Hallo Stummis,
ich möchte hier kurz meinen etwas unkonventionellen Planungsansatz vorstellen.
vielleicht ist dieser dennoch für den einen oder anderen von Interesse oder kann gegebenenfalls als Anregung dienen.
Ich stand vor einiger Zeit vor einem leeren Raum und der Entscheidung wie dieser zukünftig sinnvoll genutzt werden sollte. Bisher war er als Werkstatt genutzt worden, aber diese wurde nicht mehr gebraucht.
Die Entscheidung eine Modellbahnanlage zu bauen war dann schnell getroffen.
Zunächst wollte ich einen kleinen Durchgangsbahnhof einer Nebenstrecke und eine Ladestelle (Laubach und Laubacher Wald) in H0 vorbildgerecht abbilden, stieß aber ganz schnell an meine Grenzen bzw. die Grenzen des Raumes (sprich Wände). Es war einfach nicht genügend Platz für mein geplantes Vorhaben vorhanden. Der Raum hat zwar eine nutzbare Fläche von rund 50 qm, aber durch einen Kamin und ein Treppenhaus ist der Raum leider nicht rechteckig und so hatte ich Probleme um die Kurven zu kommen. Ich wollte auch nicht den größten Teil der Strecke durch Tunnel wegtarnen oder Straßenbahnradien benutzen.
Also keimte die Idee auf eine Schmalspurbahn nachzubilden.
Zur Jagsttalbahn habe ich in meinem Fundus einige Unterlagen und begann gedanklich so diverse Szenarien durchzuspielen. Irgendwie fand ich diese Idee aber nicht so richtig prickelnd. Ich hatte das Gefühl, dass die Gleisanlagen und Fahrzeuge irgendwie verloren wirken würden.
Aufgrund des ja eigentlich ausreichenden Platzes habe ich dann - nur spaßeshalber - versucht im Maßstab 1:45 einiges umzusetzen, um halt eine bessere Wirkung zu erzielen.
Da ich schon lange ein Fan der sächsischen Schmalspurbahnen bin, habe ich mich statt des Jagsttales hier mit der Weißeritztalbahn auseinander gesetzt, da die alte Weißeritztalbahn wirkliche Highlights zu bieten hatte.
Nun, Ich habe tatsächlich einiges im Raum unterbringen können und wollte auch schon mit der Feinplanung beginnen, aber da ich noch keine Erfahrung mit der Spur 0e hatte, wollte ich zunächst probeweise einige Module in diesem Maßstab bauen. Auf der Suche nach einem geeigneten "Versuchsobjekt" bin ich dann zufällig über die Rügenschen Kleinbahnen gestolpert und war sofort hin und weg. Gab es bei der Weißeritztalbahn noch das eine oder andere Problem vernünftig einen Fiddle Yard zu integrieren, waren diese Probleme bei der RüKB überhaupt nicht vorhanden! Auch waren die Bahnhöfe kompakter und geben betrieblich mehr her.
Nachdem ich mich etwas intensiver mit der RüKB auseinander gesetzt hatte war klar, dass der Teil der Nordstrecke auf der Halbinsel Wittow genau das war, was ich suchte.
Da meine Fantasie einfach nicht ausreicht, kann ich nur nach einem konkreten Vorbild bauen. (Ich gebe zu, ich bin talentfrei). Das entsprechende Vorbild muss dann umsetzbar sein. (...ich gucke sozusagen ab!) Neben einem ansprechenden Betrieb sind mir auch die optischen Reize, die ein Bahnhof oder eine Strecke zu bieten hat, wichtig. alle drei Anforderungen erfüllt die Nordstrecke der RüKB mit Bravour!
Der nördliche Teil der Nordstrecke besitzt nur drei Bahnhöfe: Fährhof, Wiek und Altenkirchen. Hinzu kommen einige Ladestellen. Güterwagen werden mit einer Fähre trajektiert. Diese Fähre übernimmt damit quasi die Funktion des Fiddle Yard. Auf die Fähre passen nur 3 Wagen. Kürzer geht ein Fiddle Yard kaum. Auch ist er - durch die Fähre - darstellbar und als ausgestalteter Teil in die Anlage integriert. Besser geht es wohl nicht. Es sind somit auch keine Klimmzüge nötig, um einen 10-gleisigen Schattenbahnhof samt Kehrschleife abzubilden! Alles liegt auf einer Ebene. Kein Bücken, kein Klettern.
