RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#1 von steve1964 , 01.10.2018 08:35

Tag in die Runde, nach über 100 Jahren E-Lok Geschichte vom
knorrigen Stangen - Oldtimer mit Riesenmotor über E 44, E 18, E 94,
später die Einheitsloks bis zur Drehstromtechnik der 120 und den Tauri,
möchte ich mal die Frage in den Raum stellen,
wohin die weitere Entwicklung gehen bzw. was konkret
überhaupt noch zu verbessern wäre/ginge.
Energieeffizienz ? Rückspeiseanteil ? Leistung ? Beschleunigung ?
Wartungsaufwand ?
Oder ist im Lokomotivbau mit den nunmehr schon traditionellen
Komponenten der Stromübertragung, der Transformation, der Motoren,
des gesamten Rad-Schiene-Systems allmählich mal ein Optimum erreicht,
so daß eine Steigerung nur mit völlig anderen Systemen
(wie z.B. Linearmotor oder anderen ) möglich wäre ?
VG
Steve


Ich baue, also bin ich.


 
steve1964
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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#2 von Hamburg-Rahlstedt-Bahner , 01.10.2018 11:15

Hallo Steve,

ich denke mal, das Ganze muss man etwas differenzieren. Du stellst schon richtig fest, dass seit der Einführung der Drehstromtechnik mit der Baureihe 120 im Bereich der elektrischen Antriebstechnik das Konzept unverändert geblieben ist. Bis heute ist dieses Prinzip, auch wie die Motoren angesteuert werden, nicht mehr verändert worden. Auch bei den vor allem für den Laien offensichtlichen technischen Daten gab es wenig Veränderungen. Elektrisch gab es schon einige Veränderungen wie die Umstellung von GTO-Thyristoren auf IGBT, aber auch die Einführung von Mehrsystemfähigkeit.
Aber auch gerade aus Sicht des Schienenfahrtzeugbaus (auch wenn ich mich damit nur bedingt auskenne) gab es viele Fortschritte wie die Einführung von Monoblock-Radsätzen, der konsequente Einsatz von Scheibenbremsen, neuen Fahrwerkskonzepte (nenne ich jetzt mal so) wie neu entwickleten Hohlwellantriebe für BR 101 und Taraus, aber auch so etwas wie den Ritzelhohlwellenantrieb vom Vectron und Tatzlagerantriebe, die bis 160 km/h zugelassen sind.
Wie der Weg da nun weitergeht, ist schwer absehbar. Für den elektrichen Teil sage ich mal: Vermutlich ist es möglich, noch einmal ein völlig neues Konzept für den Antrieb elektrischer Schienenfahrzeuge zu entwickeln, mit dem sich Fahreigenschaften und Wirkungsgrad optimieren ließen. Es gibt da wohl auch schon Konzepte in der elektrischen Antriebstechnik, die aus der Industrie stammen. Dafür müsste man allerdings ein großes Forschungsvorhaben starten, was durch die derzeitige Struktur der Eisenbahnindustrie erschwert wird. Man muss bedenken, dass an der Entwicklung der heutigen Technik in den 1970er Jahren über hundert Ingenieure beteiligt waren. Dies war damals durch eine Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen, den Unternehmen in der Industrie und der Bundesbahn möglich. Wie weit Optimierungen möglich sind, kann man hier noch nicht sagen, große Sprünge (beim Wirkungsgrad absolut in Prozent gesehen) sind nicht mehr zu erwarten. Insofern denke ich, dass auf absehbare Zeit kein entsprechendes Forschungsvorhaben gestartet wird, zumal der Bahn derzeit wohl auch die politische Bedeutung für die Vergabe solcher Forschungsmittel fehlt. Rein aus Energiesystemsicht ist es neben der politischen Fokusierung auf die Energiewende wohl auch sinnvoll, die Erzeugung elektrischer Energie beim Bahnstrom auf eneuerbare Energien umzustellen, da hier einfach mehr Potential vorhaden ist.
Den Schienenfahrzeugbau lasse ich mal außen vor. Da wissen vielleicht andere mehr.
Ein Trend, der aber derzeit zu beobachten (auch gerade vor zwei Wochen auf der Innotrans) ist, ist die Ausrüstung von elektrischen Schienenfahrzeugen mit Dieselmotoren, damit diese abseits von elektrifizierten Strecken fahren können. Nachdem hier zu Beginn vor allem die sog. Last-Mile-Technik zum Befahren von Gleisanschlüssen mit geringer Leistung und geringen Geschwindigkeiten vorgestellt wurde, sind nun auch vollwertige Zweikraftfahrzeuge (aktuelle Beispiele: Stadler Eurodual HVLE, FLIRT BMU) erhältlich. Der Fokus liegt derzeit also vor allem dort, wo der Wirkungsgrad wesentlich niedriger als bei aktuellen Elektroloks ist: dem Dieselmotor. Hier können wir gespannt sein, was die Industrie in nächster Zeit auf die Schiene stellen wird. Das gilt auch für alternative Antriebe wie batterieelektrische Konzepte und die Wasserstofftechnik.

