Hallo,
wenn man bedenkt, dass ich
- ein Fan der klassischen Fleischmann-Konstruktionen der Horsti-Jahre und auch heute noch der Ansicht bin, dass sich gerade in diesen Konstruktionen sehr viel mehr als bei Märklin deutsche Ingenieurskunst manifestierte (man beachte nicht nur das hervorragende Detaillierungsniveau zwanzig Jahre alter GFN-Dampfloks, sondern z.B. die geschickte Belastung der Haftreifenachsen bei Tenderantrieben) und
- Roco wegen ihrer butterweich laufenden Antriebe mochte sowie mich auf Faulis spezialisiert hatte, während ich die HLAs wegen schlechter Erfahrungen in der Anfangszeit für zehn Jahre boykottiert habe,
dann dürfte wohl klar sein, wes Geistes Kind ich bin und dass ich mit den Entwicklungen der letzten Jahre sehr zufrieden bin. Ich besitze von den o.g. Dampfern die 03.10, die 042 und werde auch die 58 bestellen. Desweiteren läuft eine Bestellung über eine 38 Wanne, allerdings gebe ich zu, dass ich da gemischte Gefühle hinsichtlich des Antriebs habe. Metall spielt übrigens bei mir keine Rolle - von mir aus könnten die Modelle auch aus Kuhmist sein, wenn die restlichen Eigenschaften stimmten .
Optisch ist es keine Frage - Märklin hat mächtig aufgeholt und kann erstmals substanziell auch mit der führenden Konkurrenz mithalten - man beachte z.B. die Diskussionen über die Liliput 56.2-8 im Vergleich zur Märklin Lok oder den Vergleich GFN 94 - Märklin 94. Bei E- und Dieselloks klaffte die Schere zwischen Märklin und den optischen Marktführern nie so weit auf wie bei den Dampfern. In punkto Lackierung/Bedruckung war man in Göppingen immer schon ziemlich gut. Und da die Farbe bei diesen Loks mehr Bedeutung hatte als bei dem Dampfloks erklärte dies die bessere Konkurrenzfähigkeit mit.
Antriebsseitig sind die Loks so verfeinert worden, dass u.a. kein Platz mehr für Knickrahmen ist. Dass dies nicht unbedingt eine schlechte Entwicklung sein muss, sieht man, wenn man die neue 41/042 mit der alten 41er vergleicht. Auch wenn letztere zugegebenermaßen ein übler Krüppel und eine von Märklins schlechtesten Dampflokkonstruktionen war, hat die neue Lok keine ihrer Schwächen mehr, sondern kommt selbst mit einem R1 tadellos klar. O.k., da sind noch die gekröpfte Lok-Tender-Kupplung und die gelegentlichen Schiefstände, mit denen sich unser aller Lieblingshersteller nochmals befassen und für Lösung sorgen sollte. Aber wenn ich mir die meisten Loks hinsichtlich ihrer betrieblichen Eigenschaften und Laufsicherheit betrachte, bin ich nicht weniger zufrieden als bei der Optik. Motorseitig würde ich mir ja vorzugsweise Faulis wegen ihres unvergleichlich weichen Laufes wünschen, aber auch unter den normalen Fünfpolern gibt es inzwischen gute Konstruktionen. Hauptsache ein Motor, der auch bei beengtem Platz keine Zugeständnisse an die äußere Form der Lok mehr erfordert und trotzdem ordentlich läuft!
Auch elektronisch hat sich Märklin ja deutlich bewegt. Da ich kein Freund von MFX bin sondern DCC wegen seiner besseren Konfigurierbarkeit und des Fehlens dieser blödsinnigen Anmelderoutine bevorzuge, habe ich bisher jedoch immer die Faust in der Tasche ballen müssen. Die frei verbaubaren MLDs zeigen jedoch schon, wohin die Reise gehen sollte - ich hoffe, dass spätestens der Dekoder in der 58 eine freie Wahl zwischen MFX, DCC und MM ermöglichen wird - eben jedem, wie er mag. Trotzdem bin ich nicht der Überzeugung, dass Märklin den Entwicklungsstand von ESU eingeholt hat: Es fehlen nicht nur solche Feinheiten wie der Kupplungswalzer, die auch gegenüber dem LoPi III stark erweiterten Lichtfunktionen, oder die Feinheiten bei der Motoransteuerung (der LoPi IV kann geeignete Motorparameter selbst ermitteln und bietet zudem eine Feineinstellung für den Langsamfahrbereich an) sondern vor allem wie schon angeführt eine Möglichkeit, einen Energiespeicher einzusetzen. Ich erwarte, dass dieser Technik die Zukunft gehören wird, dass die Energiespeicher kleiner werden, irgendwann ganz oder größtenteils auf den Dekodern integriert werden können und auch irgendwann selbstverständlich sein werden. Man braucht dann keine Schwungmassen mehr (die helfen bei Langsamfahrt eh' nicht viel), sondern kann die Lok komplett puffern und so einen sehr gleichmäßigen Lauf erzeugen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass nochmals ein Anlauf mit Sinusmotoren versucht werden könnte, allerdings mit einer von Grund auf besseren Regelung, die dann über das Powerpack ausgeglichen mit Leistung versorgt werden könnte. Das Bestechende an diesen Motoren ist das gute Verhältnis Leistung/Größe, dass sie bei den beengten Verhältnissen der Modellbahn immer interessant sein lassen wird.
