Hallo Zusammen,
Im Katalog 1999/2000 hab ich ihn damals das erste mal gesehen: Den ICE mit dem damals neuartigen Motor „C-Sinus“. Damals, ich war noch nicht mal erwachsen, konnte ich mit dem dort beworbenen Motorkonzept wenig anfangen. Der auf Seite 112/113 in besagtem Katalog angepriesene Zug löste aber dennoch ein „will ich haben“-Gefühl in mir aus. Mehr jedoch nicht…kein Taschengeld in meiner Welt hätte ihn bezahlen können. Den Recherchen in diesem Forum nach kostete der Zug neu damals 899 D-Mark (Korrektur: Euro in D-Mark geändert, danke Dölerich!)
Über die Jahre verschwand der Zug wieder aus meinen Gedächtnis. Den Katalog behielt ich aber.
Vor einiger Zeit fiel mir der Katalog wieder in die Hände und ich stieß wieder auf diesen Zug. Daraufhin schaute ich mal bei den üblichen Marktplätzen für gebrauchte Ware… . Ich fand tatsächlich einen Zug in der Nähe, der zum Verkauf stand. Den wollte ich mir dann auch kaufen…was ich tat!
Mein Exemplar hat am Boden des motorisierten Triebkopfes die Nr. 2537 eingelasert. Hans-Günter Heiserholt schreibt auf seiner Homepage, dass 7500 Exemplare gefertigt wurden, davon 5000 für Europa. Mein Zug ist also irgendwo in der ersten Hälfte des damaligen Fertigungsloses zu finden.
Mein Modell war zum Kaufzeitpunkt neu…nicht eine Laufspur an keinem der Räder. Welch in Glück!
Bei mir wird der Zug aber auch fahren dürfen. Sein „Kartonleben“ ist vorbei!
Kommen wir nun zu den technischen Eigenschaften des Modells:
Basis ist das von Märklin erstmals im Katalog des Jahres 97/98 auftauchende Modell des ICE2. Rein äußerlich gibt es zum Serien ICE2 Unterschiede in der Lackierung. Der Zierstreifen wechselt nach dem Triebkopf 1 von Rot nach Gelb und zum Triebkopf 2 hin wieder zu Rot. Weiter ist im mittleren der Wagen die an jedem Drehgestell dieses Wagens angebrachte Wirbelstrombremse mit modelliert. Die übrigen Wagen haben die gewöhnlichen luftgefederten ICE2 Drehgestelle. Mittelwagen 1 und 2 haben jeweils noch eine Windleitprofil, ähnlich dem ICE3, auf dem Dach. Hier sind ein bzw. zwei zusätzliche Stromabnehmer installiert.
Das wirkliche Novum dieses Modells befindet sich jedoch im Inneren von Treibkopf 1: Der damals neuartige, von Märklin „C-Sinus“ getaufte, Antrieb. Dieser Motor war ein technisch gigantischer Sprung vom damals bei Märklin sonst üblichen Gleichstrommotor (5-poliger „Hochleistungsantrieb“ mit 6090er Decoder zu dessen Regelung) und „cutting edge“ Technologie im Modellbahnsektor.
Nun stand auf einmal ein Modell auf der Schiene, das sich auch in der Art des Antriebes dem Vorbild annäherte: Der bürstenlose Drehstrommotor. Hier als dreiphasige Synchronmaschine ausgeführt. Der Motor ist als sogenannter „Außenläufer“ gebaut. D.h. im Zentrum des Motors befindet sich der still stehende Stator mit den einzelnen Wicklungen (hier 9). Darüber der permanent magnetisierte (hier 12 Pole) Läufer, der wie eine Glocke den Stator umschließt. Mit dieser Glocke fest verbunden ist die Antriebswelle, die im Zentrum des Stators gelagert ist und über ein Ritzel die Drehbewegung des Läufers an das Getriebe überträgt. Ab hier ist der Antrieb, wie damals üblich, als Stirnradgetriebe ausgeführt. Der Motor wirkt demnach auf ein Drehgestell des Triebkopfes.
