Liebe Stummianer,
heute berichte ich einmal nicht von meiner winterlichen Kleinanlage in H0, sondern möchte einmal über Fotografie, insbesondere die Fotografie der heimischen Modelleisenbahn, schreiben. Es gibt hier im Forum sehr viele sehr gute Fotografen, die alle ihren eigenen Stil gefunden haben und geniale Fotos präsentieren. Manche haben mich aber nun mehrfach gefragt, wie man denn an knackscharfe Fotos kommt. Die Antwort lautet nicht: "Indem Du Dir eine gute und teure Kamera kaufst". Sie lautet vielmehr: "Indem Du Dich mit der Materie etwas auseinandersetzt, Grundlagen erlernst und diese anwendest". Und wie es immer so ist: Übung und Erfahrung und vieeel Experimentieren machen Meister. Sicherlich hat jeder auch seinen eigenen Fotografiestil. Manche mögen unterbelichtete Fotos, die Dämmerung suggerieren. Andere mögen Fotos aus der Preiserleinperspektive und wieder andere mögen Übersichtsfotos aus der Vogelperspektive. Alles hat seine Daseinsberechtigung. Ich fokussiere mich in diesem (ersten) Tutorial erst einmal auf die Grundlagen der Fotografie und wie man mit wenig Aufwand großen Einfluss auf die Fotowirkung nehmen kann.
Lasst Euch bitte nicht vom vielen Text abschrecken. Es steht wirklich das meiner Meinung nach nötigste drin, was man über Fotografie wissen muss, um aktiv Einfluss auf die eigenen Fotos zu nehmen und um zu guten Fotos zu kommen. Sicherlich gibt es an vielen Stellen verschiedene Möglichkeiten und Meinungen. Ich möchte eher einmal neutral die Möglichkeiten aufzeigen und weniger diskutieren, was wirklich gut ist oder nicht.
Hier das Inhaltsverzeichnis:
1 Grundlegendes
1.1 Die richtige Kamera
1.2 Modellbau und Modelleisenbahn als Motiv
1.3 Stative
1.4 Fazit und Faustregeln
2 Belichtung
2.1 Die Brennweite
2.2 Die Belichtungszeit und Blende
2.3 Der ISO-Wert
2.4 Der Blitz
2.5 Fazit und Faustregeln
3 Details
3.1 Weißabgleich
3.2 Fokussierung
3.3 Selbstauslöser
3.4 Fazit
0 Über dieses Tutorial
Ich unterscheide immer zwischen zwei Arten von Wissen: Die Grundlagen, die man zur Anwendung benötigt und Hintergrundwissen, das einen im Detail vielleicht besser werden lässt, aber zunächst nicht notwendig ist. Deswegen verweise ich in diesem Tutorial an vielen Stellen auf Wikipedia, da man sich dort aus relativ neutraler und freier Hand Hintergrundwissen aneignen kann. Um Fotos der Modelleisenbahn zu machen, benötigt man dieses Hintergrundwissen jedoch nicht. Interessierten werden die Links aber hoffentlich weiterhelfen und weitere interessante Informationen bieten. Ich werde zunächst über die jeweiligen Punkte schreiben. Am Ende jedes "großen" Kapitels wird es ein Fazit mit Faustregeln geben. Das ist die Essenz, die Ihr Euch merken solltet. Alles bis dahin untermauert das und gibt Euch flexibles Wissen, das Ihr auch auf andere Bereiche als die Modellfotografie übertragen könnt.
Am Ende zeige ich Fotos meiner winterlichen Anlage, die die Auswirkungen der verschiedenen Einstellungen veranschaulichen sollen. Den Anlagenthread dazu findet Ihr hier.
1 Grundlegendes
1.1 Die richtige Kamera
Was ist die richtige Kamera? Ginge es nach Elektromarktmitarbeitern, wäre die Antwort einfach: Eine mit vielen Megapixeln, die möglichst teuer ist. Das stimmt nicht! Teure Kameras können viel "Out of the box" und machen sicherlich tolle Fotos. Außerdem sind die aktuellen Kameras extrem lichtstark (sie können mit dem ISO-Wert extrem hoch gehen, mehr dazu im Abschnitt über den ISO-Wert) und haben immer ausgetüfteltere Auslösemechanismen, Monitore und immer bessere Chips. Dies alles hilft sicherlich und erweitert die Möglichkeiten, die man mit einer spezifischen Kamera hat, teilweise enorm.
