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Der Fluch der Akribik, Teil 441
Maßstäblicher Om19 ohne Bremserhaus
Altösterreichischer Kohlenwagen von Petr Berka
So, das war’s mit den grauslichen undeutschen Pwg. Wer - aus deutscher Sicht - ob der von mir gezeigten völlig uninteressanten, abscheulichen ausländischen Exoten die Augen schließen musste, der kann sie jetzt wieder aufmachen. Denn jetzt kommen wir zu den altösterreichischen Kohlenwagen, die noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg als Om19 zu Hunderten auch bei den DB liefen. Sagt jedenfalls der Carstens.
Bei den ÖBB waren die – übrigens zum Teil weitgehend unverändert in der Zwischenkriegszeit in Graz weitergebauten - Wagen um 1955 als O(m) 715xxx und O(m) 740xxx eingereiht. Hier beispielsweise der O715528 Ende Mai 1954 bei St. Michael in der Steiermark:
Foto: Harald Navé, Archiv VEF, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Mag. Alfred Luft
Im Gegensatz zum zuvor gezeigten Pwg ist Petr Berkas Bausatz Ba 006 des Kohlenwagens ohne Handbremse bzw. ohne Bremserhaus und ohne Druckluftbremse wahrscheinlich durchaus für geschickte Ätzteile- und 3D-Druck-Einsteiger geeignet. Bei diesem ungebremsten Kohlenwagen halten sich die Arbeiten am Fahrgestell in Grenzen. Das "Fischskelett" am Wagenboden sieht zwar auch hier beeindruckend kompliziert aus, besteht in Wahrheit aber nur aus drei Teilen – aus einem Kunststoffteil und zwei Drähten. In das "Fischskelett" kann man Aussparungen für eine Kupplung schneiden, z.B. für einen Symoba-Normkupplungsschacht. Edit 6.04.2024: Ich sehe gerade, dass man auch bei Berka Normkupplungsschächte bekommen kann, und zwar unter der Artikelnummer B10051.
Bei mir hat der Wagen "echte" Kupplungen, Federpuffer, Holztritte (alle Weinert) und Rangierergriffe (NS 0,4mm) erhalten:
Auf dem Foto oben ist erkennbar, dass ich die Ecken des Fahrgestells ein wenig eingefeilt habe, um an den Wagenkastenecken etwas Spiel zu haben und beim Aufdrücken des Wagenkastens keinesfalls die empfindlichen Eckprofile abzubrechen.
Wie auf dem Vorbildfoto zu sehen, sind für die 50er-Jahre neben den Standardpuffern vereinzelt auch noch die ursprünglichen zwei- oder vierfach geschlitzten Korbpuffer belegt.
Die Oberkante des Wagenkastens war von den Resten der 3D-Druck-Bauplattform bzw. den Supportstrukturen zu befreien und zu begradigen. Dies gelang mir diesmal auf Anhieb bruchfrei, indem ich zuallererst den geätzten Messing-Wagenboden in den Wagenkasten einklebte. Dies macht den Wagenkasten wesentlich weniger anfällig für zu starken Druck ungeschickter Hände.
Nach dem Abtrennen der überflüssigen Teile mittels 0,2mm-Trennscheibe etwa einen Millimeter oberhalb der Bordwand habe ich ein Schleifpapier (zunächst ein grobes 120er, dann ein feineres 240er) auf eine absolut plane Unterlage (bei mir eine Glasplatte) aufgelegt. Darauf habe ich die "Fremdkörper" an der Oberkante des Wagenkastens mit ständig kreisenden Bewegungen und geringem Druck abgetragen und das Zwischenergebnis in kurzen Intervallen kontrolliert. Der Wagenkasten war dabei stets so zu halten, dass man dabei nicht versehentlich die überstehenden zierlichen Enden der senkrechten Profile abbricht.
Der Wagenkasten bekam nun die charakteristischen seitlichen Laufstangen für die Türen (0,5mm Messingdraht), wobei ich die Ösen mit Hilfe einer kleinen Reibahle aufweitete. Mit der Reibahle geht’s viel leichter als mit einem Bohrer, weil Ahlen nicht so starr sind. Oben auf den Bordwand-Ecken habe ich noch die noch die für diese Wagen typischen dreieckigen Verstärkungsbleche angebracht, die Berka als Äztteile beilegt.
Die Signalhalter österreichischer Wagen kann man getrost für andere Projekte in der Bastelkiste aufbewahren, denn auch die Signalhalter scheinen Mitte der 50er-Jahre an so gut wie allen fotografisch belegten österreichischen Exemplaren dieser Wagengattung bereits gefehlt zu haben. Wer einen deutschen Wagen bauen will, bringt sie wahrscheinlich besser an.
Auch die von Berka mitgelieferten Zugbänder, welche im Lieferzustand in der Wagenmitte quer angebracht waren, um die Bordwände vor dem Ausbeulen zu bewahren, kann man an ÖBB-Modellen weglassen. Diese Zugbänder scheinen bei den Kohlenwagen nach dem zweiten Weltkrieg ausgebaut gewesen zu sein. Ich habe jedenfalls kein Foto eines österreichischen Kohlenwagens gefunden, auf dem ich diese Zugbänder noch erkennen konnte. Ob das auch in Deutschland so war, ist mir nicht bekannt.
Der Wagen war damit lackierfertig:
Die Beschriftung für die deutschen Wagen liefern vermutlich die „üblichen Verdächtigen“ (Nothaft, Gaßner). Die österreichischen Decals hat mir freundlicherweise ein besonders netter Modellbahnkollege in hervorragender Qualität hergestellt.
Die separat einzufärbenden Zettelkästen (Weinert) habe ich erst nach dem Lackieren angebracht:
Auch bei diesem Modell wurde der Wagenkasten vor dem Auftrag der Deckschicht schwarz grundiert. Außen wurde der Wagenkasten in einer Maronibraun-ähnlichen Farbe gestrichen (Revell, ungefähr drei Teile Lederbraun und ein Teil Ziegelrot), innen mit Erdbraun. Das Finish wurde mit schwarzer, weißer und dunkelbrauner Pulverfarbe durchgeführt. Abschließend wurden ein paar Spritzer mit stark verdünnter weißer und schwarzer Farbe aufgebracht.
Die hellen Spritzer auf dem Vorbildfoto könnten daher rühren, dass man angeblich seinerzeit auf Kohlenladungen manchmal Kalk aufgespritzt hat, um visuell kontrollieren zu können, ob ein Teil der Ladung geklaut wurde oder nicht.
Nächste Woche wird's wieder angenehm gemütlich für jene, die nach Ausreden lechzen, um so einen Bausatz besser nicht zu bauen, denn da wird's wieder kompliziert. Da sehen wir uns nämlich den Bausatz des Om19 mit Bremserhaus an.
Die Bremse bereits heftig kurbelnd
Euer Karl
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