was mich seither am meisten beschäftigt, ist die Modell- bzw. Preispolitik der großen Hersteller.
Wie kann es sein, dass ich für eine, wenn auch gut detaillierte Lok ohne Schnittstelle bei den Marktführern fast 200 Euro zahlen muss? Mit Schnittstelle kostet sie schon fast 250 Euro.
Außerdem verstehe ich nicht, dass ich für eine Sound-Lok in der Regel 270-410 Euro hinlegen muss. Dass allein ein Sound-Decoder fast überall 100 Euro kostet, verstehe ich ebenfalls nicht.
Mit den heutigen technischen Möglichkeiten dürfte der Decoder höchstens 50 Euro kosten.
Selbstverständlich gibt es auch günstigere Modelle. Die habe ich auch schon gekauft. Haben mich allerdings weder optisch, noch technisch überzeugt.
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Servus Alfons,
komm' nochmals auf Dein Eingangsposting zurück: Zahlen musst Du gar nicht, weil Modellbahn wohl kein lebensnotwendiger Bestandteil im Sinne von Nahrungsaufnahme und Dach über dem Kopf ist. Es ist Dein Hobby, Dein freiwlliger Freizeitentscheid (könntest Dein Geld ja auch für Golf, Reisen, Gartenzwerge ausgeben). Damit steht es dem Hersteller frei, welche Preispolitik er für das Produkt Deiner Begierde (sonst wär'st ja nicht Modelleisenbahner bzw. würdest Du hier schreiben) verwendet:
Für den Hersteller geht es vorerst einmal darum, dass sein Unternehmen gewinnbringend ist - auf längere Zeit, sonst wäre es ja Hobby oder Liebhaberei, und da würde irgendwann einmal das Finanzamt "vorbeischauen". Ein Unternehmen ist eine auf Gewinn ausgerichtete Dauerveranstaltung habe ich irgendwann einmal gelernt.
Der Unternehmer muss also entscheiden, wie er auf Dauer Gewinn macht: Und er hat die Bandbreite in unserem Metier MOBA vom sündhaft teuren Einzelstück bis zur billigen Massenware. Dazu kommen noch die psychologischen Momente und die marketingtechnischen Instrumente, den Kunden möglichst viel Geld aus der Tasche zu locken - und in dieser Falle stecken viele von uns, ich denke auch Du: Obwohl Du einen Sounddecoder lebensnotwendig nicht brauchst, gibst Du dem Ding von Dir aus dennoch einen Wert, der, weil das Geld allgemein knapp ist (andere "freiwillge" Aktivitäten cashen bereits Dein (geringes) frei verfügbare Einkommen ab: Auto, Mobiltelefonanbieter, Streamingdienste, Kabelfernsehen ... von Dir gefühlsmäßig knapp bepreist wird. Und Du beweinst das Preisniveau - der Verkaufstheoretiker sieht schon die Begierde, es doch haben zu müssen.
Den größeren Rest Deines Einkommens hast Du übrigens für Futter und Wohnen auf den Tisch legen müssen.
Dabei vergißt man rasch, dass der reine Warenwert (die kleine Platine mit den Elektronikbauteilen für ein paar Cent) kein guter Preisindikator ist: Bei Waschmittel regt sich übrigens keiner auf, dass das Pulver/Gel/Pad praktisch nichts kostet und der Rest Vetrieb/Werbung ist. Dazu kommt, dass rund 1/6 des Ladenpreises vorerst einmal Steuer ist. Du willst die Ware im Laden haben, daher braucht es Raum, Licht, Heizung und Personal sowie die Finanzierungskosten fürs Lager. Und bevor das Ding in den Laden kommt, hat der Hersteller den Sounddecoder entworfen, produziert und versucht, an den Händler/Endkunden zu bringen. Du willst vielleicht auch noch den Hersteller auf einer der großen Publikumsmessen besuchen? Kosten des Messeauftritts für den Hersteller wahrscheinlich das Äquivalent von mindestens 500 Decodern (ziemlich über den Daumen gepeilt).
Es klafft also ein ziemlicher Spalt zwischen Deinem Anspruchsdenken und der Notwendigkeit bei der Produktkette.
Zu der von Dir angesprochenen Mengendegression: Eine klassische DB 80 war dereinst der Renner bei den Herstellern, Märklin hat davon 100.000e verkauft. Da gab es kein anderes klassisches Jungengeschenk. Heute? Schau Dich einfach um, die Strukturkrise der Modelleisenbahnbranche ist nicht nur "selbstgemacht". Selbst der einst stolze Konjunkturmotor Bergbau ist Geschichte. Soviel Mengendegression gibt es nicht mehr.
Und was noch zu bedenken ist ist der Produktlebenszyklus: Die Innovators zahlen praktisch jeden Preis, weil der Artikel neu am Markt ist (siehe lange Jahre iPhones von Apple), die auf die Innovatoren folgenden Visionäre bringen das Produkt durch ihre Käufe voran, auch sie sind nicht preissensitiv. Dann kommen die Pragmatiker, sie sind die ersten, die über den Preis (leise) nachdenken. Wenn diese drei Käufergruppen befriedigt sind, ist das Produkt am Höhepunkt. Dann kommen die Konservativen, die zaudern auch, ob sie das Produkt kaufen sollen - ein Preisvorteil würde sie wieder auf die Spur bringen. Im Falle der Decoder kommen wir gar nicht so weit, weil es bereits neue mit besseren Feautures gibt ... und der Kreislauf von neuem beginnt.
Wir könnten stundenlang diskutieren - Preisfindung ist eines der spannendsten Themen der Verkaufstheorie und angewandten Marketings.
Uns als Konsumenten steht es frei, zu kaufen (und damit der Preisfindung des Herstellers zu folgen) oder es bleiben zu lassen (und dem Hersteller durch Kaufenthaltung zeigen, dass wir mit seiner Preisfindung nicht einverstanden sind). Mehr können wir nicht machen - selbst hier zu meckern ist den Herstellern mittlerweile ziemlich egal, denn: "Wer meckert, kauft" haben schon unsere Verkäufer-"Großväter " gewußt.
Mach's wie ich: Erfreu' Dich an den MOBA-Dingen, die Du (wahrscheinlich wie viele von uns) im Überfluss hast, denk' daran, dass immer mehr Ware auf den Markt strömt, weil es einen biologischen Abgang der Besitzer gibt und die Nachfolger nichts damit anzufangen wissen.
Nutze die Dinge jetzt!
Und zum Eingangsstatement von Dir: Ja, es kann/muss sein!