Ich wollte auf meiner kleinen Anlage für etwas Abwechslung im tristen Bundesbahn-Alltag sorgen und setzte mich vor meinem Rechner, um Ebay zu durchforsten. Hm, was soll es denn sein? Wieder eine Altbau-Ellok der Bundesbahn? Schön. Darf es eine E 16, E 17 oder gar eine blaue E 18 sein? Ein Blick auf mein Budget sagte eindeutig, wo die Reise hinging. Kein Super-Modell der E 18 oder ähnliches. Nein. Stunden, ach was, Tage später - ich hatte mir den Hintern quasi vor dem rechner plattgesessen, reifte in mir ein Entschluss. Warum den Bahnhof nicht einfach an die deutsch-österreichische Grenze verlegen? Gute Idee. Denn so ist die Auswahl der künftigen Geschenke größer, sehr zum Leidwesen meiner besseren Hälfte, die mich argwöhnisch ansah, als ich einen Bildband der ÖBB aus dem Bücherregal hervorzog. Sie ging in den Garten - und ich setzte mich - merkwürdig grinsend - damit auf Terasse. Nun muß ich dazu noch sagen, daß ich ausgesprochener Liebhaber alter Elektrolokomotiven bin. Auf meiner kleinen Anlage fährt eine betagte E69 von Fleischmann, eine alte E 44 von Piko und ein neueres Modell der 218. Alle auf Digital umgebaut - mit dem Lokpiloten V3.0, mit dem ich sehr zufrieden bin. E16, 17, 18 und 91, 93, 94 wären für meinen kleinen Bahnhof wohl eine Spur zu groß gewesen. Meine Wahl fiel nach schlaflosen Nächten auf die österreichische Baureihe 1245 - ein stummelnasiges, vierachsiges Elektroungetüm, in das ich mich quasi über Nacht verliebte. Ich erstand dann in Ebay ein recht preisgünstiges und gut erhaltenes Modell von Kleinbahn - und, ich war grad richtig in Fahrt, den Lokpiloten Basic von ESU. Und damit fingen die Probleme an.
Hübsch verpackt kam die neue Maschine eines Tages an. Der Decoder übrigens auch, dem noch einige Süßigkeiten zugepackt waren, über die sich meine fast erwachsene Tochter hermachte. Von der Tortur, die mir bevorstand, nämlich die Lok zu digitalisieren, ahnte ich noch nichts - wie denn auch, denn ich packte sie erst einmal in den Schrank und wartete auf den kommenden Samstagabend. Meine beiden Frauen saßen gemütlich vor dem Fernseher und ich schnappte mir meinen iPod mit klassischer Musik. Auf dem Tisch vor mir schön ausgebreitet: der Patient und entsprechendes Werkzeug. Wichtigstes weiteres Utensil: der Kaffee. Ja, so macht das Modellbahnerdasein Spaß! Später stieg ich auf Bier um.
Die Lok wurde erst analog getestet. Schnell ein paar Gleise auf den Tisch gelegt, einen alten Trafo dran und Energie. Sie zuckelte gemächlich und gut hörbar ein paar Mal hin und her. Testfahrt bestanden. Die Lok war zwar alt, man sah es an dem riesigen Motor und den Zahnrädern, aber damit kannte ich mich bestens aus. War meine alte E44 doch Baujahr 1965... und der habe ich schließlich auch das digitale Laufen beigebracht! Gut gelöst war die Verbindung Gehäuse und Fahrgestell: zwei Schrauben seitlich hielten beide zusammen. Was ich noch nie gesehen habe, war der Aufbau der Drehgestelle. In der Seitenansicht erkennt man zwei Drehgestelle, ähnlich einer E44. Legt man die Maschine um, wird das Drama erst sichtbar: Die Drehgestelle sind nur scheinbar, d.h. die beiden hinteren Achsen bilden ein Drehgestell innerhalb des Aufbaus, auf denen der komplette Motorblock sitzt, die äußeren Achsen sind wie Laufachsen daran befestigt. Ich musste schlucken und drehte die Musik meines iPods etwas lauter. Sowas habe ich noch nichts gesehen - aber gut, dachte ich mir, in Österreich ist alles etwas anders. So ging ich an die Arbeit. Der Lötkolben lief schon warm, ich entfernte die Verpackung des Decoders. Mit dem Lokpiloten, ja da kannte ich mich aus. Ich entfernte die Verkabelung und die alten Birnchen und lötete die Kabel des Decoders an die entsprechenden Stellen. Benötigte Zeit: 20 Minuten. Das war ja ein Kinderspiel! Über die Beleuchtung wollte ich mir nachher den Kopf zerbrechen, mir ging es jetzt erst einmal darum, die Kiste fahrbereit zu bekommen. Die Feinheiten kommen ja bekanntlich zum Abschluss. Ich setzte sie auf die Schienen, drehte meine Lokmaus auf und sie ruckte einige Mal wie ein bockiges Pferd umher. Gut - die entsprechenden CV's würde ich später einstellen. Auch Feinarbeit. Lok wieder auf den Tisch, nun war die Beleuchtung dran. Aus