Hallo,
Zitat von im Beitrag Fehlender Nachwuchs
Das Menschen wie Dein Vater ihr Wissen nicht weitergaben ist kann ich überhaupt nicht verstehen weil es dadurch nicht annähernd in dem Ausmass genutzt wird wie es bei einer Weitergabe der Fall wäre und er es so einfach mit ins Grab nimmt. Mich macht es glücklich das ich einige meiner Kenntnisse weitergeben konnte und trotz nicht vorhandener eigener Kinder einige "Ziehsöhne" habe die heute selbst technische Hobbies betreiben - das ich daran nicht sooo ganz unschuldig bin freut mich jedenfalls sehr...
Nun, hier muß ich für meinen Papa die Lanze brechen; er hat mir vieles beigebracht, was mir bis heute wichtig ist - und anderen auch; seine Schüler halten ihm ein hohes Andenken! - aber erstaunlicherweise nicht beim Gebrauch von Werkzeug. Das war auch nichts, was er gern machte. Ich muß sogar sagen, seine letzte Modellbahnanlage hat er ziemlich hingeschustert, mit zu dünnem Sperrholz und zu wenigen Stützen, da bogen sich die Trassen vor Lachen, wenn die 81 vorbeikam. Vermutlich wollte er da nur schnell was zusammenbringen, worauf die Züge fahren können.
Manche elektrischen Fummeleien an der Modellbahn habe ich mir bei ihm abgeguckt, und nachher kam er mal bei mir vorbei und staunte, was ich daraus gemacht hatte. Elektrik kann ich, auch dank ihm.
Außerdem gilt sicherlich auch dies, was Jochen geschrieben hat:
Zitat von im Beitrag Fehlender Nachwuchs
Er dachte jedoch immer, dass Jungs solche Dinge einfach wissen, automatisch lernen, von Geburt haben ... wie auch immer. Er war auch ein "MacGyver" und merkte erst im Laufe der Zeit, dass dieses Wissen nicht immer vorhanden war. Er war dann regelrecht überrascht, wenn der Bub einfache Sachen nicht wissen konnte.
Zitat von im Beitrag Fehlender Nachwuchs
Diese Fertigkeiten kann man immer gebrauchen und eigentlich war Standard, dass Jungs erwarten konnten, dies von ihren Vätern zu lernen. Daher war es mir auch Verpflichtung, diese handwerklichen Standards an meine Söhne weiter zu geben, damit sie nicht mit zwei linken Händen durch das Leben laufen.
Horst, du bist von der Generation meines Vaters, der dieses Jahr 79 geworden wäre. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was mein Großvater meinem Vater beigebracht hat. Sicherlich manches im Garten - aber der Garten, in dem meine Großeltern viel Zeit verbrachten, war für meinen Vater absolut kein Quell der Freude, wenn es daran zu arbeiten galt.
Zitat von im Beitrag Fehlender Nachwuchs
ein wenig Tischler, Elektriker, Gipser, Maler, Metallbauer
Elektrik konnte mein Papa (allerdings auf eine Art und Weise, daß niemand anders durchschaute; seine alte Eisenbahnanlage war bis zu seinem Umzug funktionsfähig gewesen, danach aber war es unmöglich, sie wieder herzurichten, weil er keine Kabelfarben respektiert hat und alle Kabel so zog, wie es gerade paßte und auf dem kürzesten Weg!); beim Tischlern wurde es schon schwierig. Gipsen nein, Metallbau nein. Malen nein. Kann ich auch nicht: ich bin farbfehlsichtig. Erbe vom Großvater mütterlicherseits. Ja, wir haben mal zusammen das Wohnzimmer gefliest; das war eine Freude für sich, aber das Ergebnis ist nicht schlechter als das Badezimmer vom ausgebildeten Handwerker (auch der hat hohle Fliesen gelegt, und die Fugenweite ist teilweise breiter als mein Finger).
Noch mal: Handwerkliches, das war für ihn eine lästige Pflicht. Und ganz ehrlich: du kannst nichts lehren, was du haßt. Wenn du es trotzdem versuchst, verbreitest du nur Widerwillen. Ich hatte eine Musiklehrerin, die zwar technisch super war, aber keine Freude an der Musik hatte. Ja, das gibt es: ein halbes und sogar dreiviertel Jahrhundert hat sie für die Musik gelebt, ohne Freude dran zu haben. Mit über 90 saß sie dann mal beinebaumelnd auf ihrem Bett und rief aus: "Fitscheln kann ja Spaß machen!" Tja, für mich war es zu spät, die Geige hat sie mir dauerhaft verleidet.
Und da sehe ich was, was wir hier ganz leicht vermitteln können, wir Foren-Modellbahnmeister und unsere Mittäter in den Modellbahnredaktionen: so einen gewissen Zwang von "so muß es richtig sein" und "so und nicht anders geht Modellbahn". Wie Jochen vorführt:
Zitat von im Beitrag Fehlender Nachwuchs
Und ja, so ein "Basisverständnis" braucht man für Modellbahn. Löten, kleben, sägen, feilen, bohren, malen... gehört alles dazu. Nebenbei noch ein "Auge" für Stimmigkeit. Die Lust an der Recherche. Und wahnsinnige Frusttoleranz bei Rückschlägen.
Nö. Braucht man alles nicht. Man kann auch einen Schienenkreis nach Gleisplanbuch zusammenstecken und Züge im Kreis fahren lassen, auf dem Fußboden, mit einer Anschlußleitung oder Anschlußbox von der CS1, man lädt Siku-Autos drauf oder Playmobil-Männchen, und hängt preußische Abteilwagen vom Opa hinter eine 101 von Onkel Sascha. Auch das ist Modellbahn. So wie das "Fitscheln" auf der Geige auch Musik ist, selbst wenn man damit keinen Musikwettbewerb gewinnen kann und selbst auf Youtube keine Likes bekommt. Ist doch wurschtegal.
Aber wir vermitteln genau das: es gibt eine "richtige" Art, Modellbahn zu betreiben, und alles andere ist falsch. Modellbahn ist nicht Spaß und Vergnügen, sondern eine Pflicht, beinah eine Qual. Wie Sickergrubenputzen. Macht unheimlich Spaß, sowas! Kinder, macht mit!
So müßt ihr bauen, so müßt ihr fahren, so müßt ihr denken - und dann wundert ihr euch, daß euch keine mündigen jungen Menschen entgegentreten?
Wenn ich solche Kataloge sehe, kriege ich Lust, laut zu schreien: kriegt mal euren Ladestock aus dem Hintern und fangt an zu leben! Werft eure Korsetts ab und atmet, lebt! Wir sind doch nicht mehr im 19. Jahrhundert, wo gesellschaftliche Konventionen alles vorschrieben, sogar welche Arschbacke man heben muß, wenn man furzt!
Hatte ich hier schon die armen Abiturienten erwähnt, die ihren Lehrer anbettelten: "Bitte, Herr Lehrer, sagen Sie uns: ist dieses Gedicht schön? Sie müssen uns das sagen!"
Das muß ich meinem Papa hoch anrechnen: er hat zwar einen Grundstock aufgebaut - da war ich auch erst sechs Jahre alt -, aber danach hat er mich machen lassen, wie ich wollte, solange ich nichts Gefährliches anstellte. Er hat nicht dreingeredet und mir erklärt, wie es "richtig" wäre. Das haben erst die eisenbahn_magazin-Redakteure gemacht...