Die 3 Bahnhöfe können weitgehend maßstäblich dargestellt werden. Zusätzlich noch eine Ladestelle und das angrenzende markante Parchower Gutshaus mit Feldbahn auf einer separaten Zunge. Durch eine geschickte Anordnung der Bahnhöfe hat man immer nur den Bahnhof im Blickfeld, in dem der Zug gerade verkehrt, so dass eine optische Trennung der Szenen möglich ist.
Bei einer Schmalspurbahn handelt es sich um ein geschlossenes System. Es existieren nur eine Handvoll Fahrzeuge. Sammelwut oder "Vitrinenbahning" wird nicht unterstützt. Auf der Strecke war nur eine Lok unterwegs. Eine stand als Reserve im Lokschuppen. Diese half zu Erntezeiten bei Bedarf aus bzw. übernahm - wenn nötig - Rangiertätigkeiten in Fährhof. Ab und an wurden die Loks ausgetauscht (wg. HU oder aufgrund von Schäden), aber mehr als drei oder vier Loks braucht man wirklich nicht.
Genauso verhält es sich mit den Personen- und Güterwagen. mehr als 40 bis 50 Wagen insgesamt sind nicht nötig.
Am Interessantesten ist jedoch der Betrieb. Da in der Regel nur eine Lok fuhr, kann man ganz alleine die Anlage stressfrei vorbildlich betreiben. Die 3 Bahnhöfe waren beim Vorbild mit einem Beamten besetzt, so dass hier zusätzlich - neben dem Zugführer - auch Fahrdienstleiter beschäftigt werden könnten. Zur Erntezeit kann ein weiterer Zug verkehren und somit ein zusätzlicher Zugführer tätig werden. Hinzu kommt ein Zugleiter und jemand der den Fiddle Yard bedient, so dass der Betrieb der Anlage mit 1 bis 7 Personen möglich ist.
Die Strecken zwischen den Bahnhöfen sind recht kurz, aber da das Hauptaugenmerk auf dem Betrieb liegt, die Szenen optisch getrennt sind und die Höchstgeschwindigkeit bei 25 bzw. 30 Stundenkilometern beim Vorbild lag, braucht ein Zug dennoch seine Zeit, um von A nach B zu kommen. Die Radien entsprechen dem kleinsten Radius beim Vorbild oder sind etwas größer. Die Bögen werden zum Teíl weggetarnt durch die auf Rügen bzw. auf der Strecke vorhandenen Besonderheiten wie Kiefernwald, Allee und Stadt.
Die Sicherungstechnik wird dem Vorbild entsprechend abgebildet. (Einfache Schlüsseltechnik: verschlossene Weichen in Zugfahrgleisen und - wenn vorhanden - Abhängigkeiten zu anderen Weichen oder Gleissperren.)
Die Segmente sind alle 105 x 85 cm groß und somit gut zu händeln. Die Gänge sind 85 cm breit, so dass man sich gut bewegen kann und auch ggf. aneinander vorbeigehen kann. Es ist noch Platz für einen Arbeitstisch, an dem ggf. auch der Zugleiter sitzen kann. Die Steuerung übernimmt eine Z21.
Für das Abstellen und Vorhalten der Fähre und Wagen ist gegenüber von Fährhof der Bahnhof Wittower Fähre als richtiger Fiddle Yard zuständig.
Wo viel Licht ist, ist natürlich auch Schatten! Baut man ein konkretes Vorbild nach, gibt es meist wenig oder gar nichts zu kaufen. (Was natürlich auch gut gegen Sammelwut hilft.) Alles muss selbst gebaut werden! Für mich ist dies aber ein großer zusätzlicher Anreiz, der ebenfalls für die Wahl des Themas ausschlaggebend war.
Derzeit sind die Gleis- und Weichenteile fertig, die erste Lok liegt als Bausatz in der Schublade, die zweite (Fertigmodell) wird dieses Wochenende ausgeliefert und der Unterbau ist gerade am Entstehen.
Ich warte auf den 2. Band der "Kleinbahnreise über die Insel Rügen", um ggf. noch einige (winzige) Korrekturen am Gleisplan vorzunehmen. Das Buch sollte schon vor 2 Jahren erscheinen! Daher geht es zur Zeit leider etwas schleppend voran.
Zur Überbrückung baue ich daher einige Module in 1e nach sächsischem Vorbild.
Die Planung ist sicherlich nicht ganz alltäglich, aber vielleicht kann der eine oder andere dem Ganzen dennoch etwas abgewinnen.
Gruß
Joachim