Grüßt‘ Euch zusammen,
mit dem Einverständnis von Alois (alias Bockerl) als Thread-Eröffner möchte ich seinem 1:1-Bericht zum Holledauer Bockerl noch ein kleines oder, vielleicht richtiger, auswahlweise komprimiertes Streckenportrait hinzufügen, wie es sich aus der Mitfahrt im Wolnzach-Expreß am Samstag, den 19. August, darstellen läßt. Gefahren wurde mit einer dreiteiligen Garnitur (Motorwagen-Mittelwagen-Steuerwagen) eines 798 (ex VT 9 der Passauer Eisenbahnfreunde. Bitte wundert Euch nicht, daß die Angaben der Streckenkilometer stets fallen: unsere Fahrt (für uns die Hinfahrt zum Bahnhof Rohrbach a.d. Ilm) war bahntechnisch die Rückfahrt zum Ausgangspunkt der Bahnlinie, km 0,000 liegt genau mittig beim Empfangsgebäude der ehemaligen ‚Station Wolnzach‘ bzw. des ehemaligen Bahnhofs ‚Wolnzach Bahnhof‘.
Bild 1: Der Führerstand im ...
Bild 2: … offenen 'Dienstraum‘, wo mittlerweile ...
Bild 3: … unser Triebwagenfahrer seinen Platz eingenommen hatte und per Funk die Erlaubnis zur Abfahrt einholte.
Bild 4: Die Schranken waren seit ungefähr einer guten Minute geschlossen und pünktlich um 15:00 Uhr begann die Fahrt. Gleich zu Beginn unserer kleinen Reise durchfährt der VT eine Linkskurve (Radius 500m). Die Strecke folgt damit parallel der Wolnzach ...
Bild 5: … und noch in der Kurve geht sie in ein Gefälle mit 10‰ über. Sofort hinter dem abgefahrenen ‚Roten Brummer‘ wurden die Schranken wieder händisch mit Hilfe eines freistehenden, doppelten Kurbelwerks für die insgesamt fünf Schrankenbäume geöffnet.
Bild 6: Wir hatten die unmittelbar an der Bahnstrecke liegenden Wolnzacher Wohnhäuser bereits hinter uns gelassen und auf einer rund 127 m langen Geraden ging es zwischen km 4,821 und km 4,694 (mittlerweile waagrecht) 'brummerflott‘ entlang der Schleifmühläcker dahin, links voraus der erste Hopfengarten an der Strecke.
In einer Rechtskurve (Radius 500m) erreichten wir bei km 4,6 diesen Hopfengarten, wo uns eifrige 'Schienenbusjäger‘ mit ihren 'Jagdgeräten‘ (vulgo auch Kameras genannt ) bereits erwarteten.
Bild 8: Quer durch das Wolnzacher Reitgelände mit eigenem Bahnübergang bei km 4,4 ...
Bild 9: … und nach einer weiteren Rechtskurve mit Radius 500m befanden wir uns nun zwischen km 4,283 und km 3,842 auf einer für die Bockerl-Strecke mit rund 440m schon etwas längeren Geraden. In einem weiteren Gefälleabschnitt von jetzt 12‰ erfolgte die Anfahrt auf Gosseltshausen, links voraus ein weiterer Hopfengarten.
Bild 10: In einer für Bockerlverhältnisse mit 248,5m ungefähr durchschnittlich langen Linkskurve (Radius 500m, Winkel 28°28‘35‘‘ umrundet die Strecke zunächst das südliche Ende von Gosseltshausen, links voraus der Maibaum. Der weiße Giebel links hinter dem Maibaum ist die ehemalige Gaststätte des Ortes, noch weiter links, leider aber nicht mehr im Bild zu sehen, steht hinter diesem Haus die Kirche von Gosseltshausen, wenn man so will: ein 'typisch bayerisches Ensemble‘ - und ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf Schmiedhausen von Alois hier in seinem Faden hinzuweisen: er hat in seinem mehrsegmentigen Dorfmodul das, was wir als 'typisch‘ nicht nur für Bayern, sondern ganz besonders auch für unserer Heimatregion, die Hallertau/Holledau, empfinden, nach meinem Empfinden wunderbar eingefangen, arrangiert und dargestellt!