Dennoch gilt: Man kann extrem vieles durch Wissen und Kreativität kompensieren. Ihr seid das ja schon gewohnt - was gibt es doch für geniale Basteleien, die viel Geld sparen hier im Forum. Genau so ist es mit der Fotografie auch. Wer ein wenig zu lernen bereit ist, wird mit einer sehr günstigen Kamera auch sehr glücklich werden. Hinzu kommt: Die Modellfotografie ist das dankbarste, was es gibt für eine Kamera. Wir haben es hier mit statischen Objekten in einer vollständig kontrollierten Umgebung zu tun. Wir können Einfluss auf Beleuchtung, Bildkomposition und Kameraaufstellung nehmen. Wir können problemlos Stative verwenden, die uns das Leben unglaublich vereinfachen. Das ist ein ganz anderes Kaliber als sich bewegende Objekte wie beispielsweise Menschen oder die echte Bahn zu fotografieren. Wir benötigen nicht einmal lichtstarke Objektive, da wir fehlende Lichtstärke durch den Einsatz von Stativen kompensieren können - einzig die vielleicht dann fehlende TiefenUNschärfe ist vielleicht ein Argument, besonders lichtstarke Objektive einzusetzen.
Wichtig ist jedoch, dass Ihr Eure Kamera kennt, egal, ob es eine Kompakt-, Spiegelreflex- oder Bridgekamera ist. Ihr müsst wissen, welche Einstellungen Ihr wo an der Kamera findet, wie die Einstellungen sich auf Fotos auswirken und manchmal auch, wie Ihr Eure Kamera "überlistet" (dazu später mehr zum Beispiel im Bereich "Autofokus"). Kauft Euch also nicht teure Kameras, wenn Ihr sie nicht wirklich benötigt, sondern beschäftigt Euch mit Euren Geräten.
1.2 Modellbau und Modelleisenbahn als Motiv
Normalerweise haben Fotografen es schwer. Lichtverhältnisse sind nur kurz so toll wie gerade in dem Moment, in dem sich eine kleine Wolke vor die Sonne schiebt und die Landschaft in ein interessantes, goldgelbes Licht taucht. Menschen und Tiere bewegen sich so schnell, dass selten tolle Schnappschüsse gelingen. Und sobald es auch nur ein wenig dämmrig wird, wird alles extrem schwierig und kaum noch machbar.
Bei der Modelleisenbahn sieht das anders aus. Wir können die Modellbahnanlage perfekt ausleuchten und haben dazu alle Zeit der Welt. Wir können die Züge exakt so stellen, dass sie perfekt aussehen. Das macht das Leben sehr viel einfacher. Dennoch gibt es ein paar Sachen, auf die man achten sollte.
Will man beispielsweise ein in sich schlüssiges Foto machen, bei dem man nicht sieht, dass es sich um eine Modelleisenbahn handelt, sollte nichts zu sehen sein, was nicht zum Modell gehört. Dazu zählt beispielsweise auch, dass ein Modellhintergrund verwendet wird. Die Wirkung eines Hintergrundes ist in Echt, wenn man vor einer Anlage steht, schon toll. Auf Fotos ist sie dann jedoch gigantisch und wird noch einmal um das Vielfache verstärkt.
