Guten Tag Freunde der gepflegten Modelleisenbahn,
das neue Semester hat begonnen, die Prüfungen des alten Semesters sind geschrieben, nun kann ich mich wieder den schönen Dingen des Lebens widmen! Mein letzter Betrag ist bald zwei Monate her und der Faden selbst verschwand langsam, aber sicher in den Untiefen des Forums.
Um eine Auszeit vom üblichen Alltag (oder besser gesagt Wahnsinn) zu nehmen, zog es mich, wie in den letzten drei Jahren, an die Nordsee. Wie immer erfolgte die Anreise umweltfreundlich mit der Bahn. Obwohl mir mein Fahrschein "100% Ökostrom" versprach, so frage ich mich, wie die Deutsche Bahn das zwischen Itzehoe und Niebüll angestellt hat, wenn an der Zugspitze eine Diesellok der Baureihe 245 hängt.
Mit abgeschnittenem Puffer und Mastschaden: Ich habe tatsächlich keine einzige anständige Seitenaufnahme dieser tollen Wagen.
Doch kommen wir zum eigentlichen Thema, die Married-Pair-Wagen sind nämlich meine Favoriten im Regionalverkehr. Von Hamburg nach Niebüll sind wir mit diesen gefahren, obwohl der Intercity günstiger gewesen wäre; dort wird im Gegensatz zum Regionalexpress der volle Rabatt meiner BahnCard50 gewährt. Wir sind daher ausschließlich mit dem Syltshuttle Plus zwischen Niebüll und Sylt gependelt; wer hätte das gedacht, dass der VT 628 jemals als IC fahren würde?
Zwischen den 240 Kilometern zwischen Hamburg-Altona und Westerland auf Sylt verkehren im Regionalverkehr in dieser Art einzigartige Wagen: Die Married-Pair-Wagen! Mit lediglich 90 Exemplaren stellen sie eine regelrechte Splittergattung dar, was wohl der Grund ist, warum diese nicht im Modell umgesetzt wurden. Das Konzept unterscheidet sich stark von konventionellen Reisezugwagen.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2005 übernahm die Nord-Ostsee-Bahn (NOB) den Regionalverkehr zwischen Westerland (Sylt) und Hamburg. Dazu wurden die Maried-Pair-Wagen von ihr beschafft, die Finanzierung erfolgt über den Finanzdienstleister Paribus (und nicht, wie üblich, vom Land selbst). Seit Dezember 2016 betreibt wieder DB Regio diese Linie.
Stets zwei Wagen sind miteinander verbunden und bilden eine unzertrennliche Einheit, daher rührt auch der Name. Dabei ist ein Versorgungswagen stets mit einem Funktionswagen verbunden. Diese Wagenpaare sind untereinander mit einer Schalenmuffenkupplung miteinander verbunden, sie können daher im Gegensatz zur konventionellen Schraubenkupplung nur in der Werkstatt getrennt werden. So entstehen logischerweise drei Arten von Wagenpaaren mit drei verschiedenen Funktionen: Steuerwagen/Mittelwagen, Anschlusswagen/Mittelwagen, sowie Ergänzungswagen/Mittelwagen. Lediglich der Steuerwagen sowie der Anschlusswagen verfügen über eine konventionelle Schraubenkupplung, so dass die kürzestmöglichste Einheit aus vier Wagen besteht. Zwischen dem Anschlusswagen-Paar und dem Steuerwagen-Paar können bis zu zwei Ergänzungswagen-Paare eingereiht werden.
Man könnte nun meinen, dass dieses Konzept ziemlich unflexibel sei, wenn ein Zug aus mindestens vier Wagen besteht, man eben nur Wagenpaare hinzufügen kann und die Kupplungen nur in der Werkstatt trennbar sind. Gerade im Nahverkehr werden selbst Lok-Wagen-Züge stets als betrieblich untrennbare Einheiten behandelt; soll ein Zug verstärkt werden, werden keine einzelnen Wagen angekuppelt, man in der Regel zwei voneinander unabhängige Garnituren zusammen. Daher fallen diese Nachteile nicht ins Gewicht.
Der ebenerdige Einstieg und die Spaltüberbrückung sorgen für ein bequemes und sicheres Ein-
und Aussteigen.
Faltbalgen bieten einen komfortablen Wagenübergang.
Meines Erachtens ist der gebotene Komfort dieser Wagen sehr hoch und zum Zeitpunkt der Indienststellung (2005) überdurchschnittlich, selbstredend sind sie mit Klimaanlagen versehen. Alle Sitzplätze sind mit Armlehnen ausgestattet, es stehen an jedem Platz Leselampen zur Verfügung, außerdem bieten die Wagen überall Anschlüsse für Kopfhörer zum Empfang von Radiosendern. Die Fenster sind mit metallbedampften Sonnenschutzrollos ausgestattet. Die Rückenlehnen sind hinten mit Klapptischen versehen. In den Vierer-Sitzen gibt es keine Tische (aus welchem Grund auch immer). Die erste Klasse bietet entgegen dem Trend (in nicht wenigen Nahverkehrszügen besteht der Mehrwert der 1. Klasse aus einem andersfarbigen Sitzbezug) die übliche 2+1-Bestuhlung mit verstellbaren Rückenlehnen, großen Tischen und Steckdosen. Die 1. Klasse befindet sich wie das Dienstabteils des Zugbegleiters im Anschlusswagen direkt hinter der Lok, daher ist sie stets im Zug vorhanden. Die großen Fensterflächen versprechen eine großartige Sicht auf Schleswig-Holstein: Unendliche Landschaften, Schafe und Kühe.
