1. Die Herausforderer
Da hier im Forum häufig nach den Unterschieden zwischen den Railjets der Anbieter Roco und Jägerndorfer gefragt wird, habe ich beschlossen einen kleinen Testbericht der beiden Modelle zu erstellen.
Der Artikel richtet sich primär an Modellbahner, welche noch keinen Railjet besitzen und eine Kaufentscheidung treffen wollen. Der Text ist neutral gehalten, da ich weder von Roco noch Jägerndorfer ein Fanboy bin. Beide Marken bringen tolle Produkte auf den Markt und bereichern meine Sammlung.
Es treten der aktuelle CD Railjet "Vindobona" von Roco gegen den aktuellen bzw. überarbeiteten ÖBB Italien Railjet der Firma Jägerndorfer an. Beide Züge werden von einer 1216 gezogen, so dass eine gute Vergleichbarkeit gegeben ist.
2. Preis
Den Roco Railjet habe ich in der Analogversion erworben, da diese gerade zu Ostern massiv heruntergesetzt war. Der Railjet der Firma Jägerndorfer kommt aus der Highend Linie, welche allerdings nur wenig mehr Features (Innenbeleuchtung und stromführende Kupplungen) mit sich bringt. Preislich sind meine gekauften Modelle also nicht ganz gerecht zu vergleichen. Ich versuche es dennoch, in dem ich bei Roco statt der Analogversion die Variante mit Sound und stromführenden Kupplungen zu Grunde lege.
Der Vindobona schlägt ab Werk mit knapp 1050,00 € zu Buche. Hierfür bekommt man den kompletten Zug inkl. Funktionsdecoder, Innenbeleuchtung und stromführenden Kupplungen. Die Lok hat den Werkssound von Roco auf einem Zimo MX Decoder.
Beim Jägerndorfer Railjet gibt es die Lok mit und ohne ESU Loksound Decoder. Mit voller Hütte in der Highend Variante und einem Lokpilot 5 FX für den Steuerwagen liegt man etwa im Bereich von 1030,00 €. Ich habe die Variante ohne Sounddecoder gewählt (was sich später als problematisch herausgestellt hat -> mehr dazu unten).
Preislich liegen beide Züge also ungefähr gleichauf. Bei Jägerndorfer sei fairerweise aber erwähnt, dass die Wagen nach einiger Zeit teilweise zu echten Kampfpreisen angeboten werden. Der ÖFB Railjet ist komplett zum Beispiel zeitweise für 450,00 € rausgeschossen worden (als Highend Version!).
3. Verpackung
Roco liefert den Vindobona in zwei Kartons mit 4 Wagen im Steuerwagen-Set und 3 Wagen im Ergänzungsset aus. Beides sind die üblichen Styroporkartons inkl. Deckel. Hinzu kommt ein Schutzumschlag aus Karton. Die Lok liegt im üblichen Karton mit schwarzem Schaumstoffeinsatz.
Der Jägerndorfer Zug ist aufgeteilt auf 3 Pakete, bei denen das Steuerwagen-Set mit 3 Wagen um 2 Ergänzungssets mit jeweils 2 Wagen erweitert wird. Auch hier ist Styropor die Verpackung der Wahl und mit einfachen Kartons umhüllt. Geschützt werden die Wagen im Karton mit einem durchsichtigen Kunststoffdeckel. Der Taurus ist in einer "Märklin ähnlichen" Blisterverpackung eingepackt.
An der Verpackung ist bei beiden Herstellern nichts zu bemängeln. Alles lässt sich einfach entnehmen und ist gut geschützt. Bei den JC Wagen finde ich es schöner, dass diese komplett mit einer Folie umhüllt sind, wogegen die Roco Wagen nur die kleinen Folien im Bereich der Radsätze haben.
4. Die Loks
Wie bereits erwähnt handelt es sich bei den beiden Zugmaschinen um die Baureihen 1216.
Zunächst zur Roco Lok:
Äußeres
Die Bedruckung des Modells ist trotz Digitaldruck sehr gut gelungen und alle Details sind einwandfrei erkennbar. Der Dachgarten ist farblich unterschiedlich ausgeführt und durchaus vorbildsgerecht. Das Gesamtbild wird etwas durch die komplett glänzend silbernen Pantos gestört. Diese sind aber zumindest mit den länderspezifisch unterschiedlichen Schleifstücken.
Das Gehäuse lässt sich Roco typisch sehr einfach abnehmen.
