Liebe Stummi-Gemeinde,
nachdem ich hier im Forum seit geraumer Zeit den Bau der schlesischen Elektrolokomotive E 90.5 beschreibe, möchte ich euch in einem weiteren Thread am Bau meiner Heimanlage teilhaben lassen. Ich tanze gewissermaßen auf zwei Hochzeiten: elektrischer Zugbetrieb in Schlesien in den 1930er Jahren als Vereinsprojekt (http://www.zackenbahn.de) und mein eigenes Projekt, den Bau einer Anlage nach Motiven meiner Heimat zu DDR-Reichsbahnzeiten (1970er und 80er Jahre).
In der Nähe von Dresden aufgewachsen, habe ich die letzten Jahre der Dampftraktion noch erleben können. 01-Altbau von Dresden nach Berlin, 50er und 52er auf den Nebenstrecken in die Oberlausitz, BR 242 mit Doppelstockzügen im Vor-Ortverkehr (S-Bahn Dresden), die Diesellokomotiven der Baureihen 110, 118, 119 und 132 vor Personenzügen – im Grunde die ganze Palette der Deutschen Reichsbahn zwischen Vergangenheit und dem Versuch der Modernisierung unter den realen Bedingungen des Sozialismus. Nichts war so glatt gebügelt und geleckt wie heute; ob es besser war, darf aber bezweifelt werden. Nichts desto trotz war dies meine Kindheit und Jugend, an die ich mich mit dem Bau dieser Anlage erinnern will.
Mit dem Einzug in eine geräumige Atelier-Wohnung im Jahre 2002 konnte ich endlich meinen Traum umsetzen. Auf einer nutzbaren Länge von 5 m wollte ich einen typischen Durchgangsbahnhof nachbilden, durch den sowohl Eil- und D-Züge hindurch rauschen, aber auch Personenzüge halten und auf dem auch Rangierverkehr stattfindet. Als Vorlage dient mir der Bahnhof Radeberg auf der Strecke Dresden-Görlitz, ca. 20 km nordöstlich von Dresden, dessen Gleisplan ich allerdings eher als Vorlage für die Anordnung der Gleise und des Bahnhofsumfeldes genommen habe.
Folgende Bedingungen habe ich formuliert:
- Segmentanlage, die sich einfach auf- und abbauen und auch verstauen lässt
- nur den Bahnhof als Motiv, keine abzweigenden Nebenstrecken etc.
- großzügige Streckenführung mit großen Radien
- „Hundeknochen“-Prinzip mit Schattenbahnhof auf Ebene 0 hinter einer Sichtblende
- Bahnhofsumfeld nur angedeutet („Weniger ist mehr“)
- händische, also analoge Steuerung, ausgenommen die Schattenbahnhofsteuerung
Den Unterbau habe ich mir von meinen Brüdern, die Tischler sind, fertigen lassen. Gleismaterial ist Peco Code 55. 2003 habe ich angefangen zu bauen und recht bald lagen auch schon die Gleise bzw. die Elektrik für den sichtbaren Teil der Anlage war fertig. Darüber berichtete ich im N-Bahn-Magazin 4/2004 und 2/2007. Dann kehrte erst mal Ruhe ins Baugeschehen ein, weil ich erst mal andere Prioritäten im Leben hatte. 2007/2008 ging ich für ein Jahr nach Südamerika, und als ich wieder nach Deutschland zurückkehrte, begann ich eine neue Arbeit, die mich für fast 2 Jahre ununterbrochen auf Dienstreisen führte. Nach einem Jobwechsel 2010 kehrte wieder ein bisschen Ruhe ins Leben ein, obwohl ich immer noch viel auf Reisen bin (diesen Artikel hier schreibe ich gerade in Valencia). Zudem kamen noch umfangreiche Bauaktivitäten für das „Zackenbahn“-Projekt hinzu, die meine Heimanlage in den Hintergrund rücken ließen.
Um wieder in Fahrt zu kommen, habe ich im vergangenen Jahr beschlossen, die Anlage in den Clubraum eines Modellbahnvereins zu transportieren und dort weiter zu bauen, weil ich den Erfahrungsaustausch mit anderen Modellbauern schätze und glaube, auf diese Weise schneller voran zu kommen. Ich habe kein Problem damit, dass andere Leute an meiner Anlage mitbauen und ihre Technologien des Landschaftsbaues etc. einbringen. Um ehrlich zu sein: ich bin sogar froh darüber, dass ich nicht alles selbst recherchieren, entdecken, ausprobieren und entwickeln muss. Jetzt, wo meine Anlage endlich betriebsfähig ist (der Bau und die Inbetriebnahme des Schattenbahnhofs ist ein spezielles Kapitel, das mich die vergangenen Jahre in Atem gehalten hat), der Pflichtteil also erledigt ist und endlich die Kür beginne kann, nämlich die Landschaftsgestaltung, da merke ich, dass sich das Tor zu einem weiteren Universum öffnet, das man nicht so leicht überblicken kann: Schottern, Gebäude, Signale, Brücken, Vegetation, Farben & Alterung, Ausgestaltung mit Zubehör etc. pp. Das kann man alles gar nicht alleine beherrschen. Jedenfalls ich nicht…
Wie dem auch sei: die Basis ist da, und ehe ich euch zu bestimmten Themen um Ratschläge oder Hilfe bitte, will ich meine Anlage kurz vorstellen.
Gesamtüberblick: im Vordergrund der Durchgangsbahnhof, im hinteren Teil der Schattenbahnhof
Noch mal ein Blick längs von Ausfahrt Ost (vorn) nach West (hinten)
Der Gleisplan: es gibt zwei Hauptgleise bzw. Durchfahrtgleise (1 und 2) sowie ein Bahnsteiggleis (3) für Personenzüge, die ausgefädelt werden können für den Fall einer Überholung durch einen nachfolgenden D-Zug. Gleis 4 ist das Güterzugdurchfahrtgleis. Ab Gleis 5 aufwärts Rangiergleise und Werksanschlüsse. Am Hausbahnsteig 1 ist das Empfangsgebäude, am Gleis 5 befindet sich der Güterschuppen.
Ausfahrt West: Die Bahnsteige sind bereits gesetzt, auf einem Modul habe ich schon mal probehalber mit der Grundierung der Landschaft begonnen, rechts hinten der Schattenbahnhof, der aus zwei versetzt angeordneten 5-gleisigen Harfen pro Richtungsgleis besteht.
Ich musste einfach mal meinen Fuhrpark auf die Gleise setzen. Nach Jahren als Schachtelbahner war es wirklich ein erhebendes Gefühl, sich nach Herzenslust Züge zusammenstellen zu können.
Die 106 wartet auf dem Flankenschutzgleis in der Ausfahrt West
Hier der andere Teil des Schattenbahnhofs. Maximale Länge der Züge: 11 D-Zugwagen.
Das Stellpult, ebenfalls eine Kreation aus der familiären Tischlerei
In den kommenden Wochen will ich mit der Landschaftsgestaltung beginnen. Als erstes beginnen wir mit der farblichen Gestaltung der Gleise. Dann geht es um die Signale und Weichen. Hier muss ich noch ermitteln, wie die Drahtzugleitungen für Signale und Weichen angeordnet waren sowie die Positionen der Spannwerke. Und das wird wohl das erste Thema sein, wo ich mir ein paar Tipps und Hinweise von euch erbitten werde.
Ich freue mich drauf und wünsche euch eine schöne Woche!
Viele Grüße von Thomas