Hallo Michael,
ja, ich muss zugeben, dass Deine Zweifel nicht ganz unberechtigt sind. Da ich keine Zeichnung zur Hand habe, und nur die würde wirklich Klarheit bringen, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob ich Recht habe oder nicht. Auch das Bildmaterial, dass ich bei mir gefunden habe, hilft nicht weiter, wenn es darum geht, zu wissen statt zu glauben.
Eine Fachwerkbrücke, nämlich die alte Ravennaschluchtbrücke im Höllental. Da bin ich kurzzeitig ins Grübeln gekommen, ob meine Aussage nicht auch im Hinblick auf Fachwerkträger falsch ist. Ich glaube aber nicht, das sieht doch so aus, als ob die lotrechten Druckstäbe tatsächlich lotrecht sind. Damit wäre jedes Feld ein Parallelogramm.
Die alte Straßenbrücke im ehemaligen Bahnhof Hirschsprung, erkennbar in einer beträchtlichen Neigung gelegen, allerdings ohne die typischen Aussteifungen. Die Aussteifung erfolgt hier vermutlich durch die Fahrbahnquerträger, und die kann man auf dem Bild nicht sehen. Es sieht ein wenig so aus, als wären die stirnseitigen Flanschbleche des Überbaues lotrecht ausgeführt, aber das kann täuschen, und auch hier habe ich keine Zeichnung.
Beide Bilder: Die Höllentalbahn, von Freiburg in den Schwarzwald, EK-Verlag Freiburg 1987.
Ein weiteres Beispiel habe ich mir noch angesehen, nämlich die Steffenbachbrücke und die Furkareuss-II-Brücke an der Furka-Bergstrecke. Diese Blechträgerbrücken verlaufen beide in einer Neigung von 110 Promille, so dass man hier eigentlich etwas erkennen können müsste. Die Bilder, die ich gefunden habe, geben die Konstruktionsdetails an der Stelle aber nicht mit letzter Sicherheit wieder, obwohl die Überbauten der Furkareuss-II-Brücke die Steifen außen tragen.
Im Prinzip könnte man, wenn man überlegt, wie man einen solchen Überbau rechnen könnte, diesen als Balken auffassen, und entsprechend der Belastung und der maximal zulässigen Verformung muss dieser halt eine bestimmte Höhe haben. Am Ende kommt ein H-förmiges Profil dabei heraus, dass aus geschweißten oder genieteten Blechen und Profilen zusammengesetzt wird, weil man den Träger nicht als Ganzes walzen kann. Ein solcher Träger müsste tatsächlich keine lotrechten Abschlüsse haben, denn direkt am Überende wirken keine Kräfte. Die Steifen steifen den Überbau aus und verhindern, dass dieser ausbeult oder ausknickt. Dass man die auch ganz anders als lotrecht führen kann (und vielleicht auch muss) zeigt die Spreebrücke am Bahnhof Berlin-Spandau.
Tut mir Leid, ich kann also auf die Frage, die Du eingangs gestellt hast, keine letztgültige Antwort geben. Da hilft wohl nur der Gang ins nächstgelegene Brückenbauarchiv der Deutschen Bahn.
Viele Grüße
Heiko