Außerdem sollte man sich vorher fragen, was man genau zeigen möchte. Soll es eine Szene aus der Preiserleinperspektive sein? Dann muss die Kamera auf Bodenniveau der Modellbahnanlage eingesetzt werden. Oder soll es eine Vogelperspektive sein, die ein Detail toll herausstellt? Ist das Motiv einmal ausgewählt, gibt es viele Wege, die zum Ziel führen. Besonders begehrt in diesem Forum sind Fotos, bei denen die Szene dadurch realistisch wirkt, dass man aus der berühmten "Preiserlein"-Perspektive fotografiert. Doch warum ist diese so attraktiv? Ganz einfach: In dieser Perspektive wird die Modelleisenbahn nicht enttarnt, denn solche Fotos gibt es von der echten Bahn, echten Städten und echten Menschen auch. Fotografiert man jedoch in der Vogelperspektive, wirkt das ganze schon "unwahrscheinlicher", da man dafür in Echt in ein Flugzeug steigen müsste. Dennoch kann auch diese Vogelperspektive sehr interessant sein, um beispielsweise Gesamtzusammenhänge einer Modellbahnanlage darzustellen. Seht in jedem Fall davon ab, einfach auf die Modellbahnanlage mit der Kamera "draufzuhalten". Für ein gutes Foto kann man sich schon einmal eine Stunde nehmen.
Überlegt Euch also genau, was Ihr wie fotografieren wollt und probiert ruhig, ein und dasselbe Motiv aus verschiedenen Blickwinkeln und Kamerapositionen aufzunehmen. Nehmt Euch die Zeit, das Foto schön zu komponieren. Glaubt mir, die Ergebnisse werden es Euch danken.
1.3 Stative
In meinen Augen ist der Einsatz eines Stativs bei der Modellfotografie fast unumgänglich. Setzen wir ein Stativ ein, hat das den Vorteil, dass die Belichtungszeit kein Problem mehr für uns wird. Damit können wir völlige Freiheit im Spiel mit der Blende erlangen, und diese ist eines der wichtigsten gestalterischen Mittel für uns. Außerdem erlaubt ein Stativ, Belichtungsreihen anzufertigen, die man später zu HDR-Aufnahmen zusammenfügen kann beispielsweise. Nur wer extrem viel Licht in seinem Modellbahnraum zur Verfügung hat, kann auf ein Stativ verzichten. Wer kein Stativ hat, kann die Kamera auf einem Buch ablegen beispielsweise. Indiskutabel ist jedoch die Verwendung der Kamera in der Hand. Das führt zu verwackelten Aufnahmen, oder dazu, dass der Blitz eingesetzt wird. Der Blitz sorgt jedoch für einen sehr ungleichmäßigen Helligkeitsverlauf und bringt uns ein unnötig kaltes Licht in die Aufnahme, die den Gesamteindruck wieder verändern kann. Ein Stativ ist in jedem Fall eine Anschaffung wert - brauchbare Stative gibt es in jedem Elektromarkt oder Fotofachgeschäft schon für 20 bis 30 Euro. Kauft Euch eines, wenn Ihr noch keines habt und schraubt Eure Kamera darauf!
Hier noch zwei Ergänzungen von Murrrphy zum Thema Verwackeln und Spiegelreflex-Kameras. Vielen Dank dafür!
Zitat von Murrrphy
1. Nicht nur den Fernauslöser verwenden, sondern vorher auch die Spiegel-Vorauslösung in der Kamera aktivieren. Die Bewegung des hochklappenden Spiegels in der Kamera kann genauso minimale Erschütterungen auslösen, die sich später im Bild in leichten Unschärfen an Objektkanten sichtbar werden (wenn meist auch nur bei Vergrößerung sichtbar, man ärgert sich nachher trotzdem ). Wenn man ein wirklich knackscharfes Bild haben will, sollte man diese Einstellung auch noch vornehmen, um sicher zu gehen. Kompaktkameras haben dieses Problem nicht.
2. Bei der Verwendung eines Stativs sollte der Stabilisator des Objektivs abgestellt werden. Das Problem bei den meisten Stabilisatoren ist, daß sie pausenlos auf der Suche kleinen Verwackelungen sind, die sie versuchen auszugleichen. Problem bei dem Stativ ist: es gibt diese Verwackelungen nicht, im Gegenteil, die Stabilisatoren erzeugen bei der Suche teilweise selber welche. Das wiederum führt, wie bei Punkt 1 zu leichten Unschärfen an den Kanten. Letztendlich ist der Stabilisator auch für Stativaufnahmen nicht notwendig und sollte abgeschaltet werden. Benutzer von Objektiven ohne Stabilisator haben das das Problem natürlich nicht
1.4 Fazit und Faustregeln
- Gebt nicht unnötig viel Geld für eine gute Kamera aus, sondern lernt Eure Kamera kennen.