Technik
Verbaut ist ab Werk ein Plux22 Decoder der Firma Zimo. Die Schnittstelle ist zeitgemäß und bietet die Möglichkeit viele Funktionen zu realisieren.
Der technische Funktionsumfang des Modells ist nach meinem Dafürhalten leider nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Zumindest eine Führerstandsbeleuchtung hätte es auf die Platine schaffen können (wie z.B. bei den Vectrons). Im Grunde sind nur Abblendlicht, Fernlicht, oberes Spitzenlicht und die Rückleuchten schaltbar. Der Rest ist den Soundfunktionen vorbehalten. Der Lok liegt eine spezielle Kunststoff-Kupplung für den Betrieb an den Wagen mit stromführenden Kupplungen bei. Durch den Decoder werden allerdings nur die Funktionen der Lok gesteuert (der restliche Zug bekommt seine Befehle vom Funktionsdecoder im Steuerwagen).
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Positiv überrascht hat mich die Lok von Jägerndorfer. Diese hat in der aktuellen Auflage eine umfangreiche Überarbeitung bekommen:
Äußeres
Auch bei Jägerndorfer ist die Bedruckung des Modells top. Insgesamt wirkt die Lackierung des Modells etwas matter als bei Roco, was aber nicht von Nachteil ist. Das Finish passt sich sehr gut den neuen Railjet Wagen an. Von den Details her legt Jägerndorfer zu Roco noch eine kleine Schippe drauf. Hier sind z.B. auch die Drehgestelle mit kleinen Details bedruckt. Ein tolles Detail sind ebenfalls die bis auf das Schleifstück lackierten Pantografen, welche komplett aus Metall sind. Die Abnahme des Gehäuses ist etwas schwieriger als bei Roco, da es strammer auf dem Lokkasten sitzt. Das Prinzip des Abklipsens ist aber das selbe.
Technik
Auch JC verbaut mittlerweile eine Plux22 Schnittstelle. Insgesamt ist der Aufbau der Platine und Kabelführung deutlich aufgeräumter als bei früheren Taurus Modellen. Bei der Highend Variante ist zusätzlich eine Führerstandsbeleuchtung verbaut. Für mich kam die „böse“ Überraschung, als ich einen Sounddecoder nachrüsten wollte. Es fehlt an den Aufnahmen für die Lautsprecher. Laut JC Kundenservice kann man den ESU Lautsprecher 50334 (20 x 40 mm) nachrüsten. Den Einbau habe ich unten in einem Exkurs dokumentiert. Das Klemmsystem unter der Platine ist bei Roco wesentlich kundenfreundlicher.
Update vom 25.10.2022:
Achtung: Im Forum wurde darüber berichtet, dass die Lok aufgrund der Details an den Drehgestellen nicht kompatibel mit dem M-Gleis von Märklin ist.
Fazit
Beide Loks geben sich von der Detailtiefe nicht wirklich viel. Bei Roco wirken einige Dinge etwas feiner ausgeführt, wie etwa die Scheibenwischer. Dafür punktet Jägerndorfer mit einigen zusätzlichen Details wie mehr Decals oder auch den lackierten Stromabnehmern. Kaufen kann man beide Loks ziemlich bedenkenlos. Bei JC muss man sich allerdings vorher Gedanken über die Soundfunktionen machen, da diese nicht so ohne weiteres nachrüstbar sind.
5. Die Wagen
Bei den Wagen beider Hersteller führen sich die Eindrücke fort. Auch hier ist das Finish bei beiden Zügen einwandfrei. Die JC Wagen sind wieder etwas matter und passen sehr gut zur Lok.
Der Zuglauf des Jägerndorfer Railjet ist der RJ133 Gondoliere von Wien nach Venedig.
Was bei JC leider ein klein bißchen negativ auffällt ist, dass wie bei anderen Artikeln auch (z.B. den Cityjets) die verbauten Fensterscheiben stellenweise Microkratzer aufweisen. Beim Roco Zug konnte ich von diesen bei weitem nicht so viele entdecken. Man muss aber dazu sagen, dass die Stellen wirklich nur bei direkter Betrachtung unter einer Lichtquelle auffallen. Sehr erbsenzählerische Menschen, werden an dieser Stelle wahrscheinlich ihren inneren Monk stark unterdrücken müssen.
