Hallo zusammen,
normalerweise bin ich ja eher im Modulbau und in der Epoche III unterwegs. Aber es gab da ein Schloss in meinem Heimatort, von dem
keiner mehr genau weiß, wie es ausgesehen hat.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Haag_(Bayern)
Wie alt es war, ist leider nicht bekannt. Nur, daß es mal ein Wehrturm war, von den Schweden 1632 niedergebrannt und dann von den Lodron wieder aufgebaut wurde. Das Adelsgeschlecht der Lodron (https://de.wikipedia.org/wiki/Lodron) hatte über 100 Jahre einen Landsitz in Haag.
Nachdem der Ort Hofmark war, ist in dem Schloss auch das Gericht untergebracht gewesen. Einige Berichte haben sich bis heute erhalten,
die an die bekannte Fernsehserie "Königlich Bayerisches Amtsgericht" erinnern.
Leider fiel das Schloss 1854 zum Großteil der Spitzhacke zum Opfer. Nur ein Viertel davon blieb stehen. Dieser Rest wurde fortan "Herrenhaus" genannt und schließlich 1997 abgerissen. Die Genehmigung zum Abbruch dieses Herrenhauses erfolgte damals mit der Auflage, die Schloss-Kapelle (oder eher Kirche) wieder aufzubauen und die wertvolle eingelagerte Ausstattung dort wieder einzubauen. Nachdem sich der Abbruch nun zum 20. Mal jährt, war das Anlass genug, ein 1:87-Modell des alten, großen Schlosses zu bauen - und vielleicht, ein wenig wach zu rütteln.
Schloss am Deckengemälde der Pfarrkirche
Es gibt zwar eine Abbildung im Deckenfresko der Pfarrkirche von 1783, die zeigt aber nur die Nord- und Westseite. Dadurch herrschte die Meinung, die anderen Ansichten wären genauso. Zweifel an dieser Behauptung kamen auf, als auf einer historischen Karte der Grundriss sichtbar war.
Keine Symmetrie, aber dafür offensichtlich ein Innenhof!
Die Neugierde und der Forschergeist waren geweckt. :D
Bei solch einem Vorhaben ist es schwierig, an auswertbares Material zu kommen. Es gibt eine Reihe von Abbildungen in Kirchen, Ölgemälde, Aquarelle, Stiche - und einen alten Grundriss, der letztendlich den Startschuss zum Bau gab. Die Sammlung von Material zog sich über 5 Jahre hin.
Das Modell kann mangels vorhandener Vorbildfotos oder Plänen natürlich kein akribischer Nachbau sein. Auch sind alle Abbildungen mit gewissen künstlerischen Freiheiten angefertigt worden und nicht mit einer Fotografie vergleichbar. Manches, wie der bekannte Wening-Stich, ist auch völlig irreführend. Nur der Rest, das Herrenhaus, ist gut dokumentiert.
Herrenhaus nach 1955
Bis in die 1950er Jahre war ein wunderschöner Garten am Herrenhaus angelegt
Recherche und Nachbau
Es wurden alle verfügbaren Quellen ausgewertet. Vieles wurde im Laufe des Modellbaus vermessen, berechnet oder auch logisch schlussgefolgert, manches durch mehrere Ansätze geschätzt. Nichts wurde der reinen Phantasie oder dem Zufall überlassen. Das geht so weit, dass auch die schiefen Winkel vom Grundriss mit übernommen wurden.
Erster Schritt war, anhand der Fotos und der bekannten Maße das Herrenhaus zu rekonstruieren. Das funktioniert recht gut, wenn man Fotos entzerrt und von dort die Maße abnimmt. Im PC in einem CAD-Programm eingegeben, ergibt sich das Gebäude schon mal als Abwicklung der Wände. Es kann auch ein beliebiger Maßstab gewählt und ausgedruckt werden. Dabei fehlt zwar noch das Dach, aber es ist ein Papiermodell möglich, mit dem sich die Proportionen leicht überprüfen lassen.
Im zweiten Schritt sah zuerst das Herrenhaus auf dem großen Grundriss des ehemaligen gesamten Schlosses etwas verloren aus. Anhand der Lage der wenigen Fenster des Herrenhauses konnte mit Symmetrien auf fast alle anderen rückgeschlossen werden. Die Geschoßhöhe des 2. Stockes, welcher vollständig abgetragen wurde, habe ich genauso hoch, wie die 1. Etage angenommen.
Mit den Papiermodellen konnte ich die ersten Eindrücke gewinnen: Ein interessanter, stattlicher Bau.