- Macht Euch Gedanken, was Ihr auf einem Foto zeigen wollt und experimentiert mit dem Bildausschnitt und vor allem mit der Kamerahöhe herum.
- Verwendet in jedem Fall nach Möglichkeit ein Stativ oder stellt Eure Kamera ab.
2 Belichtung
2.1 Die Brennweite und der Bildausschnitt
Die Brennweite gibt an, wieviel mm zwischen dem Fotomaterial (bei Digitalkameras also dem Chip der Kamera) und der Linse liegt, durch die Licht einfällt. Ist diese Länge groß, zoomen wir hinein. Verringern wir die Brennweite, zoomen wir heraus. Die Brennweite ist das getalterische Mittel, mit dem wir primär den Bildausschnitt auswählen, indem wir hinein- und herauszoomen. Bei großer Brennweite verringert sich der (horizontale und vertikale) Öffnungswinkel, wir haben also einen kleineren Ausschnitt aus etwas größerem. Dies kann man auch dadurch erreichen, indem man ein Foto später zurechtschneidet, was dem digitalen Zoom entspricht. Auch beim digitalen Zoom nehmen Kameras einfach nur einen Ausschnitt eines Bildes. Man verliert dabei aber Auflösung, egal, ob man später zurechtschneidet oder das die Kamera machen lässt. Verwendet niemals einen digitalen Zoom bei Kameras, da Ihr nur Informationen verliert. Ihr könnt auch Fotos machen, und diese später zurechtschneiden, was exakt den selben Effekt hat, Ihr aber später immer noch den Bildausschnitt festlegen könnt. Einzig hier machen sich viele Megapixel bemerkbar: Hat der Chip Eurer Kamera mehr Megapixel, so ist die Auflösung auch bei zugeschnittenen Fotos immer noch hoch. Ist sie von Anfang an niedrig, kann man weniger zuschneiden.
Mehr Informationen zur Brennweite auf Wikipedia.
2.2 Die Belichtungszeit und Blende
Technisch gesehen ist eine Kamera mit Objektiv dem menschlichen Auge sehr ähnlich. Die Blende der Kamera, die im Objektiv verbaut ist, entspricht der menschlichen Pupille. Ist wenig Licht in der Umgebung, wird die Pupille groß, damit mehr Licht durch eine größere Öffnung einfällt. Das selbe ist es mit der Blende der Kamera: Öffnet man diese, kommt mehr Licht auf das Fotomaterial (bei Digitalkameras der Chip). Schließt man sie, kommt weniger Licht rein. Darüber hinaus hat das aber noch extrem wichtige Auswirkungen: Ist die Blendenöffnung klein, so hat das Bild eine große Tiefenschärfe. Das heißt, nicht nur dort, wo der Fokus liegt, wird es scharf, sondern auch davor und dahinter (von der Kamera aus gesehen). Öffnet man die Blende, wird mit immer weiter offener Blende immer mehr nur der fokussierte Punkt scharf. Man kann sich das auch deutlich machen am Auge, vor allem Brillenträger: Zieht einmal Eure Brille ab und schaut durch ein kleines Loch, das Ihr zum Beispiel mit den Fingern bildet. Ihr werdet sehen, dass das Bild dunkler wirkt, aber schärfer. Genau deswegen ist die Blende auch so wichtig: Man kann damit die Schärfe im Bild komponieren. Da wir ein Stativ verwenden, ist Licht nicht das Argument für die Verwendung der Blende. Wir müssen sie nicht immer maximal öffnen, um überhaupt genügend Licht auf den Chip zu bekommen, denn wir können eine geschlossene Blende mit langen Belichtungszeiten ausgleichen. Die Blende wird an der Kamera mit der sogenannten "Blendenzahl" eingestellt. Diese gibt die Öffnung der Blende an. Nun ist es aber verwirrenderweise so, dass nicht eine größere Zahl eine größere Öffnung angibt, sondern ganz im Gegenteil: Eine größere Blendenzahl bedeutet eine kleinere Blendenöffnung, während eine kleinere Blendenzahl eine größere Blendenöffnung bedeutet. Es kommt nämlich primär auf das Verhältnis von Brennweite zur Blendenöffnung an. Dieses Verhältnis nennt man "Blendenzahl".
