Liebe Stummis
Es ist über 40 Jahre her, dass ich meine ersten Leiterplatten hergestellt habe. Damals interessierte ich mich hauptsächlich für den Bau von Audiogeräten. Damals musste man noch auf Transparentfolien die Platine zeichnen, dann mit UV-Licht beleuchten, ätzen und Löcher bohren. Wenn alles gut ging, konnten danach die elektronischen Bauteile darauf gelötet werden. Ein zeitaufwendiger Prozess.
Um 2005, als ich wieder meine Modelleisenbahnhobby entdeckt hatte, kam schnell der Wunsch neue Leiterplatten zu fertigen. Der gesamte Designprozess wurde dank Designsoftware wie Eagle erheblich vereinfacht. Die Datei mit dem Design könnte an eine Firma gesendet werden, die dann die Leiterplatte entwickelt und alle Löcher gebohrt hat. Die Kosten für einen Europlatine (16x10cm) betrugen damals 50 Euro für einen einzelnen Platine; zum Glück ist der Preis bei mehreren Platinen schnell gefallen. Heutzutage kann man für wenige Euro eigene Leiterplatten in China herstellen lassen. Bis vor kurzem mussten man die Komponenten aber selber noch aufsetzen und löten.
Vor etwa vier Jahren begannen auch chinesische Unternehmen die Montage von Komponenten als Dienstleistung zu einem für den Verbraucher akzeptablen Preis anzubieten. Neben eine Datei mit dem Platinendesign mussten man noch eine Bauteilliste mitsenden, danach erhielt man die Leiterplatten mit den darauf aufgelöteten SMD-Bauteilen.
Mein erster Test war eine RS-Bus Aufsteckplatine für meine Decoder. Im Sommer 2018 habe ich 75 davon für einen Gesamtbetrag von knapp 300 Euro anfertigen lassen. Die Abmessungen waren ca. 4x2cm, und ich konnte nur alle Widerstände und Transistoren darauf setzen lassen; die Optokoppler standen nicht zu Montage zur Verfügung. Die Platine sieht so aus (bitte anklicken um das Bild separat in voller Größe zu sehen):
Bild entfernt (keine Rechte)
Obwohl ich mit dem Ergebnis zufrieden war, fand ich den Preis ziemlich hoch. Im Jahr 2020 habe ich jedoch festgestellt, dass die Leiterplattenfertigung und -Bestückung inzwischen deutlich günstiger sein könnte und die Auswahl an Bauteilen durch einen neuen Service von JLCPCB stark erweitert wurde. Auf YouTube gibt es Videos von Touren bei dieser Firma und ich bin sehr beeindruckt, wie groß da alles ist und wie weit die Chinesen es automatisiert haben. Ich finde es schade, dass wir in Europa keine Firmen haben, die so etwas für vergleichbare Preisen für Bastler anbieten können.
JLCPCB bezieht seine Komponenten von einem anderen chinesischen Unternehmen, LCSC, obwohl ich glaube, irgendwo gelesen zu haben, dass sie in Zukunft möglicherweise auch Mouser und Farnell als Lieferanten akzeptieren. Sie können mit den meisten PCB-Designprogrammen umgehen, obwohl die Integration mit EasyEda am weitesten und einfachsten ist.
Mein erster Test bei JLCPCB war ein 5V Spannungsstabilisator, basierend auf dem MP1584 (https://easyeda.com/aikopras/power-supply-mp1584 ). Für zehn lehre Leiterplatten musste ich (zusammen) weniger als 5 Euro bezahlen, für Bauteile und Bestückung 18,50 Euro. Es gab noch einen Rabatt und es kamen noch Versandkosten hinzu. Ich habe 30 Euro für 10 bestückte Platinen bezahlt, mit allem Drum und Dran (siehe Foto unten). Das schmeckte nach mehr.
Bild entfernt (keine Rechte)
Der nächste Platine war mein Lift Decoder (https://easyeda.com/aikopras/support-lift-controller). Diese Platine ist im Grunde eine Kombination aus einer Arduino Mega-, Arduino UNO-, RS-Bus- und RS485-Schnittstelle und einigen ULN-Treibern. Für 5 Platinen, inklusive Komponenten, Versand, Einfuhrzölle und MwSt. habe ich knapp 95Euro bezahlt, also 19Euro pro Platine. Wenn ich die billigsten Arduino Mega- und UNO-Platinen in China separat kaufe, habe ich bereits mehr Geld bezahlt.