Wir alle wissen, dass maßstäbliche Zugeständnisse bei der Modellbahn unvermeidlich sein werden. Den Träumen mancher H0-PURisten schließe ich mich ausdrücklich nicht an - ich will eine betriebssichere Bahn und auch keine, die man nur in einer Turnhalle betreiben kann, weil man anderenorts die für die H0-PURisten erforderlichen Radien nicht unterbringen kann. Märklin hat hier gerade trotz gestiegener Detailtreue und Maßstäblichkeit Kurs gehalten wie kein zweiter Hersteller - Märklin-Bahnen lassen sich auch heute noch sicher auf einem R1 betreiben, den man nun mal bei wenig Platz hier oder da benötigt - und da klopfe ich die Firma ausdrücklich für auf die Schulter!
Allerdings gibt es auch maßstäbliche Schummeleien, die wirklich nicht nötig wären, so aus meiner Sicht alles, was direkt oder indirekt mit dieser Fehlkonstruktion von Kupplung zusammenhängt. Ich muss mich hier wiederholen - die Probleme von Märklins Kurzkupplungskopf (=Berührung des Kopfes mit maßstäblich tiefliegenden Puffer in Kurven mit folgender Entgleisung von Fahrzeugen) sind die Folge davon, dass Märklins Kupplungsbügel zu breit ist (der Unterteil der Kupplung ist ok!). In gekuppeltem Zustand wird der Kupplungsbügel hoch und breit zugleich, was die Probleme verursacht. Das besonders ärgerliche daran ist, dass man die Lösung längst in der Schublade liegen hat - man müsste nur den eigenen Bügel gegen den der RTS-Kupplung (= Märklins stromführende Kupplung) austauschen und schon war es das. Ich habe es bei Liliput-Wagen getestet, die überaus erbittert auf Märklins Köpfe reagieren - RTS-Kupplung und das Problem ist weg.
Wenn ich jedoch die aus meiner Sicht wichtigste Verbesserung bei Märklin anmahnen müsste, wäre es nicht einmal dieser Kupplungstausch, sondern es wäre eine bessere Qualitätskontrolle. Man muss verstehen, dass Märklins Ruf zu einem guten Teil Folge der Solidität und Robustheit der alten Modelle waren. Noch heute verblüffen diese damit, dass sie auf Anhieb laufen, auch wenn sie zwanzig Jahre auf dem Speicher gelegen haben. Die Robustheit dieser Loks wird natürlich bei der Filigranität moderner Modelle nicht zu machen sein, aber es gibt zu viele technische Ausfälle auch bei neuen Modellen und das ist absolut rufschädigend! Hier muss das Rad der Zeit tatsächlich zurückgedreht werden - neue Modelle müssen eben immer laufen und nicht so oft das AW Göppingen sehen müssen.
Es ist zwar nicht direkt danach gefragt geworden, aber während man sich bei den Loks gut und m.E. in die richtige Richtung bewegt hat, benimmt man sich beim Gleis so träge wie ein Öltanker auf großer Fahrt. Dies führt zu einer gravierenden Diskrepanz z.B. beim K-Gleis: Die Loks sind up to date, aber das Gleis stammt aus dem letzten Jahrtausend. Es ist dringend nötig, ihm zumindest die Profile des C-Gleises zu geben! Und das C-Gleis muss endlich vervollständigt werden - schlanke DKWs, Bogenweichen mit größeren Radien und schlanke Dreiwegweichen sollte es geben. Ich fände es auch nicht schlecht, wenn sich endlich nochmals jemand die Geniestreiche des Herrn Ade bei dessen Gleis ansehen würde und Weichenkonzepte fürs C-Gleis anbieten würde, bei denen Zunge und Herzstück geteilt ist. Aber ich gebe zu - hier glaube ich noch nicht richtig an Märklin. Müssen wir also noch Überzeugungsarbeit leisten!
Viele Grüße
Ulrich