Die Blendenzahl errechnet sich wie folgt: Blendenzahl k = Brennweite / Blendenöffnung. Hier erkennt man schon den Trick, wenn man ein wenig Mathe beherrscht: Wird der Nenner, also der untere Teil ("das unter dem Strich") größer, wird die Gesamtzahl kleiner. Umgekehrt, wird der Nenner kleiner, wird die Gesamtzahl größer: 1/3,5 ist eine größere Zahl als 1/14. Da wir am Fotoapparat den Nenner des Bruches beeinflussen, führt eine kleinere Zahl zu einer größeren Blendenöffnung. Eine größere Zahl führt zu einer kleineren Blendenöffnung. Bei Zoomobjektiven ist die Anfangsblendenöffnung variabel, weil sich bei gleicher Blendenöffnung aber die Brennweite ändert. Das führt dazu, dass wenn man "hineinzoomt" nur noch eine kleinere Blendenöffnung zur Verfügung steht, obwohl man daran gar nichts verändert hat. Der Blendenwert sollte nach dem Auswählen des Bildausschnittes der erste Wert sein, den man festlegt, da dieser große Auswirkung auf die fotografische Wirkung hat und später die Belichtung mitbestimmt. Diese ist uns aber - wie bereits beschrieben - egal, da wir ein Stativ verwenden.
Mehr Informationen zur Blendenzahl auf Wikipedia.
Nun zum zweiten wichtigen Punkt bei der richtigen Belichtung, nämlich der Belichtungszeit. Während der Blendenwert angibt, wie weit die Blende geöffnet wird, gibt die Belichtungszeit an, wie lange sie geöffnet wird. Auch hier wird der Nenner eines Bruches angegeben: Belichtungszeit "250" bedeutet, dass man 1/250 Sekunde belichtet, was verdammt kurz wäre. Da wir mit Stativ arbeiten und die Blende zur Gestaltung verwenden, ist die Belichtungszeit der Wert, der eingestellt wird, nachdem alles andere eingestellt wurde. Mit ihm sorgen wir dann dafür, ob das Bild richtig oder unter- bzw. überbelichtet wird. Eine Unterbelichtung führt zu einem "dämmrigen" Eindruck, eine Überbelichtung führt zu einem "zu hellen" Eindruck. Es gibt eine Faustregel bei der Belichtungszeit: Sie sollte beim Freihandfotografieren nicht höher sein als die kleinbildäquivalente Brennweite. Benutzt man also beispielsweise ein Teleobjektiv mit 300mm Brennweite und fotografiert aus der Hand, sollte die Belichtungszeit nicht langsamer als 1/300 Sekunde sein - das ist verdammt wenig. Das ergibt sich, da sich mit höherer Brennweite ein Hebeleffekt einstellt. Kleine Wackler in der Kamera führen dazu, dass das weit hineingezoomte Bild verwackelt. Bei kleinen Brennweiten ist das Verwackeln ein viel kleineres Problem. Das aber nur am Rande, bei der Fotografie mit Stativ haben wir das nicht.
Mehr Informationen zur Belichtungszeit auf Wikipedia.
Probiert einmal mit verschiedenen Blendeneinstellungen aus und lernt, wie die Auswirkungen sind. In den Vorschaubildern der Kameras ist es oft so, dass der Effekt durch die Blende nur ein wenig sichtbar wird. Das fertige Foto nachher sieht dann ganz anders aus. Dafür kriegt man nur mit Erfahrung ein Gefühl.
Übrigens: Von Blendenwert zu Blendenwert halbiert sich die einfallende Lichtmenge. Das bezeichnet man auch als "Blendenstufe". Mehr dazu auf Wikipedia.