Die erste Wagenklasse.
Der Versorgungsmittelwagen eines Wagenpaars verfügt über ein Mehrzweckabteil mit behindertengerechten Toilette, abweichend von dieser Regel besitzt der Ergänzungswagenpaar in beiden Wagen ein Mehrzweckabteil. Die Married-Pair-Wagen verfügen über barrierefreie Einstiege bei 760 mm hohen Bahnsteigen sowie über ausfahrbare Spaltüberbrückungen bei niedrigeren Bahnsteigen. Im Gegensatz zu den Doppelstockwagen lässt sich der Zug ohne Stufen von vorne bis hinten begehen. Die Wagenübergänge sind mit geschlossenen Faltbalgen ausgestattet, diese bieten im Gegensatz zu den konventionellen Gummiwulsten einen bequemeren Wagenübergang, zumal diese auch noch beleuchtet sind. Die Married-Pair-Wagen bietet auch weitere Vorteile gegenüber Doppelstockwagen: Der Innenraum ist prinzipbedingt deutlich geräumiger, außerdem verfügen die Wagen über Gepäckablagen, die ihren Namen auch wirklich verdienen (zumindest konnte ich meinen Koffer anständig dort verstauen). In meinen Augen sind Doppelstockwagen nur bedingt barrierefrei, Steuerwagen (bis auf die Bauart 761.2) und Doppelstockwagen bieten nur an 550 mm hohen Bahnsteigen einen barrierefreien Einstieg, die anschließende Rampe bereiten gerade mobilitätseingeschränkten und älteren Fahrgästen Probleme.
In einer üblichen 6-Wagen-Garnitur stehen insgesamt vier Mehrzweckabteile mit Platz für Fahrräder, Gepäck und sogar für Surfbretter zur Verfügung.
Für eine angenehme Laufruhe sind die Wagen mit den luftgefederten Flexx-Compact-Drehgestellen von Bombardier ausgestattet, sie verleihen den Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Nur jedes zweite Drehgestell ist mit Magnetschienenbremsen ausgestattet. Das genügt auch, schließlich ist ein Married-Pair-Wagen selbst voll beladen nicht so schwer wie ein leerer Doppelstockwagen. Auch deshalb benötigen die Married-Pair-Wagen pro Radsatz nur zwei Radbremsscheiben; die Doppelstockwagen verfügen ob ihres höheren Gewichts drei Bremsscheiben auf einer Radsatzwelle. Im Gegensatz zu den DB-Doppelstockwagen wird nicht das Abfertigungsverfahren TAV (der Zug kann sich selbst abfertigen) angewendet; die Wagen werden, ähnlich wie IC- und ICE-Züge, mit seitenselektivem TB0 abgefertigt, hierbei muss stets ein Zugbegleiter den Zug vor der Abfahrt abfertigen. Die Wagen sind außen mit Zugzielanzeigen und innen mit LED-Anzeigen ausgestattet. Ansonsten sind die Wagen technisch stark an ihre doppelstöckigen Geschwistern angelehnt. Allerdings klingen die Bremsgeräte anders.
Mit maximal 86 Sitzplätzen pro Wagen (kaum mehr als ein IC-Großraumwagen) ist die Beinfreiheit großzügig. Bei den Vierersitzen fehlt eine Abstellmöglichkeit.
Hier noch einmal ein Detailbild.
Das Konzept festgekuppelter Garnituren ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Married-Pair-Wagen: Auch der Metropolitan oder der ungleich bekannter Railjet (Siemens Viaggio) setzen auf dieses Konzept, beide sind im Hochgeschwindigkeitsverkehr (der Railjet ist planmäßig mit 230 km/h unterwegs!) zu Hause.
Dieses Bild zeigt gut den Anschlusswagen mit der Lok. Da die speziell für diese Linie gebauten Loks der Baureihe 245.2 große Probleme bereiten, wurde u.a. eine rote BR 245 aus Ulm geliehen.
Im November 2016 führte eine plötzliche Zugtrennung für eine fast beispiellose Abstellung aller 90 Married-Pair-Wagen: Es wurden bei einzelnen Kupplungen Risse gefunden, die eben zu dieser vorsorglichen Abstellung geführt haben. Die Ursachensuche und damit auch die Ursachenbeseitigungen gestalten sich schwierig, so dass erst Ende 2017 mit der Indienststellung aller Wagen zu rechnen ist. Im Zuge des neuen, seit Dezember 2016 geltenden Verkehrsvertrags werden die Wagen mit Steckdosen an allen Plätzen sowie mit WLAN nachgerüstet, um den Komfort dieser Wagen weiter zu erhöhen. Es ist zu erwarten, dass die Married-Pair-Wagen dann endgültig das Farbkleid der NOB (blau-weiß-gelb) verlieren und die sogenannte Nah.SH-Gestaltung erhalten. Bisher wurden nur die Türen türkis beklebt.
Im Gegensatz zu den gefällig wirkenden Married-Pair-Wagen ist die ursprünglich für norwegische Staatsbahn gebaute Lok maximal hässlich.
Ich hoffe, dass der Bericht wieder lesenswert und informativ war!
Vermutlich wird der nächste Bericht die Doppelstockwagen des IC2 näher unter die Lupe nehmen.
Außerdem kann ich freudig mitteilen, dass die benötigten Teile für meinen Steuerwagen demnächst im Briefkasten liegen (ein Dank geht an Justin Pfeiffer!).
Grüße,
Viet