Der auffälligste Unterschied bei den Zügen sind die Wagenübergänge. Bei Roco sind diese lückenlos und leicht beweglich, was man allerdings mit speziellen starren Kupplungen in der Analogvariante bezahlt. Dies zieht sich bis zur Lok durch, was das Kuppeln anderer Züge an die Zugmaschine nur mit Umbauaufwand möglich macht. Gleiches gilt für die Digitalkupplung, welche ebenfalls mit einem speziellen Adapter zur Lok angehängt wird.
Bei JC ist je nach Kupplung ein kleiner Abstand zwischen den Wagen, dafür kann man in der Analogversion handelsübliche Kupplungen verwenden. Die stromführenden Kupplungen der Highend Variante sind etwas schwer ineinander zu stecken, arbeiten aber einwandfrei. Bei diesen ist der Abstand zwischen den Wagen minimal, die Faltbälge sind im Gegensatz zu Roco aber nicht beweglich. Die Lok wird mit einer normalen NEM-Kupplung angehängt (bei mir Rocos Universalkupplung).
In Kurven ist es ziemlich egal, dort schwenken beide gleich weit aus. Hier ist bei Roco eventuell der kleine Nachteil vorhanden, dass die Faltbälge stellenweise etwas schräg hängen bzw. durchhängen. Hier einmal der Vergleich auf Roco Line Gebogenen der Radien 3-6 (Radius aufsteigend):
Ebenfalls Unterschiede gibt es beim Einbau des Funktionsdecoders. Bei Roco muss man das komplette Gehäuse abnehmen und einen Funktionsdecoder mit Plux16 Schnittstelle einbauen.
Bei JC nimmt man einfach nur eine kleine Klappe im Wagenboden ab und findet eine 8-polige Schnittstelle (welche für die verbauten Funktionen auch reicht).
Nachtrag 11.07.2023: Laut Jägerndorfer hat der Steuerwagen bereits einen Pufferspeicher verbaut (vielen Dank an Bernhard für die Info)
Die Stromabnahme des Steuerwagens haben Roco und Jägerndorfer unterschiedlich gelöst. Bei Roco erfolgt diese im Drehgestell von oben, was den Nachteil hat, dass spezielle Achsen notwendig sind (mittig isoliert). Ein Austausch mit NEM Radsätzen fällt damit weg.
Bei Jägerndorfer erfolgt die Stromabnahme auf der Innenseite der Radsätze. Das birgt zwar eher das Potential, dass die Räder quietschende Geräusche von sich geben, hat aber den Vorteil, dass ein Austausch der Radsätze problemlos möglich ist.
Beim Einschalten der Innenbeleuchtung fällt bei Jägerndorfer sofort ein weiterer positiver Aspekt auf: Die Inneneinrichtung der Wagen ist unterschiedlich farblich gestaltet. Leider sind die Sitze nicht wie beim Original grau/rot bzw. grau/grün gehalten sondern tragen die Farben des neuen Railjets (Vielen Dank an Flo_85 an dieser Stelle für die Richtigstellung). Laut JC wäre eine zweifarbige Lackierung zu teuer gewesen.
Bei Roco ist die Inneneinrichtung einfarbig gehalten.
Insgesamt kann man sagen, dass man bei Jägerndorfer auch bei den Wagen wieder mehr auf die kleinen Details geachtet hat (siehe z.B. Drehgestelle)
6. Endergebnis
Einen klaren Sieger kann ich nich küren, da beide Züge ihre Stärken und Schwächen haben. Roco bietet die bewährte Qualität, hat bei den Funktionen und kleineren Details etwas Nachholbedarf. Jägerndorfer hat in der aktuellen Variante stark an der Qualität geschraubt und bietet eine tolle Alternative.
Exkurs: Einbau Sounddecoder in die RH1216 von Jägerndorfer
Wie versprochen dokumentiere ich hier noch die Umrüstung der RH1216 von JC auf einen Sounddecoder. Wenn ihr das Modell mit Sound ab Werk gekauft habt, ist dieser Abschnitt nur indirekt interessant für euch.
Wie bereits weiter oben geschrieben ist die Umrüstung nicht ganz so einfach wie bei Roco gelöst. Für den Umbau benötigt ihr einen Sounddecoder mit Plux22 Schnittstelle (meiner ist ein ESU Loksound V5), einen ESU Lautsprecher mit der Artikelnummer 50334 und etwas Decoderlitze (Tip vom Profi: Kauft euch für die Umrüstung anderer Loks das Zuckerwürfelset von Roco und lötet dort die Litze ab).