2.3 Der ISO-Wert
Der ISO-Wert gibt an, wie lichtempfindlich ein Fotomaterial ist. Je niedriger der ISO-Wert, desto lichtUNempfindlicher ist das Material. Gleichzeitig ist es aber auch weniger grobkörnig. Das gilt für alte Filme. Bei Digitalkameras gibt der ISO-Wert letzten Endes an, wieviel Grundspannung an dem Chip der Kamera anliegt. Je höher der ISO-Wert, desto mehr Grundspannung liegt an den Pixelelementen des Chips an - der Chip wird lichtempfindlicher und man kann bei mehr Dunkelheit immer noch fotografieren. Bei niedrigerem ISO-Wert liegt weniger Grundspannung an und der Chip wird, genau wie früher die Filme, lichtUNempfindlicher. Nun führt aber mehr Spannung an jedem Chip dazu, dass es mehr "grisselt" und rauscht. Prinzipiell ist der ISO-Wert eine Möglichkeit, bei fehlendem Licht noch immer fotografieren zu können. Da wir aber mit Stativ fotografieren, können wir einen niedrigen - nach Möglichkeit sogar DEN niedrigsten - ISO-Wert der Kamera wählen und das nun wieder fehlende Licht durch eine längere Belichtungszeit ausgleichen. Bei der Fotografie in kontrollierten Umgebungen wie wir sie haben, sollte der ISO-Wert nach Möglichkeit immer so niedrig wie möglich eingestellt werden, da wir nicht schnell etwas aus der Hand fotografieren müssen, sondern eine vollkommen kontrollierte Umgebung haben und - wieder einmal - weil wir ein Stativ verwenden (Ihr seht, wie wichtig ein Stativ ist).
Mehr Informationen zum ISO-Wert bei Digitalkameras auf Wikipedia.
2.4 Der Blitz
Der Blitz ist ein künstliches Zusatzlicht, mit dem Licht in eine für ein Foto zu dunkle Umgebung Licht eingebracht wird. Dabei werden aber die Farben verfälscht, da das Blitzlicht sehr kalt ist. Wann immer es möglich ist, sollte - nicht nur bei der Modellfotografie - auf den Einsatz eines Blitzes verzichtet werden. Man kann allerdings den Blitz bei etwas besseren Kameras auch dann verwenden, wenn man lange Belichtungszeiten verwendet. Das hat den Vorteil, dass bewegliche Elemente durch den Blitz eingefangen werden, während die starren keine Falschfarben erhalten. Wann kommt das auf der Modelleisenbahn vor? Ich kenne da momentan nur einen Anwendungsfall: Dampfsätze. Schaltet man sie an und nimmt eine lange Belichtungszeit - und darauf wird es bei uns stets hinauslaufen - sieht man bestenfalls einen ganz leichten Schleier des Rauches. Nimmt man den Blitz aber dazu, wird der Rauch durch den Blitz gut abgebildet. Durch die lange Belichtungszeit gibt es aber keine bzw. keine wahrnehmbaren Falschfarben.
Hier einmal ein Foto, bei dem ich mehrere Sekunden Belichtungszeit gewählt habe, aber auch geblitzt habe, um den Rauch sichtbar zu machen:
2.5 Fazit und Faustregeln
- Zuerst stellt man die Brennweite ein und wählt damit den endgültigen Bildausschnitt
- Danach wählt man die Blende, die man verwenden möchte und legt damit die Wirkung der Tiefenschärfe oder TiefenUNschärfe fest
- Der ISO-Wert sollte immer auf den kleinstmöglichen Wert eingestellt werden, da wir die LichtUNempfindlichkeit durch lange Belichtungszeiten ausgleichen können. Diese können wir in Kauf nehmen, da wir ein Stativ verwenden und sowieso nicht verwackeln.
- Der Blitz wird nur verwendet, wenn wir Rauch oder ähnliche sehr schnell bewegliche Objekte einfangen möchten. Sonst verfälscht er die Farben zu sehr.