Bild entfernt (keine Rechte)
Die nächste Bestellung waren 15 Gleis Besetz Melder für meinen Lift und meine Vitrine (https://easyeda.com/aikopras/vitrine-decoder). Das Grunddesign war mein altes Design basierend auf dem ATMega 16A Prozessor. Die Leiterplatten haben eine etwas spezielle Form, sodass Schienen sofort aufgelötet werden können. Die Kosten, ebenfalls inklusive Komponenten, Versand, Verzollung und Mehrwertsteuer, liegen bei knapp 11 Euro pro Platine.
Bild entfernt (keine Rechte)
Ich habe letzten Sommer von einen Variante dieser Besetz Melder nochmals 20 Stück fertigen lassen (https://easyeda.com/aikopras/gbm-smd). Kosten, mit allem Drum und Dran, 9 Euro pro Platine. Ich hatte noch jede Menge alte lehre Platinen herumliegen, aber die Kosten für Komponenten von einem Großhändler (wie Mouser) waren immer noch deutlich höher, als wenn ich die ganze Fertigung auslagerte nach China.
Bild entfernt (keine Rechte)
Das Schöne an der Bestückung von Leiterplatten in China ist, dass man Bauteile auswählen kann, die man normalerweise nicht mehr selbst löten kann. Das folgende Projekt war daher eine Variante des "SuperCapLader im Eigenbau: Goldcaps als Pufferspeicher" (RE: SuperCapLader im Eigenbau: Goldcaps als Pufferspeicher) von Matthias (schumo99). Die Herausforderung bestand darin, auch eine möglichst kleine Leiterplatte mit möglichst vielen SMD 0402 Komponenten herzustellen. Im Gegensatz zur Matthias' Platine, kann JLCPCB nur einseitig bestücken. Ein erster Versuch scheiterte kläglich, weil die Gehäuse der Schottky-Dioden in EasyEda falsch waren. Die erste Lieferung landete direkt im Müll, 75 Euro wurden weggeworfen.
Es dauerte eine Weile, bis ich einen zweiten Versuch machen konnte, da der von mir verwendete Step-Down-Konverter (AP5100) ausverkauft war. Nachdem ich ein Jahr gewartet hatte, war ich des Wartens müde und wählte einen anderen Step-Down-Wandler aus. Unten das Ergebnis.
Bild entfernt (keine Rechte)
Da der Platine sehr klein ist (19x13mm), musste ich mehrere Platinen zusammen nehmen auf ein größeres "Panel". Das Panel hat eine Größe von 91 x 85 mm und enthält 20 kleine Platinen. Durch den günstigeren Step-Down-Konverter und einige andere Dinge fielen die Kosten niedriger aus als vor einem Jahr; für 40 Platinen habe ich insgesamt etwas über 60 Euro bezahlt.
Bild entfernt (keine Rechte)
Warum schreibe ich dies? Der Grund dafür ist, dass sich mir eine Welt voller neuer Möglichkeiten eröffnet hat. Wenn meine Erfahrungen jemandem dazu inspiriert selbst mit der PCB Assembly zu experimentieren, würde ich mich freuen. Komplette Decoder oder andere Schaltungen mit SMD 0402-Bauteilen zu bauen ist nun auch für Bastler zu Kosten möglich, die ich bis vor kurzem für unmöglich gehalten habe.
Gibt es dann keine Nachteile? Ja, natürlich gibt es sie, wie meine "Supercap"-Erfahrungen belegen. Es kann sein das die Komponentenbibliotheken Fehler haben. Häufig sind bestimmte Komponenten nicht mehr auf lager und es muss nach Alternativen gesucht werden. Auch die sogenannten „Through Hole“-Bauteile wie Stecker und Relais müssen selber noch gelötet werden. Etwas Erfahrung mit elektronischen Schaltungen ist daher ein Muss. Obwohl ich meine Designs grundsätzlich mit der Community teile, kann es darum durchaus sein, dass ein Design das bei mir machbar war, ohne Änderung jetzt nicht mehr möglich ist.
Grüße und viel Spaß beim Basteln :-)
Aiko
PS: Ich werde von keiner der oben genannten Firmen gesponsert und möchte das auch nicht werden.