einer defekten Fahrradbeleuchtung, die mir meine Tochter freundlicherweise überließ (ein Glück, daß sie ihr Zimmer noch nicht aufgeräumt hatte) entnahm ich zwei kaltweiße LEDs, die eine gute Lichtquelle abgeben würden. Als die Lötarbeiten fertig waren, der nächste Test. Ich setzte sie auf die Schienen und: NICHTS! Nicht mal eine LED leuchtete auf.Das kann doch nicht sein! Ich habe doch auf die Polarität geachtet.... Wieder auf den Tisch, LEDs abgelötet, an einen Gleichstromtrafo angeschlossen: funktioniert. Was soll das denn??? Bei meinen bisherigen Umbauten hat immer alles auf Anhieb geklappt, was den elektronischen Teil anging. Und nun das. Ich nahm mir noch mal die spärliche Bedienungsanleitung des Decoders vor, die hinten auf der Verpackung gedruckt war. Keine Hinweise. Erst, als ich die Unterlagen der Lokmaus 2 studierte, ging mir buchstäblich ein Licht auf. Es lag an der Zahl der verwendeten Fahrstufen. Ich wählte 28 Fahrstufen aus und siehe da: die LEDs leuchteten souverän auf. Als ich mich von dem Schock erholt habe, verlegte ich die Kabel ordentlich und befestigte alles mit ein paar Streifen Tesafilm, konnte die Lok wieder zusammengebaut werden. Was mir nun bevorstand, wird der eine oder andere Modellbahner auch in schmerzlicher Erinnerung haben: die Programmierung des Decoders. Vom Lokpiloten V3.0 kannte ich noch die Prozedur. Man schreibt in die CVs 53, 54 und 55 Werte ein, die auf der Internetseite von ESU zu finden sind. Die werkseitige Porgrammierung ist ja meistens nicht zu gebrauchen. Nun, ich fand zwar alle gebräuchlichen Fabrikate und Motoren, aber nirgends war die Firma Kleinbahn zu finden. Also druckte ich mir die Tabelle aus und ging jeden Typ durch. Nichts! Aber auch nicht mal die Aussicht auf Besserung! Nach geschlagenen drei Stunden gab ich auf. Aus Kaffee wurde Bier und ich beschloss, die Lastregelung abzustellen. Die Idee war auch soweit gut. Die Lok schnurrte hin und her, ich feilte noch an die Parameter der Anfahr- und Bremsverzögerung. Was mir jedoch auffiel, sie blieb an jeder Ecke stehen. Ich reinigte erst einmal die Räder, dann die Schienen. Die erste Maßnahme, die jeder Modellbahner unternimmt. Nein, das war es nicht. Ich überlegte und sah die Lok noch einmal ganz genau an. Der Motor bezog seinen Strom nur über die zwei inneren Achsen! Das darf doch nicht war sein... Ich überlegte... dann war die Lösung schnell gefunden: die beiden vorderen Achsen mussten auch noch für die Stromaufnahme herhalten. Aber wie? Ich sah in meinen Elektronikbastelkasten und fand ein Stück bronzenes Federblech. Mit der Schere schnitt ich zwei Streifen zu, lötete jeweils ein Kabel fest und fixierte diese Kontaktfeder mit Sekundenkleber hinter den Achsen. Testfahrt. Sie fuhr ruckfrei und blieb auch nicht mehr überall stecken. Doch es wurmte mich gewaltig, daß ich die Lok nicht mit Lastregelung betreiben konnte. Ich ging dann endlich ins Bett und entschloss mich, der Firma ESU per Mail das Problem zu schildern. Was daraus wird, weiß ich nicht. Ich werde wohl oder übel ein paar Tage warten müssen - und dann wieder entsprechend berichten. Wenn das Problem gelöst ist, beschäftige ich mich in einer weiteren Fortsetzung mit der Patinierung.
Da steht sie im Schuppen! Meine ÖBB 1245 nach dem Umbau...
Die Befestigungsschrauben - die Lösung finde ich ganz gut.
Eine hübsche Maschine, die grüne 1245 von Kleinbahn. Gut, die von Roco mag detailierter sein, aber für mich als Spielbahner ist sie genauso gut.
Nach dem Einbau des Decoders sieht es aus wie das Kunstwerk eines Verpackungskünstlers.
Wozu eine alte Fahrradbeleuchtung noch zu gebrauchen ist....
Pleten, Pech und Pannen später: die digitalisierte Lok steht auf dem Gleis. Hier der Testlauf. Der bittere Nachgeschmack kommt dann später....
Hier die Anordnung der Achsen im Drehgestell. Unglaublich. Welcher Ingenieur denkt sich nur sowas aus??? Vor allem die Stromaufnahme....
Meine Lösung: die Kontaktbleche vor dem Einbau....
... und nach dem Einbau.
Da steht sie im Bahnhof: meine 1245 und hat schon den ersten Übergabezug am Haken. Meine Schweißperlen bleiben natürlich im Hintergrund.
Mal sehen, wie es weitergeht.
So, einen schönen Restsonntag noch
wünscht euch der Elektroveteran