3 Details
3.1 Weißabgleich
Mit dem Weißabgleich wird die Kamera auf die an einem spezifischen Ort vorherrschenden Lichtverhältnisse kalibriert, indem festgelegt wird, wie ein reines Weiß von der Kamera aufgenommen wird. Beispiel: Sind in einem Raum gelbe Lampen und man hält ein weißes Papier vor die Kamera, nimmt die Kamera natürlich etwas gelbes auf. Kalibrieren wir sie jedoch darauf, so wird sie das Papier weiß darstellen. Der Weißabgleich ist für uns Modellbahner nicht ganz unwichtig, da wir oft in Kunstlicht arbeiten, das nicht die selbe Lichttemperatur hat wie Tageslicht etc. Fast jede Digitalkamera hat voreingestellte Weißabgleichprogramme. Experimentiert damit einmal rum und schaut, welcher Weißabgleich Euch am ehesten zusagt. Viele Kameras kann man auch kalibrieren, indem man ein weißes Blatt Papier vor die Kamera hält und den Weißabgleich durchführen lässt. Meines Erachtens benötigt man das in den meisten Fällen nicht, die vorgespeicherten Programme reichen. Bei Kunstlicht wählt man einfach das Weißabgleichprogramm "Kunstlicht", bei Tageslicht "Tageslicht" etc. Nur das Weißabgleichprogramm "Blitz" ist nicht wirklich hilfreich, da wir den Blitz höchstens bei Aufnahmen mit längeren Belichtungszeiten zusätzlich verwenden und der Weißabgleich hier dann auf die Lichtverhältnisse, die bei der Langzeitaufnahme herrschen, kalibriert werden sollte. Es gibt kein Thema, bei dem mehr gilt, dass man seine Kamera kennen muss!
Mehr Details zum Thema Weißabgleich auf Wikipedia.
3.2 Fokussierung
Die Fokussierung gibt an, wo die Fokusebene liegt. Dies ist die schärfste Ebene im Foto. So ziemlich jede Kamera und jedes Objektiv besitzt Autofokusmöglichkeiten. Dabei stellt die Kamera das Bild automatisch scharf. Doch Vorsicht! Die Schärfe liegt dann nicht immer exakt dort, wo man sie gerne haben möchte. Mit einem Trick kann man aber überall in einem Bild scharfstellen. Manche Kameras können den Spot, auf den schargestellt wird, auch ändern - dann muss man nicht so kompliziert vorgehen. Für meinen "Trick" bewegt man die Kamera auf dem Stativ und stellt auf den gewünschten Punkt scharf mit dem Autofokus. So ist sichergestellt, dass die Schärfe perfekt eingestellt ist. Danach lässt man den Autofokus darauf scharfstellen, indem man diesen gewählten Spot auf das scharf zu stellende Objekt einstellt. Dafür kann man die Kamera auf dem Stativ ruhig bewegen. Danach stellt man den Autofokus der Kamera AUS und bewegt die Kamera auf dem Stativ wieder zu dem eigentlich gewünschten Bildausschnitt.
Mehr Informationen zum Fokus auf Wikipedia.
3.3 Selbstauslöser
Das Auslösen einer Kamera auf einem Stativ mit einem Finger führt stets zu Erschütterungen. Dies sollte man vermeiden, indem man den Selbstauslöser oder eine Fernbedienung verwendet. Durch den Selbstauslöser wird nicht direkt das Foto gemacht, wenn man auf den Kameraauslöser drückt, sondern erst nach Ablauf einer gewissen Zeit (zum Beispiel 3 Sekunden). Da wir alle Zeit der Welt haben und unsere Modelle nicht weglaufen, können wir das problemlos machen.
3.4 Fazit
- Der Weißabgleich sollte nicht unterschätzt werden. Stellt ihn auf das Programm ein, das am ehesten Euren Lichtverhältnissen entspricht und probiert einmal herum und kriegt Erfahrung, wie sich Eure Kamera verhält.
- Nehmt den Autofokus. Er ist fast immer genauer als eine manuelle Fokussierung. Mit meinem "Trick" aus 3.2 könnt Ihr problemlos auch andere Stellen als immer nur die Bildmitte scharf stellen.
- Verwendet stets den Selbstauslöser, damit keine Unschärfe entsteht, weil Ihr beim Auslösen für eine kleine Erschütterung der Kamera sorgt.