Da der Motor keine Bürsten zur Kommutierung besitzt, wird der erregte Läufer durch ein im Stator angelegtes Magnetfeld mitgenommen. Damit sich was dreht wird das elektrische Feld, elektronisch geregelt, im Stator „in Drehung versetzt". D.h. die einzelnen Spulen werden einander folgend bestromt (bei 3 Phasen immer jede dritte Spule zugleich, dann die nächsten drei, usw. …). Diesem sich drehenden Feld folgt der Läufer dann. Über drei Hallsensoren wird die Drehbewegung überwacht (Istwertabfrage). Der Regler vergleicht Soll/Ist und führt die Regelung entsprechend kontinuierlich nach.
So erhält man einen Motor, der im Prinzip sehr dynamisch und schnell regelbar ist. Weiter ist ein solcher Motor prinzipiell kurzzeitig hoch überlastbar, da es keine mechanischen Kontakte gibt, die abbrennen können.
Die Umsetzung von Märklin war, soweit ich das beurteilen kann, mit damaligem Stand der Technik gut und macht das Modell antriebstechnisch sehr kraftvoll und fein regelbar. Aus heutiger Sicht ist der damals verwendete Decoder der „Hasenfuß“: Nur Motorola (14 Fahrstufen, begrenzte Funktionen), nicht mit modernem Decoder nachzurüsten, da die Motorregelung Bestandteil der Decoderplatine ist.
In der Vergangenheit haben einige Profis hier im Forum gezeigt, was in dem System Drehstrommotor steckt und eine zeitgemäße Controllerplatine entwickelt. Da das ganze aber offenbar mit viel Arbeit verbundener Freizeitspaß für die Entwickler ist, bleibt aktuell nur die Lösung einer kleinen Schweizer Firma als kommerziell verfügbare Möglichkeit der hervorragenden Motor mit zeitgemäßen Decodern zu betreiben.
Schade, dass Märklin den Antrieb schlussendlich hat fallen lassen, um aktuell beliebige Gleichstrom-Wegwerfmotoren billigster Kategorie teuer zu verkaufen. Meine persönliche Meinung: Da haben technologieunaffine BWL-er über die Ingenieure gesiegt und die Technik bei einem technischen Spielzeug der Gewinnmaximierung geopfert. Schade…hatte Potential! Vielleicht gibt es aber einfach auch zu wenige Hanseln wie mich, die die Technologie wertschätzen. Der Antrieb (der Motor) ist schließlich eine Kernkomponente und sollte meines Erachtens nach einen viel höheren Stellenwert haben.
Wie dem auch sei: das hier vorgestellte Modell des ICE-S ist auf jeden Fall materialisiertes Zeugnis, dass Märklin sich damals was getraut hat und dem Kunden etwas im Modellbahnsektor neues präsentiert hat. Und das will ich mit meinem Bericht hier gern honorieren.
Ich hoffe, dass in Zukunft nochmal jemand in dem Unternehmen den drive hat etwas zu Wagen und ein zeitgemäßes Motorkonzept zu verbauen. Die Technologie ist ja da… .
Für die Zahlenmenschen unter euch habe ich den Triebkopf natürlich auch einmal auf meinen Prüfstand gestellt um ein Paar Eckdaten für euch festzuhalten:
Minimalgeschwindigkleit (digital FS1):
1,5 km/h (Vorbild, vorwärts und rückwärts)
Höchstgeschwindigkeit (digital FS14):
330 km/h (Vorbild, vorwärts)
325 km/h (Vorbild, rückwärts)
Minimalgeschwindigkeit (analog, 4,7V):
8 km/h (Vorbild, vorwärts und rückwärts @14mA)
Mittengeschwindigkeit (analog 12V):
217 km/h (Vorbild, vorwärts @28mA)
220 km/h (Vorbild, rückwärts @26,7mA)
Maximalgeschwindigkeit (analog 16,8V):
318 km/h (Vorbild, vorwärts @35mA)
328 km/h (Vorbild, rückwärts @33,3mA)
Die Messwerte zeigen deutlich: Die Maschine benötigt deutlich weniger Strom als der gewöhnliche Hochleistungsantrieb.
