Früher waren viele Modelle dem Vorbild nur (teilweise sehr frei) angenähert, passend zu den extrem engen Radien (eine maßstäbliche Kurve mit dem minimal zulässigen Radius für Streckengleise hat in H0 einen Radius von bissl über 2m). Im Laufe der Zeit wurden diese Dinge dann immer exakter, wobei einige Dinge als vermeintliche oder echte Kompromisse an die Abwärtskompatbilität erhalten geblieben sind – man darf nicht vergessen, dass eine Reihe Modellbahner erwartet, dass ein heute neu konstruiertes Modell mit einer Weiche kompatibel ist, die in den 1950ern entwickelt und in den 1970ern aus dem Sortiment geflogen ist (hab ich den Lebenszyklus der übergroßen M-Weichenlaternen richtig geschätzt?).
Dadurch sind vor allem zwei Merkmale übrig geblieben:
- Zum einen das Rad-Schiene-System. Ein absolut maßstäbliches Rad hat eine Breite von 1,7mm und einen Spurkranz von 0,35mm. Sowas kann man kaufen und bei entsprechenden Gleisen funktioniert das auch. Aber die Leute haben eben Gleise zu Hause, die dafür nicht ausgelegt wurden. Etwas feiner (vor allem Spurkränze, die "nur" noch die doppelte Höhe haben) geht es, aber wenn es dann Probleme gibt, sehen viele Modellbahner in den bösen kleinen Spurkränzen die Schuld, selbst wenn's an was völlig anderem liegt.
- Das zweite ist die Länge von Reisezugwagen. Hier muss man verstehen, dass ganz früher alles auf eine umgerechnete Länge von gerade einmal 20m [im Modell 24cm] verkürzt wurde (teilweise noch mehr; der eine oder andere mag sich an verkürzte Umbauwagen 4yg erinnern!). Entsprechend groß waren die Skrupel, da auf eine Länge von 26,4 oder gar 27m zu gehen, also ganz es immer nur Zwischenschritte. Abgesehen davon, dass so lange Wagen in engen Kurven beknackt aussehen (sie hängen innen soweit über, dass man fast die kurveninnere Schiene sehen kann!), muss der Raum innerhalb der Kurve auch relativ weit freigehalten werden (das Beispiel von Lokwilli mit der Oberleitung). Daher kommt auch der viel zu große Parallelgleis-Abstand von um die 6cm [Maßstäblich wären es gerade einmal 4,6cm], wobei sich der Glaube, dass dies auch noch nicht reicht hartnäckig hält.
Der erste Zwischenschritt, der sich auch relativ lange als eine herstellerübergreifende Norm etablierte, was die runde Zahl von 1:100 – die Wagen waren jetzt immerhin 26,4cm lang [Vorbildlänge 23m]. Noch einen Vorbildmeter mehr gab es dann erst bei Fleischmann und später bei Märklin: Mit 24,5m Vorbildlänge [282mm Modell] sind dann Wagen nach UIC-Y-Länge aus dem Problem raus, die ungefähr die Hälfte aller europäischen Bauarten ausmachen (witziger Weise hat Fleischmann meines Wissens gar keine und Märklin nur den Mistral und evtl. dänische Typen dieser Bauform). Es bleiben nur die zunächst in Deutschland und Italien und heute dann eigentlich überall dominierenden UIC-X-Wagen mit 26,4m Vorbild, welche man meist einfach um ein Abteil kürzt.
Zeitlich ist das eine ziemlich parallele Entwicklung; von Rivarossi und Liliput gab es schon unverkürzte UIC-X mit 303mm bevor ein Willy Ade einst bei Röwa die 1:100 zum Standard ausrief (und sich später einen Namen mit bis heute unübertroffenen, aber leider arschteuren Bausätzen von 1:87-Wagen machte).
In Spur N lief die Entwicklung dagegen etwas anders: Dort kamen Ende der 1960er [die Baugröße war gerade 5 Jahre alt] erstmals maßstäbliche UIC-X und seitdem ist das Thema vom Tisch – zwar lebten die wenigen uneinheitlich verkürzten Wagen bei Arnold und Trix (mehr N-Hersteller gab es da noch nicht) unglaublich lange parallel in den Katalogen, aber alles neue war maßstäblich. Die dort üblichen Radien und Parallelgleisabstände entsprechen umgerechnet genau den in H0 üblichen Maßen.