Ein Kapitel für sich sind Mietlokomotiven. Üblicherweise erhalten Mietloks weder die Farben der anmietenden Bahngesellschaft noch gehen sie in deren Nummernschema ein. Aber - und das ist ja das Reizvolle an diesem Thread - was wäre, wenn?
Doch gehen wir chronologisch vor. Bei mehreren Gelegenheit kamen deutsche E-Loks in der Schweiz als Mietlokomotiven zum Einsatz; darunter auch die Reihen E 71 und E 91. Doch am beständigsten erwiesen sich die Arbeitstiere der Reihe E 40. Laut dem EK - Baureihenbuch über die Einheitselloks waren von 1961 bis 1964 Offenburger E40 an die SBB verliehen; allein im Jahr 1963 14 Stück gleichzeitig. Nun hätten unsere Schweizer Freunde natürlich nichts besseres zu tun gehabt als die auf ihren Gleisen laufenden deutschen Lokomotiven optisch zu helvetisieren, und dann auch noch mit Chromleisten, Kantonswappen und Beschriftung á la Ae 6/6 - aber prächtig ausgesehen hätte unser Arbeitspferd damit schon, oder?
Retusche nach einem Originalfoto mit freundlicher Genehmigung der Fa. Roco/ Modelleisenbahn Holding GmbH
Meines Wissens nach hat es bei der SBB - bei der BLS hingegen sehr wohl - nie eine Ae 4/4 gegeben. Damit hätten die deutschen E40 unter schweizer Ägide auf Grund ihrer Höchstgeschwindigkeit zu Ae 4/4 I werden müssen. Ich bin aber kein Kenner des Schweizer Nummernplanes - und so ist auch die Loknummer schlicht geraten.
Auch in Österreich waren deutsche Miet- oder Leihlokomotiven durchaus nicht selten. So verschlug es 1977 einige Maschinen der Baureihe 110.3, von der ÖBB angemietet, in die Alpenrepublik, wo sie u.a. am Arlberg zum Einsatz kamen. Gut, weder haben unsere österreichischen Freunde an der 110 einen derartigen Narren gefressen dass sie meinten die Lokomotiven behalten zu müssen noch gab es 1977 bereits das Valousek-Design - bis dahin sollte es noch ein volles Jahrzehnt dauern. Und doch meine ich, es hätte unserer guten alten Bügelfalte gar nicht mal so schlecht gestanden:
Retusche nach einem Originalfoto mit freundlicher Genehmigung der Fa. Roco/ Modelleisenbahn Holding GmbH
Ach ja - da die Baureihenbezeichnung "1111" leider bereits an die "Transalpin-110" vergeben ist, wurde die 110 331 - die damals wirklich am Arlberg Dienst tat - nicht zuletzt auf Grund ihrer optischen Ähnlichkeit zur Bundesbahn-Reihe 112 zur "1112.01". Was nicht passt, wird eben passend gemacht...
Vier Jahre später verschlug es die Reihe V200 nach Dänemark. Grund hierfür war, dass sich die Auslieferung der von der DSB bei Henschel in Kassel bestellten Neubaudieselloks der Reihe ME verzögert hatte und bis zu deren Eintreffen Ersatz notwendig war; Henschel bezahlte den Einsatz der V200 im Land zwischen Nord- und Ostsee als Vertragsstrafe. Interessant ist, dass man bei den DSB von den deutschen Dieseln so angetan war, dass es in der Tat noch während des Einsatzes zu Verkaufsverhandlungen kamen die auch sehr weit gediehen, wozu es letztendlich dann aber leider doch nicht kam (vgl. hierzu: MEIER, M.: Die Baureihe V200. EK-Verlag Freiburg 2005, S. 304). Wie eine V200 im dänischen Gewande ausgesehen hätte haben sich schon mehrere Enthusiasten gefragt, sodass man z.B. hier eine bildhafte Umsetzung im Netz findet. Und Jouef hatte sogar eine DSB-V200 im Programm! Allerdings zeigen beide Darstellungen das DSB-Livrée, das wir auch von der Märklin-3067 her kennen und 1981 schon gar nicht mehr zur Anwendung kam. Wenn, dann hätten die Wirtschaftswunderrenner im Lande Hamlets wohl diesen Anstrich erhalten:
Und die Baureihenbezeichnung? Auch vom dänischen Nummernplan habe ich herzlich wenig Ahnung - doch wenn ich mir diese Seite ansehe hat es in Dänemark noch nie eine Reihe "MG" gegeben. Weswegen ich mich ohne jeden militaristischen Hintergrund für diese Bezeichnung entschieden habe.
Wieder zurück zu den Eidgenossen. 1986 gingen die SBB auf Grund des sich durch den neuen Taktfahrplan ergeben habenden Lokmangels auf die Suche nach anzumietenden Loks.
Nach Probefahrten fiel Mitte März fiel die SBB- Entscheidung, acht 194er anzumieten. Während die 194 574 und 575, die für den Übergabedienst Basel Rangierbahnhof - Rheinhafen gedacht waren keinerlei Bauartveränderungen über sich ergehen lassen mussten, erhielten 194 563, 564, 565, 566, 567, 576 und 580 einen einzelnen SBB-Einholmstromabnehmer und SBB Zugsicherung. Eingesetzt wurden sie im Kiesverkehr im Züricher Umland; ab September konnte man sie auch im Raum Basel beobachten.
Während sich in HO m.W. noch kein Großserienhersteller dieser Spielart unseres Krokodils angenommen hat, haben ihm die Fleischmänner in 1:160 ein Denkmal gesetzt. Und auch hier sei die Frage erlaubt - was wäre, wenn? Wenn die Schweizer den E94 zumindest den Rotanstrich verpasst hätten, der seit 1983 bei Neuanstrichen üblich war? Man wird in Tells Reich zwar wohl kaum so enthusiasmiert ob der deutschen Sechskuppler gewesen sein dass man ihnen gleich ein Kantonswappen, Chromleisten und eigene Baureihenbezeichnung - sie hätte wohl Ae6/6 II lauten müssen? - verpasst hätte. Aber seid mal ehrlich: Schnieke ausgesehen hätte es schon...
Retusche nach einem Originalfoto mit freundlicher Genehmigung der Fa. Fleischmann/ Modelleisenbahn Holding GmbH
So - ich hoffe, Euch hat mein kleiner "What if"-Exkurs in die Welt der Mietlokomotiven gefallen. Und falls jetzt jemand gar nicht weiß, was er mit seiner alten Märklin 3021, 3022, 3033 oder 3040 machen soll...
Grüße!
Christian