Wie immer gilt: Ich habe die Weiheit nicht für mich gepachtet, sodass gerne kritisch diskutiert werden kann.

Viele Grüße
Jan-Peter


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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#3 von Schwanck , 01.10.2018 18:35

Moin,

selbstverständlich wird im System "Spurgebundener Verkehr" sprich Eisenbahn ständig weiter geforscht. Einerseits sind es Hersteller, die Forschungsprojekte betreiben, wenn sie nicht gerade mit organisatorischen Neuausrichtungen beschäftigt sind, andererseits gibt es die THs bzw. TUs die es betreiben. Seit altersher sind da 3 - 4 Orte zu nennen: A, wie Aachen, B, wie Braunschweig und weil es C wohl nicht gibt zweimal D, wie Darmstadt und Dresden. Von den genanntem findet man bestimmt was im Netz und es gibt wahrscheinlich auch noch weitere.


Tschüss

K.F.


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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#4 von Hamburg-Rahlstedt-Bahner , 01.10.2018 19:08

Hallo KFS,

ich weiß nicht, ob deine pauschale Antwort auf meinen Text bezogen war. Ich hoffe nicht, dass es falsch rüber gekommen ist. Ich meinte natürlich nicht, dass nicht geforscht wird. Es wird an allen Ecken geforscht.
Wie schon gesagt, sehe ich derzeit für absehbare keinen Paradigmenwechsel beim elektrischen Antrieb von Schienenfahrzeugen. Das heißt nicht, dass es nicht irgendwann kommt.
Bei den Unis habe ich mal kurz geschaut (habe bei der Elektrotechnik und nicht im Maschinenbau geschaut). Die Forschungsprojekte an den entsprechenden Instituten/Lehrstühlen gehen dort derzeit vor allem in Richtung Grundlagenforschung, Elektromobilität auf der Straße und Energiesysteme. Wenn du ein konkretes Projekt kennst, gerne her damit.

Viele Grüße
Jan-Peter


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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#5 von HD-Mainz-MoBa , 01.10.2018 19:48

Hallo,
natürlich wird es weitergehen, die Motoren können bei gleicher Leistung (noch) leichter werden, die Elektronik noch kompakter!
Bei der 110 war das Gewicht noch bei 85 Tonnen ähnlich einer neuen Mehrsystemlok, die noch dazu mehr Leistung hat. Dadurch das die komplette elektrische Ausrüstung leichter und die Technik ausgeklügelter wurde, wurden Gewichts-Kapazitäten für mehr Ausstattung frei wie Mehrsystemfähigkeit, Last-Mile - Konzepte und ähnliches. Die Loks sind immer noch so schwer wie "früher", können aber heute mehr. Die "Paket"-Ausstattungen der Hersteller sind universell international verfügbar. Heute kann eine Lok von Süd-Italien bis nach Nord-Norwegen am Zug bleiben. Das ist der Fortschritt! ... und der wird immer weiter gehen!
Da können wir abwarten und staunen, mit was er uns noch überrascht!
Fakt ist andererseits das, wenn im Winter der Frost die Oberleitung befällt und die Schleifstücke der modernen Dachstromabnehmer im Zeitraffer "zugrunde" gehen, man gerne mit einer z.B. E41 aus den 60er Jahren, vor der täglichen Aufnahme des S-Bahn - Verkehrs, die Oberleitung "putzt", indem man, mit beiden Stromabnehmern anliegend, vor der ersten S-Bahn eine Runde dreht.
Soviel von mir zu dem Thema.
Gruß
Hans-Dieter


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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#6 von steve1964 , 01.10.2018 23:30

Ich bin wirklich gespannt wie es weiter geht..
Um mal auf die Schienenbelastung zu kommen :
die nach wie vor 85 Tönnchen ergeben nun einmal über 21 T Achslast.
( Edit BR 189 sogar 87 t, wie ich eben lesen durfte )
https://de.wikipedia.org/wiki/Siemens_ES64F4
Mir ist nur die noch aus KPEV Zeiten magische Zahl der 20 t bekannt, die eine
noch vertretbare Oberbaubelastung gewährleistet. Aber gilt das auch für die
heute verwendeten, viel stärkeren UIC - Profile ?
Wie leicht darf eine Lok denn theoretisch sein, um noch genügend
Reibungsmasse ( stimmt das jetzt ??? ) auf die Schienen zu stellen,
die für das Anfahren an einer 20 Promille Steigung mit - sagen wir mal
800 -1000 - Tonnen Anhängelast erforderlich ist ?
VG
Steve