Bild 11: Nach der Kurve ging es für ca. 180 m in einem leichten Gefälle von 5‰ geradeaus unmittelbar hinter den Gärten Gosseltshausener Wohnhäuser entlang. Vielleicht nicht uninteressant, wenngleich in Folge der Gewässerbegradigung und -verlegung in den 30-er Jahren des 20. Jhs. heute kaum mehr im Gelände zu erkennen: hier, unmittelbar vor dem Schienenbus, hatte sich zwischen km 3,405 und km 3,362 einer der Mäander der Wolnzach befunden, die sich 1894 dem Streckenbau in den Weg stellten. Die Ausbuchtung dieses Mäanders wurde damals begradigt und dabei so weit nach rechts (Osten) verlegt, daß die Wolnzach in ihrem neuen Bett hinfort 5,90m vom Fuße des Bahndamms entfernt floß.
Bild 12: Dieses Bild, wenngleich durch den Mittelholm des VT 98 nicht wirklich gut, finde ich dennoch interessant, da es uns die Veränderungen, denen die Bockerlstrecke unterworfen war, etwas näher bringen kann. Die S-Kurve besteht heute, nach Überarbeitungen der 70-er/80-er Jahre des 20. Jhs., aus einer Rechts- und einer fast unmittelbar darauf folgenden Linkskurve (Radius heute jeweils 900m), die Gerade dazwischen ist keine 50m lang. Direkt rechts neben dem Mittelholm sind weiße Gebäude zu erkennen: die Krönmühle, eine der (wenn ich es recht weiß: sieben) großen Mühlen, die früher entlang unserer Strecke die Wasserkraft der Wolnzach bzw. der Gewässer im Wolnzachtal nutzten.
Tatsächlich blicken wir hier auch auf den Bereich der ehemaligen Haltestelle Gosseltshausen – übriggeblieben ist davon allerdings nichts. Anstelle des wegen des stark lehmhaltigen Untergrunds modern verschwenkten Gleise erstreckte sich hier ursprünglich mit rund 660m Länge von km 3,594 bis km 2,933 eine der nicht sehr häufigen längeren Geraden der Lokalbahn. Gleichsam Bestandteil dieser war die Haltestelle Gosseltshausen und reichte von km 3,240 bis km 3,060, das Ladepodium des Stationsgebäudes, eines typisch bayerischen Agenturgebäudes, befand sich exakt bei Streckenkilometer 3,2.
Bild 13: Auf eine Gerade folgt gleichsam zwangsläufig – eine Kurve, hier jetzt mit einem Radius von 350m eine der engeren Kurven der Strecke (nebenbei: der zulässige Mindestradius auf der Lokalbahn betrug 300m, aber das dauert noch etwas, bis wir eine solche Stelle zu sehen bekommen). Die beiden Pfeif-Tafeln rechts vom Gleis deuten es schon an: wir näherten uns einer Überfahrt.
Bild 14: Gegen Ende der Linkskurve erreichten wir den bereits angesprochenen Bahnübergang bei km 2,790. Diese Straße verband als 'Ortsverbindungsweg‘ nicht nur den Ort Starzhausen (heute ein Ortsteil der Marktgemeinde Wolnzach) mit der 'Distriktsstraße Wolnzach-Burgstall‘, sondern besonders auch das rechts der Bahn gelegene Wasserschloß Starzhausen samt dem gleichnamigen Ort mit dem links der Bahn unmittelbar gegenüber der Straßeneinmündung gelegenen, ehemaligen 'Starzhauser Sommerkeller‘ (heute: Champignonzucht Ullrich).
Starzhausen war früher, also vor dem Ende des Ersten Weltkriegs, eine eigenständige Herrschaft und besaß deshalb ein eigenes Braurecht. Das Bier konnte in dem genannten Sommerkeller ausreifen und gelagert werden. Dieses 'Hopfenprodukt‘ erlangte im ausgehenden 19. und frühen 20. Jh. "weil‘s halt gar so g‘schmackig und g‘süffig war" weit über die Region hinaus richtige Berühmtheit und u.a. bis nach München hinein gehörte es durchaus zum guten Ton, im Sommer im Rahmen einer Landpartie mit der Bahn bis hierher zu fahren, um es dann im schattigen Biergarten des Kellers unbeschwert zu genießen. Dabei hatte die 'Haltestelle Gosseltshausen‘ einen ausgemachten Nachteil: sie lag vom Sommerkeller sage und schreibe 400m entfernt zwischen besagtem Keller und dem nördlichen Ortsrand von Gosseltshausen. Während die Gosseltshausener es (angeblich?) nie erreichten, daß 'ihr‘ Zug über die Haltestelle hinaus fuhr, um ihnen einen günstigeren Halt nahe der Ortsmitte zu gewähren, wußten sich die Herrschaften der Landpartien durchaus durchzusetzen: schließlich hielt der Zug regelmäßig 'außerplanmäßig‘ an diesem Bahnübergang, um die durstigen Reisenden aussteigen zu lassen. Anschließend fuhr er dann die 400m bis zur eigentlichen Haltestelle weiter. Auf der Rückfahrt dann das umgekehrte Procedere: der Zug verließ die Haltestelle Gosseltshausen, um gleich darauf am Bahnübergang erneut anzuhalten, wo die (jetzt hoffentlich nicht mehr durstigen ) Heimreisenden wieder zusteigen durften. Ob jemals jemand ermitteln können wird, womit sich das Zugpersonal während dieser gleichsam erzwungenen, außerplanmäßigen Halte stärkte?