So sieht die Lok nach dem Abnehmen des Gehäuses aus:
Das Tesaband ist übrigens ab Werk verbaut . Links vom Decoder sind auf der Platine zwei Lötfahnen (SP A und SP B) auf denen die Kabel vom Lautsprecher verlötet werden. Der Lautsprecher selber wird unter einer der Plastikabdeckungen verbaut, über welche die Kabel laufen. Hierfür das Tesaband abnehmen und die Kabel zur Seite legen:
Die Abdeckung lässt sich dann vorsichtig anklappen, hierbei aber auf die Kabel zu den Radkontakten achten. Unter der Abdeckung kommt die Schallkapsel für den Lautsprecher zum Vorschein:
Wer genau hinschaut kann an jeder Ecke einen Stehbolzen erkennen. Der Lautsprecher wird erst von der originalen Schallkapsel befreit, dann mit Litzen versehen und anschließend auf die Stehbolzen geschoben. Zur Befestigung könnte man diesen Kleben oder so wie ich einfach die Stehbolzen mit dem Lötkolben plattschmelzen (hält ebenfalls Bombe und mach JC wohl auch so). Dann noch die Litzen zur Platine führen, Abdeckung wieder festschrauben, Lautsprecherlitze auf die Platine löten und alles mit einem neuen Streifen Tesaband sichern.
Aus Ermangelung eines vernünftigen Projektes von ESU (es ist nicht mal was schlechtes verfügbar), habe ich mir eines bei Leosoundlab bestellt. Insgesamt ist der Sound mit dem großen Lautsprecher wirklich sehr gut und der Einbau ging einigermaßen einfach von der Hand, wenn man löten kann.
Exkurs: Einbau eines Sounddecoders in die RH1216 von Roco
Der Taurus konnte nun endlich auch mit einem Sounddecoder nachgerüstet werden. Das Öffnen der Lok geht wie gewohnt durch einfaches abklipsen. Es offenbart sich ein nicht ganz gewohntes Bild:
Die Aufteilung der Komponenten sieht doch etwas anders aus als bei den RH1116 Modellen. Am Auffälligsten ist zunächst der Decodersteckplatz an der Seite über dem Fahrwerk:
Aus irgendwelchen Gründen scheint die Schnittstelle auf der Hauptplatine keinen Platz mehr gefunden zu haben. Auf der linken Seite befindet sich dann noch ein Ausschnitt für einen Stromspeicher. Die nächste Frage, welche sich stellt ist: Wohin mit dem Lautsprecher? Bei den RH1116 Modellen sind hierfür Aussparungen unter der Platine vorhanden. Bei den RH1216 Modellen muss man hingegen eine zusätzliche Schallkapsel im Zubehör bestellen (kleiner Tip: Gleich mehrere einkaufen, da viele andere Modelle das gleiche System haben). Für den Kunden natürlich nervig, insbesondere bei den abartigen Versandkosten im Roco Webshop. Eine kleine Enttäuschung ist ebenfalls, dass nur 1 Zuckerwürfel installiert werden kann und nicht 2 wie bei den anderen Taurüsseln oder auch den Vectrons. Wie dem auch sei, als Lautsprecher kommt einer aus dem Doppelset von Roco in Einsatz:
Von diesem lötet man die Kabel ab und löst den Lautsprecher vorsichtig von der Schallkapsel ab. Im besten Fall bleibt das Klebepad hierbei am Lautsprecher haften. Dann kann man den Lautsprecher in die neue klippbare Schallkapsel einkleben:
Danach löst man die 4 Schrauben, welche die Hauptplatine halten und zieht diese vorsichtig grade nach oben ab. Hierbei auf den Übergang zur kleinen Schnittstellenplatine achten:
Im Anschluss wird der Lautsprecher unter die Platine geklippt. Hierbei darauf achten, dass die Kontakte des Lautsprechers auf den Lötpads unter der Platine aufliegen:
Danach wieder alles anschrauben und die Kabelführungen wieder ordnen. Im Anschluss wird der Decoder gesteckt (bei mir ein Zimo MS450):
Soundprojekte gibt es bei den Decoderherstellern keine vernünftigen für die RH1216, so dass ich in diesem Fall auf ein Projekt von Petr Smutek - Jacek Modely zurückgegriffen habe.
Hinweis:
Alle Angaben sind nach bestem Wissen und Gewissen. Ich werde den Bericht mit der Zeit noch um Erfahrungswerte ergänzen. Solltet ihr etwas beitragen wollen oder habt spezielle Fragen, schreibt mich gerne an oder postet hier im Threat!