Zum Vergleich: Der getriebetechnisch gleiche 3770 benötigt analog bei 16,8V ganze 220 mA und erreicht dabei nur rund 190 km/h (digital gehen hier 280 km/h, was dem Vorbild ICE1 entspricht).
Abschließen möchte ich meinen Bericht gern mit einigen Bildern, insbesondere den Aufnahmen des „Sinus“ Motors, wie er in der Lok verbaut ist:
Bild 1: Front des motorisierten Triebkopf 1 des ICE-S
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Bild 2: Gesamtansicht Triebkopf 1
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Bild 3: Seitenansicht Triebkopf 1 mit Antriebsdrehgestell. Zu sehen auch ein unten angesetzter Haftmagnet (Mitte). Dieser ist ein dezenter Eigenbau mit 2x2mm Neodymmagneten.
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Bild 4: Mittelwagen 1 mit Farbübergang
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Bild 5: Mittelwagen 2 mit „Sinuswelle“
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Bild 6: Das „Herz“ des Modells: Der C-Sinus-Antrieb in ganzer Pracht. Gut zu sehen hier der als Glocke übergestülpte Läufer mit der im Zentrum befindlichen Ritzelwelle (Ritzel auf der anderen Seite, hier unsichtbar). Der Stator ist ebenfalls verdeckt. Oben auf der Platine sind gut die drei Drähte der verschiedenen Wicklungen des Stators zu sehen. Die übrigen drei Anschlüsse sind für die Hallsonden, welche auch vom Läufer verdeckt sind. Über das rechts zu sehende Flachbandkabel wird der Motor an die Hauptplatine angeschlossen. Spätere Typen des Motors verwenden zur Verbindung einen sehr empfindlichen Folienleiter. Diese erste Version ist hier meines Erachtens robuster gebaut.
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Bild 7: Triebkopf 1 ohne Gehäuse. Hier ist die Hauptplatine gut im Ganzen zu sehen.
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Bild 8: Das „Gehirn“. Der Controllerchip Nu 701.40 übernimmt die Decodierung des Gleissignals uns die Motoransteuerung. Im Vordergrund die beiden Potis zum Einstellen von Höchstgeschwindigkeit und Anfahr- und Bremsverzögerung (wie beim 6090 usw. …)
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Bild 9: Die andere Seite. Hier ist gut die Verlegung des Motorkabels zu sehen: Sauber gelöst und zur Zugentlastung mit etwas Epoxy festgesetzt.
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Insgesamt gefällt mir der Zug sehr gut. Mit vorbildlichen 3 Zwischenwagen auch auf kleinen Anlagen gut zu handhaben. Die Bedruckung ist wie damals bei Märklin üblich über jeden Zweifel erhaben. Die Technik ist solide. Ein kleiner Wermutstropfen ist die Stirnbeleuchtung: Hier wurden P***gelbe LED verbaut. Das ist sicher alles anzupassen, dieser Zug soll aber vollständig original verbleiben. So wie er das Werk verließ.
Ich habe noch einen oben schon erwähnten 3770 (ICE1). Der wird in einem künftigen Projekt zum Vergleich noch zu einem „Superzug“ aufgebohrt werden….aber dazu später mal mehr ;)
Wer es bis hierhin geschafft hat: Danke fürs lesen, vielleicht regt der Bericht ja an, sich auch ein Exemplar des Zuges zu besorgen :).
Viele Grüße
Daniel
*Edit: Fehler Euro/D-Mark korrigiert