Bild 15: Wir befanden uns am Ende der im Zusammenhang mit Bild 13 und 14 bereits angesprochenen Kurve und sahen nun eine der 'Steilstrecken‘ des Holledauer Bockerls vor uns: von km 2,848 bis km 2,738 haben wir zunächst eine Steigung von 20‰, dann von km 2,738 bis km 2,296 sogar von 22,5‰ (die für die Bockerlstrecke festgelegte Maximalsteigung betrug von der ersten Planungsphase an stets 25‰), um anschließend von km 2,296 bis km 2,176 wieder auf 20‰ minimal flacher zu werden. Dabei verläuft die Bahnstrecke auf einem bis zu 7m hohen Damm, um die Steigung einigermaßen gleichmäßig gestalten zu können. Unser 'Roter Brummer‘ durfte also auf einer Länge von 672m von einer Höhe von 403,008m über N.N. unten im Wolnzachtal bis auf eine Höhe von 415,35m über N.N. oben im Geländeeinschnitt auf dem 'Bahnerberg‘ bei Burgstall mehr als 12m 'hinaufklettern‘, wobei er seinem Namen wirklich 'alle Ehre‘ machte!
Bild 16: Im vorhergehenden Bild kann man erahnen, daß am Ende des sichtbaren Teils des geraden Anstiegs eine Linkskurve folgt (zwischen km 2,528 und km 2,428, Radius 1.000m). Tatsächlich geht es mir hier, unmittelbar vor besagter Kurve, um etwas anderes: die vielen Bahnübergänge, vom Fußweg bis zur Staatsstraße, die es auf den 23,4 km der ehemaligen Gesamtstrecke von Station Wolnzach/Wolnzach Bahnhof bis zur Endstation Mainburg gab und die immer wieder entsprechend dicht beieinander lagen: 85 Stück, also im Schnitt alle 282m einer. Unmittelbar vor dem Schienenbus befindet sich ein Viehtrieb, der früher (heute Privatbesitz: "Betreten verboten!") den Burgstallern ermöglichte, ihr Vieh zur Weide auf die rechts (Norden) unterhalb der Bahnlinie gelegene Gemeindeweide zu treiben (ehemals Überfahrt Nr. 7 bei km 2,443). Keine 150m dahinter folgt die Überführung der Ortsverbindungsstraße Burgstall-Wolnzach (Überfahrt Nr. 6 bei km 2,294).
Bild 17: Fast hat es der VT nun geschafft: bei km 2,252 beginnt eine Linkskurve, die bis heute den 1894 festgelegten, oben bei Bild 13 bereits angesprochenen Mindestradius von 300m aufweist und in einem damals künstlich angelegten Geländeeinschnitt verläuft, um die Maximalsteigung von 25‰ so gerade noch zu vermeiden. Die Kurve reicht bis km 2,104, gleichsam mitten in der Kurve liegt der Brechpunkt der Steigung bei km 2,176: für 89m verläuft die Strecke nun waagrecht bis zum neuerlichen Brechpunkt bei km 2,087 – sozusagen: "Von nun an ging‘s bergab!"
Bild 18: Plötzlich war das Dieseldröhnen fast völig weg: in einer längeren Geraden von km 2,104 bis km 1,647 führte die Fahrt nun hinunter ins Ilmtal, bei einem maximalen Gefälle von 22,3‰ zwischen km 2,087 und km 1,800.
