Zitat
Wie ich lese sind einige nicht mit der Zeit gegangen und haben den Schrank voller 1:100 Modelle die heute eher für eine Spielbahn benutzt werden können dazu kommt, das Angebot wird immer kleiner und ist nicht unbedingt viel Preiswerter sondern der Verzicht auf vieles.
Das ist leider genau die unterschwellige Stimmungsmache, der schon öfter hier angemerkt wurde. Wer 1:100 fährt, "ist nicht mit der Zeit gegangen". Darin schwingt der Überlegenheitsanspruch der 1:87-Fahrer mit, was ich hier vehement ablehne.
Ich möchte den Trööt jedoch nicht polemisieren, und inzwischen wurde ohnehin schon fast alles gesagt. Es gab interessante, neue Erkenntnisse, weshalb ich hier gerne und aufmerksam gelesen habe..
Da es 1:87-Wagen nicht erst seit gestern gibt, ist die Entscheidung, wer mit was fährt, sicher älter, wurde lange überlegt und deshalb zu respektieren. Auch wenn das Gegenargument "der R1 sei zu klein" nicht in jedem Fall angebracht ist, so sind doch die Längenstimmigkeit von verkürzten Wagen, der moderate Gebrauchtpreis und ein vorhandener Fuhrpark immer noch Gründe genug, eben verkürzt zu fahren.
Zwei Gründe möchte ich noch hinzufügen: der Betrachtungsabstand einer Anlage und die "Generalisierung von Proportionen".
Zum ersten: normalerweise rückt man den Modellen nicht mit einem Makroobjektiv auf die Pelle. Ob die Griffstangen nun angesetzt oder nur geprägt wurden, ist da meist nicht feststellbar.
In einem weiten Abstand (und das ist bei Mobas der Normalfall: schräg von oben) bekommt man einen bestimmten Ausschnitt der Moba-"Realität" vors Auge. Das menschliche Auge ist aber ziemlich weitwinkelig. 10 maßstäbliche Wagen mögen korrekte Maße haben, sie sind jedoch für den auf der Moba erzielten Blickwinkel zu lang, da sie nicht insgesamt erfasst werden. Meistens natürlich deswegen, weil nur wenige Anlagen solche langen Züge überhaupt im Stück zeigen können. Beim Original, wenn das Auge auf "unendlich" fokussiert ist und einen Winkel von fast 180° umfasst, ist das möglich. Dadurch "errechnet" das Auge einen anderen Modellmaßstab, der sich besonders aus den Umgebungsdetails und der Gesamtschärfe ergibt.
Das Thema "Generalisation" kommt aus der Kartografie. Je größer der Maßstab, desto simpler müssen die Details werden, und desto wichtiger ist die Entscheidung, was genau weggelassen werden muss. Auf einer Weltkarte werden, wenn überhaupt, nur Millionenstädte als Kreise eingetragen. Die gleichmäßige Skalierung ist extrem wichtig und extrem bildgebend.
Genauso ist es bei der Moba. Irgendwann ist der Maßstab nicht mehr in der Lage, die Stoffnähte auf der Jeans eines Preiserleins widerzugeben. Daraus folgt aber, dass auch andere Strukturen, die die ungefähr gleiche Größe haben, weggelassen werden. Daraus ergibt sich weiterhin, dass Strukturen gleicher Größe gleich behandelt werden. Entweder man setzt sie im Modell um oder man lässt sie weg (Andeutungen sind Zwischenstufen).
Nun zum Aspekt 2 der Generalisierung: Die UIC-Wagen habe die dumme Eigenart, auch für die echte Bahn sehr lang zu sein. Sie sind als Struktur etwas größer als der durchschnittliche Fuhrpark. Es gibt auch lange Loks, sicherlich, aber bezeichnend ist, dass sich z.B. Schlepptenderloks oder Gelenk-E-Loks in Substrukturen unterteilen, 26m-Wagen hingegen nicht. Soll heißen: Gelenke lösen die Struktur auf. Auch eine moderne, einteilige sehr lange E-Lok wirkt im Modell zu lang. Sie widersetzt sich dem normalen Generalisierungsgebot, nach dem die Schrumpfung homogen, mit Weglassung bestimmter Strukturen vorzunehmen ist.
Das könnte erklären, warum kürzere Wagen für viele und für mich "stimmiger" wirken. 1:87-Wagen wirken wie "Millionenstädte", während andere Strukturen unter den Tisch fallen. So sind Straßen, Flüsse, Berghöhen, Bahnhöfe eben auch skaliert. Selbst realistische Bäume sieht man nicht oft. Sie müssten größer sein, aber wenn sie größer werden, stehen sie im Missverhältnis zu Umgebung. Verkürzte Wagen betten sich besser in die Moba-Umgebung ein.
Der 1:87-Maßstab ist zwar lobenswert, aber vielleicht gibt es da soetwas wie eine "Reynold"-Formel für Modellverkleinerungen (die wir für die Moba-Zeit auch schon mal benutzt haben). Offensichtlich ist Verkleinern nicht in jedem Fall linear, und vielleicht ist das bei zu großen Strukturen so.
Einfach mal so in Kladde gefachsimpelt, weil mich das Thema von "Modell" und "Wirklichkeit", besonders als Trickfilmer, Mediengestalter und 3D-Produktdesigner doch sehr interessiert.
Wie das nun bei N- oder Z-Modellen ist, darüber denke ich noch nach.