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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#7 von Schwanck , 02.10.2018 09:13

Moin Steve,

die statische Achslast ist von 20 t auf 22,5 t (max. 25 t) erhöht worden, was der verstärkte Oberbau auch gut verkraften kann. Viel wichtiger sind für die Bahningenieure jedoch die dynamischen Lasten, das sind dann Kräfte (Kraft ist Masse mal Beschleunigung) sowohl senkrecht, wo sie sich zu den statischen addieren oder auch subtrahieren, als auch quer, wo sie ein Kriterium für die Sicherheit gegen Entgleisung darstellen. Diese Kräfte erden maßgeblich 1. von der Fahrzeugkonstruktion über Federung und Dämpfung und 2. von der Güte des Oberbaus ( Spurweite, Gleichmäßigkeit der Krümmung, Höhenlage (auch gegenseitige) Übergangs-Bögen und -Rampen usw. beeinflußt.


Tschüss

K.F.


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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#8 von aftpriv , 02.10.2018 10:52

Hallo Steve

Zitat

Anfahren an einer 20 Promille Steigung mit - sagen wir mal 800 -1000 - Tonnen Anhängelast erforderlich ist ?


bei 22,5 Promille Steigung und 90 kmh folgende Grenzlast in Tonnen (t):
DB 101,185, ÖBB 1016: 905 t
DB 103: 630 t
DB 110, 111,113, 114, 140: 620 t
DB 120: 900 t
DB 141: 475 t
DB 143: 565 t
DB 145: 905 t
DB 150: 935 t
DB 151: 875 t
DB 152: 925 t

Dampfloks bei 20 Promille Steigung folgende Grenzlast in Tonnen(t) (Gattung D, F, Eil)
01: 85 t bei 85 kmh, 205 t bei 60 kmh
18: 90 t bei 75 kmh, 170 t bei 60 kmh
44: 90 t bei 80 kmh, 190 t bei 60 kmh
50: 80 t bei 70 kmh, 125 t bei 60 kmh

Dampfloks bei 20 Promille Steigung folgende Grenzlast in Tonnen(t) (Gattung G)
44: 105 t bei 75 kmh, 190 t bei 60 kmh, 540 t bei 30 kmh
50: 100 t bei 65 kmh, 120 t bei 60 kmh, 365 t bei 30 kmh

Gruß
Alf


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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#9 von steve1964 , 02.10.2018 11:53

Zitat

Moin Steve,

die statische Achslast ist von 20 t auf 22,5 t (max. 25 t) erhöht worden, was der verstärkte Oberbau auch gut verkraften kann. Viel wichtiger sind für die Bahningenieure jedoch die dynamischen Lasten, das sind dann Kräfte (Kraft ist Masse mal Beschleunigung) sowohl senkrecht, wo sie sich zu den statischen addieren oder auch subtrahieren, als auch quer, wo sie ein Kriterium für die Sicherheit gegen Entgleisung darstellen. Diese Kräfte erden maßgeblich 1. von der Fahrzeugkonstruktion über Federung und Dämpfung und 2. von der Güte des Oberbaus ( Spurweite, Gleichmäßigkeit der Krümmung, Höhenlage (auch gegenseitige) Übergangs-Bögen und -Rampen usw. beeinflußt.



-
Wenn ich dich ( mit meinen bescheidenen physikalischen Kenntissen)
richtig verstehe, sind es die Zentrifugalkräfte, die bei Bogenfahrt
eine Lok nach außen drücken und damit auch eine seitliche Belastung des
Oberbaues verursachen ?
Ist bezüglich Federung und Dämpfung bereits ein Optimum erreicht ?
Oder - verrückte Idee - könnte eine Lok den Oberbau bei Bogenfahrt
schonender behandeln, wenn z.B. eine Hydraulik á la Pendolino eingebaut
wird ?
VG Steve
-


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RE: Frage zur Weiterentwicklung von E-Loks

#10 von Schwanck , 02.10.2018 12:27

Moin Steve,

die Sache mit der Zentrifugalkraft hast du richtig erkannt. Um sie zu mildern gibt man dem Bogen die Überhöhung. Wenn die Krümmung der Kurve nicht überall konstant ist, gibt das Spitzen bei der Zentrifugalkraft; diese können gefährlich werden.
Die Neigetechnik der sog. Pendolinos vermindert die Zentrifugalkräfte nicht; sie erhöht lediglich den Fahrkomfort für die Fahrgäste bei einer höheren Geschwindigkeit als der für die Kurvenüberhöhung normal zugelassenen. Im Grunde bedeutet die Neigetechnik ein Ausreizen der Querkräfte im Bogen. Deshalb muss ein Pendolino sofort langsamer fahren, wenn die Neigesteuerung ausfällt.


Tschüss

K.F.


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