Bild 19: Noch hatte unser 'Roter Brummer‘ (in dieser Phase der Fahrt war er eher ein 'Roter Summer‘ die Sohle des Ilmtals nicht erreicht, da hat man ein Déjà-vu: vor uns, wieder dicht hintereinander, zwei Übergänge. Heutzutage kreuzt die Linie bei km 1,495 erst eine Feldwegüberfahrt, gleich darauf, nach weniger als 100m, bei km 1,399 die Staatsstraße Pfaffenhofen a.d. Ilm-Geisenfeld. Das war 1894, als die Strecke entstand, noch etwas anders. Die Staatsstraße war damals wie heute die vorgenannte Staatsstraße – ganz anders dagegen das, was heute ein Feldweg ist und lediglich als Zufahrt zu Hopfengärten östlich der Staatsstraße bzw. südlich der Bahnlinie dient: das war im ausgehenden 19. und frühen 20 Jh. die Ortsverbindungsstraße von Burgstall zur Station Wolnzach bei Rohrbach, besaß also eine ganz andere Bedeutung. Deshalb wurden die Rampen der Überfahrt auch mit vier 'Abweissteinen‘ aus Kalkstein gesichert: bei einer Gesamthöhe von 120cm wurden sie 50cm tief im Erdreich eingelassen, sodaß von den 30 mal 30cm messenden Steinen noch ein 70cm langes Teilstück über das Straßenniveau aufragte. Von diesen ursprünglich vier Steinen sind heute noch drei an ihren Originalplätzen, wenngleich etwas weniger hoch über das Feldwegplanum emporragend, erhalten, aber wegen zu großer Entfernung auf dem Bild leider nur bei entsprechender Vergrößerung zu erkennen.
Bild 20: Demnächst wird der VT 98 das Ziel der Fahrt erreicht haben. Kurz vor Streckenkilometer 0,8, am Einfahrtsignal zum heutigen Bahnhof Rohrbach a.d. Ilm (in der Epoche I und II 'Station Wolnzach‘, in der Epoche III und IV 'Wolnzach Bahnhof‘ genannt) mußten wir auf die Freigabe der Einfahrt in den Bahnhof warten. Lange konnte es nicht mehr dauern, denn die Halbschranken am letzten Bahnübergang vor dem Bahnhof waren schon fast geschlossen.
Bild 21: Gerade wechselte das Signal von rot auf gelb und gleich darauf setzte sich unser Schienenbus in Bewegung. Ob er aus dem Stand in dem letzten Anstieg tatsächlich die signalisierte Höchstgeschwindigkeit erreichen konnte, ist letztlich unwichtig. Jedenfalls meldeten sich die Diesel wieder lautstark zu Wort.
Bild 22: Es war interessant, während der Fahrt diverse Kommentare der zahlreichen Passagiere des gut besetzten VT‘s zu hören: offensichtlich überwiegend ehemalige Schüler und Schülerinnen, die behaupteten, regelmäßig 'diesen Schienenbus‘ auf ihrem Schulweg benutzt zu haben; mit dieser Meinung lagen sie allerdings insofern daneben, als auf der Strecke des Holledauer Bockerls m.W. nie der VT 98, sondern ausschließlich der VT 95 verkehrte.
Voraus war schon die Oberleitung der Haupstrecke München-Ingolstadt-Nürnberg zu sehen. Für uns und unser rollendes Nostalgiefahrzeug hieß das: eine letzte Steigung, eine letzte Kurve …
Bild 23: … dann rumpelten wir quietschend über die Einfahrtsweiche, während drüben im Gleis 4 eine RB nach München Hbf. auf die Ausfahrtserlaubnis wartete, …
Bild 24: … und erreichten schließlich nach einer 20 minütigen Fahrt den Bahnsteig, auf dem schon zahlreiche Fahrgäste darauf warteten, mit dem 'Roten Brummer‘ nach Wolnzach fahren zu können.
20 Minuten Fahrt – 5,3 km Strecke – und dennoch war es für Alois und mich eine Art Zeitreise, die uns immer wieder ein Lächeln … nein: ein Lachen ins Gesicht zauberte. Das Fahrterlebnis ist hier in 24 Bilder komprimiert. Sollte es mir gelungen sein, nicht all zu große Langeweile zu erzeugen, vielleicht im Gegenteil sogar bei jemand Neugier auf mehr zu wecken, dann bitte ich, sich der unten in der Signatur stehenden Links zu bedienen: die von Alois (alias Bockerl) zu unserem Verein, der 'Interessengemeinschaft Hallertauer Modelleisenbahner e.V. - IHMB‘ betriebene Homepage liefert eine Fülle von Informationen zu 'unserem‘ Holledauer Bockerl. Darüberhinaus hoffe ich demnächst dazu zu kommen, diesen Bericht mit erheblich mehr Bildern und auch mehr Informationen zu der Strecke, u.a. besonders die Epoche I betreffend, auf meiner eigenen kleinen Homepage einstellen zu können.
Servus, bis hoffentlich demnächst – und vor allem nochmals herzlichen Dank an Dich, Alois, daß ich Deinen Thread für diesen Beitrag 'kapern‘ durfte
Joachim