Gesamtfazit
Nun zu einem Gesamtazit. Wer bis hierher alles gelesen hat, weiß vielleicht etwas mehr über seine Kamera und die Fotografie als vorher. Nun geht es darum, dass Ihr das gelesene ausprobiert und austestet. Spielt mit Weißabgleich, Blenden- und Belichtungswert und mit den Bildausschnitten herum. Auch die Komposition eines Fotos ist neben der reinen Technik sehr wichtig. Man muss selbst herumexperimentieren, welcher Ausschnitt der eigenen Modellbahnanlage wie wirkt und wie man etwas fotografieren möchte. Deshalb heißt es hier, wie immer: Probieren, probieren, probieren und so dazulernen. Macht Fotos mit unterschiedlichen Einstellungen und probiert vieles aus.
Ich hoffe, Ihr könnt ein wenig mit diesem Tutorial anfangen!
Und hier noch Fotos, die alles verdeutlichen sollen. Ich gebe alle relevanten Werte dazu an. Hier schreibe ich dann auch viel dazu, wie die Fotos komponiert worden sind. Bei allen Fotos habe ich den für meine Kamera niedrigsten ISO-Wert von 200 gewählt! Ich fotografiere übrigens mit einer Nikon D50 mit einem Sigma Zoom Objektiv mit einem Brennweitenbereich von 18-125mm und einer Anfangsblende von 3,5.
Zuerst der Aufbau meines "Fotostudios". Hier seht Ihr, wie die Kamera aufgestellt ist.
Nun zu Fotos, die die Wirkung der Blende erklären. Alle folgenden Fotos wurden mit exakt selbem Kamerastandort und selber Kamerahöhe aufgenommen. Bei allen Fotos wurde auf die Lokomotive fokussiert. Es gibt übrigens keine "richtige" oder "falsche" Bildkomposition. Was gefällt, ist gut. So einfach ist das bei der Fotografie!
Blende 14, Brennweite 34mm, Belichtungszeit 4 Sekunden: Die Tiefenschärfe ist sehr hoch, sowohl im Hintergrund als auch im Vordergrund gibt es viele Schärfebereiche. Die Schärfe flaut nur leicht ab. Erst ganz vorne im Foto und ganz hinten im Hintergrund treten Unschärfen auf. Wählt man diesen Schärfeverlauf, fokussiert man den Blick des Betrachters nicht auf etwas. Möchte man das, sollte man lieber Unschärfen dorthin legen, wo der Betrachter nicht lange hinschauen soll, oder, was eigentlich viel wichtiger ist: Man legt die Schärfe dorthin, wohin der Betrachter schauen soll.
Blende 4,5, Brennweite 34mm, Belichtungszeit 0,5 Sekunden: Die Tiefenschärfe ist viel niedriger. Fast nur die Lokomotive ist richtige scharf, alles andere ist eher unscharf. Damit wird die Lokomotive auf dem Foto extrem herausgestellt. Der Blick des Betrachters wandert sofort zu Lokomotive. Der Spaziergänger mit Hund ist schon unscharf.
Blende 8, Brennweite 34mm, Belichtungszeit 1,3 Sekunden: Ein Kompromiss aus den vorherigen beiden Fotos. Die Tiefenschärfe ist höher als bei ganz geöffneter Blende, aber der Blick des Betrachters wandert ziemlich schnell zu der Lokomotive.
Blende 8, Brennweite 34mm, Belichtungszeit 0,62 Sekunden: Eine Blendenstufe unterbelichtet. Dadurch ergibt sich ein dämmriger Eindruck.
Blende 8, Brennweite 34mm, Belichtungszeit 0,3 Sekunden: Zwei Blendenstufen unterbelichtet. Man sieht schon sehr deutlich, dass das Foto nun - obwohl der Raum genauso hell ist wie bei den anderen Fotos - wie bei Nacht wirkt.
Blende 8, Brennweite 34mm, Belichtungszeit 3 Sekunden: Hier ist durch die relativ lange Belichtungszeit sehr viel Licht auf den Chip gefallen. Dadurch ist das Foto genaugenommen zu hell. Es wirkt dadurch wie an einem hellen Tag - also tritt bei Überbelichtung erwartungskonform genau das Gegenteil wie bei Unterbelichtung ein.
Viele Grüße
Dominik