Vorbild und große Bahn, ja ich glaub hier bin ich richtig!
Heute ist Donnerstag Abend und ich fahre wie jede Woche mit dem ICE um 17:58 von Frankfurt nach Hamburg. Wie immer hat mir das Reservierungssystem der Deutschen Bahn einen Platz im Waggon 2 zugewiesen, dem Ruhebereich. Das ist ohnehin immer lustig: Am Automaten ,Ruhezone‘ ausgewählt, das System sagt mir aber bei Reservierung: Abweichung: Keine Ruhezone! Dennoch lande ich wieder in der sogenannten Ruhezone.
Von Ruhezone kann hier aber keine Rede sein: Trotz deutlicher Symbole ,Durchgestrichenes Handy‘ und ,Psst-Zeichen‘ wird hier fleißig telefoniert und geratscht was das Zeugs hält. Man ist ja ein friedliebender Mensch und erträgt es zunächst. Aber was zu viel ist zu viel: Nach 15 Minuten Telefongespräch traue ich mich endlich und spreche den Mitreisenden 5 Reihen weiter an und bitte ihn in einem anderen Bereich des Zuges zu telefonieren. Er hat ein Einsehen und telefoniert in der nächsten halben Stunde auf dem Gang.
Währenddessen führt ein Mitreisender - Typ 68er - einen angeregten Monolog mit seinen Tischnachbarn. Der Herr hat eine sonore Stimme und spricht auch nicht allzu laut; von daher ist es in Ordnung für mich. Wie der Herr es allerdings schafft von Frankfurt bis Hannover nahezu ohne Unterbrechung zu sprechen ist mir schleierhaft. Alle Achtung: der Mann hat Kondition!
Inzwischen in Kassel angelangt, nimmt die Müdigkeit der Reisenden deutlich zu. Nur in der gleicher Reihe neben mir haut ein unentwegter BWL‘er noch einmal so richtig in die Tasten seines Thinkpad‘s; und zwar so als wolle er den Laptop ruinieren um endlich in den Genuss des neuesten Modells zu kommen. Besonders die Leertaste und die Return-Taste geben ein derartiges Geräusch ab, dass einem Angst und Bange wird. Gott sei Dank habe ich einen iPad, da gibt es keine Tasten, die klappern können.
Die Dame zwei Reihen vor mir benutzt löblicherweise einen Kopfhörer. Aber irgendwie passt das mit der Lautstärke nicht ganz. Ich glaube in zwei Jahren freut sich der Hörgeräte-Akustiker über Ihren Besuch.
Kurz vor Göttingen hektische Betriebsamkeit des BWL‘ers. Er holt plötzlich seinen Koffer hervor. Vielleicht steigt er ja aus? Aber Pustekuchen - da wird nur das Smartphone herausgeholt, um mittels Tethering in Genuss einer Netzwerkverbindung zu kommen.
In Göttingen steigt eine Dame mittleren Alters ein - und ihr erster Griff geht zum - richtig: Telefon. Auch sie wird freundlich, aber bestimmt, auf die Ruhezone hingewiesen.
Ab Hannover geht es - wie immer ins Zugrestaurant. Auf dem Weg dorthin stelle ich fest, dass es in den Kollegen in Waggon 5 - der zweiten Ruhezone - auch nicht besser ergeht. Und auch im Bordrestaurant ist das Telefonieren unerwünscht - aber wer kann schon Symbole deuten?
Leider ist der Salat mal wieder aus. Irgendwie passen jede Woche Angebot und Nachfrage nicht zusammen. Na, dann nehme ich halt Chilly-con-carne. Da ist auch immer ein leckeres Brötchen dabei! Ein Tischnachbar in der gleichen Reihe erhält sogar ein extra Brötchen, dass bei seinem Gericht eigentlich gar nicht dabei ist! Die Bemerkung der Kellnerin, dies wäre das letzte Brötchen gewesen, triebt bei mir dann doch die Zornesröte ins Gesicht. Die Welt ist einfach ungerecht! Und tatsächlich kredenzt die Kellnerin mir das Chilly mit Graubrot. Außerdem kann sie sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass sie heute einen schlechten Tag habe und dass auch mal was schief gehen könne. Dabei war (noch) gar nichts passiert!
21:42 Uhr! Endlich in Hamburg-Harburg angekommen! Aufgrund von Bauarbeiten fährt der Zug neuerdings über Rotenburg und hält planmässig in Harburg um 21:38 Uhr. Und wie jede Woche habe ich die Anschluss-S-Bahn um 21:42 Uhr verpasst! Aber daran bin ich mich inzwischen gewöhnt, kann ich doch entspannt zum Regionalbahnsteig gehen und dort die nächtlichen Güterzüge beobachten.
Im rauchfreien Bahnhof wird natürlich überall geraucht und die Kippen finden ihren Weg in die Gleise von ganz alleine!
Außerdem kann ich während meines Aufenthalts in Harburg noch die Reservierung für die nächste Woche buchen. Mit der neuen Software am Fahrkartenautomaten ist das gefühlt doppelt so lange wie zuvor. Mir hat die alte Bedienerführung jedenfalls wesentlich besser gefallen. Und wieso muss ich bei einer Reservierung die Zugverbindung zweimal auswählen? Verstehe ich nicht! Außerdem irgendwie ungünstig: Ich kann zwar Bahnverbindungen dauerhaft speichern, bei der anschließenden Reservierungsmöglichkeit fehlt leider die BahnCard 100, so ein Mist!
Mit dem Metronom geht es anschließend in Richtung Cuxhaven. Hier herrscht übrigens Alkoholverbot!
Wegen der kalten Witterung erdreistete sich ein Fahrgast die Tür zu schliessen, und wurde prompt angepflaumt! Schade! Bisher hatte ich die Mitarbeiter des Metronom-Teams immer als sehr freundlich empfunden!
Eine angenehme Weiterreise wünscht!
Jörg
P.S.: Vielleicht berichte ich demnächst mal über meinen Freund, den ICE-Schwarzfahrer zwischen Hamburg, Berlin und Dresden.