Eigentlich befasst sich dieser Thread hier ja mit "What if"-Lackierungen, da er sonst den Rahmen sprengen würde. Aber dieses Teil ist so creepy, dass ich es Euch einfach nicht vorenthalten wollte. Zumal es auch eine echte "What if" ist - aber eben nicht der Phantasie eines fiebernden Hobbyeisenbahners entsprungen, sondern äußerst realen Überlegungen der DB AG. Wobei man sich schon fragt, was die dabei geraucht haben - zumal es da einige Unstimmigkeiten gibt... Aber dazu später mehr.
Zunächst einmal ein Textauszug aus dem Artikel "Projekte aus der Schublade", erschienen im eisenbahn-magazin 12/ 95, S.16/ 17:
"Parallel zur Testphase der Remo-Loks erarbeitete die DB AG ein Konzept für verschiedene Anwendungsbereiche der Reihen 232/ 234. Neben den Baureihen 232 (120km/h) und 234 (140km/h) sollte auch die Baureihe 236 mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160km/h als Umbaulok entstehen. Ein weiteres Konzept sah die Untergliederung der Baureihe 234 in die Reihe 234 800 für den RegionalBahn-Verkehr mit "Wittenberger Steuerkopf" sowie die Baureihe 234 900 für den InterRegio-Verkehr mit IR-Steuerkopf - identisch dem Steuerkopf des Halberstädter IR-Steuerwagens der Gattung BDimdzf269 - vor. (...) Bei beiden Triebfahrzeug- oder besser gesagt Triebkopftypen sollten die Führerstände der Spenderlokomotiven abgetrennt werden. Führerstand 1 sollte durch den neuen RB- bzw. IR-Steuerkopf, Führerstand 2 durch ein dem Wagenabteil angepaßtes Profil ersetzt werden. Vom Führestand (sic!) 2 - auch als Dienstabteil für Zugbegleiter oder Kurierdienste nutzbar - sollte ein direkter Übergang zum Zug möglich sein. Als Umbaukandidaten sollten Maschinen der Reihe 232 herangezogen werden, die ohnehin schon schwere Unfallschäden im Bereich der Führerstände aufwiesen. Die Modernisierung sollte im Rahmen der Schadgruppe B3 realisiert werden, wobei Mehrkosten nur durch Beschaffung der nötigen Steuerköpfe und des Dienstabteils sowie der nötigen Innenausstattung entstanden wären."
Soweit die Ausführungen im eisenbahn-magazin. Die zwei Illustrationen zum Text, die eine RB mit Ludmilla-Triebkopf in Wittenberger Bauart sowie einen IR mit einem Halberstädter-Triebkopf auf Basis 232 und das Ganze in 86er Produktfarben zeigen dienten mir als Vorlage; das Eisenbahn Journal-Sonderheft zur 232 lag mir leider nicht vor:
Retusche nach einem Originalfoto mit freundlicher Genehmigung der Fa. Roco/ Modelleisenbahn Holding GmbH
Doch grau, mein Freund, ist alle Theorie. So zeigt uns die bahneigene Illustration einen Interregio mit 232-Triebkopf mit durchgängigem oberen Ende des dunkelblauen Fensterbandes, sprich: Die Dachkante liegt bei Wagen wie Lok auf der gleichen Höhe. Kennen die ihre Fahrzeuge nicht? Haben die nie Bilder der 234 304 vor einem Wagenzug gesehen? Oder haben die den Stift zum messen geschickt? In Wirklichkeit ist da - wie man hier z.B. sehen kann - ein satter halber Meter Höhendifferenz! Heißt: Entweder man zieht das obere Ende des Fensterbandes in konstanter Höhe verlängert vom Wagenpark zum Tiebkopf durch. Dann aber verläuft diese Farbtrennkante mittig durch die oberen Lüfter und Maschinenraumfenster der Ex-Ludmilla, was äußerst unvorteilhaft aussieht. Oder das Ganze bekommt einen Knick am Zugbegleiterabteilende, das ohnehin den optischen Übergang vom Russendiesel zum Wagenzug leisten muss und von daher fast schon tütenförmig zu nennen ist. Das Zugbegleiterabteilfenster macht die Höhenproblematik deutlich. Ein durchgängiges Farbband Triebkopf - Wagenzug mit gleichen Farbtrennkantenhöhen ist schlichtweg unmöglich.
Oder man zieht das blaue Fensterband der Wagen bis in den Dachbereich hoch. Das aber bedeutete, dass nur so lackierte Interregiowagen zusammen mit den Ludmilla-Triebköpfen eingesetzt hätten können, was einem freizügigen Fahrzeugeinsatz zuwidergelaufen wäre. Der bahneigene Grafiker hat diese Problematik übrigens sehr kreativ gelöst: Beim zwischen Triebkopf und Steuerwagen laufenden Wagen endet das dunkelblaue Farbband links oberhalb des oberen Endes des Gummiwulstübergangs - also passend zum Triebkopf - , und rechts unterhalb des oberen Abschlusses des Gummiwulstes, also passend zum Steuerwagen. Geht doch! Was nicht passt... Übrigens: Auch wie ein höhengleicher Übergang vom Ludmilla- zum Steuerkopfdach, wie ihn der Grafiker gebastelt hat, hinzubekommen gewesen wäre bleibt sein Geheimnis; auch an dieser Stelle ergibt sich eine Höhendifferenz von rund einem halben Meter.
Als Interregio-Triebkopf müsste das Teil eigentlich die Baureihenbezeichnung 234 900 tragen. Da diese aber eine Übersetzung für 160km/h erhalten sollten, wäre aus der 234.9 eine 236.9 geworden. Wenn das die alte WR360 C 14 noch erlebt hätte, dass ihre Baureihenbezeichnung mal auf einen 3000PS starken, 160km/h schnellen Russendiesel übergehen würde...!
So weit, so gut. Ich habe zwar versucht möglichst maßstäblich zu arbeiten um - im Unterschied zur DB-Grafik - einen möglichst realistischen und nicht "hingeschönten" Eindruck des IR-Ludmillatriebkopfes zu erhalten. Falls dennoch ein Wahnsinnger da draußen sitzt der meint das Teil in HO realisieren zu müssen bitte ich dringend darum, vor dem ersten Sägeschnitt ordentlich Maß zu nehmen. Ich will nicht schuld sein wenn Ludmilla und Steuerkopf seziert auf dem Basteltisch liegen und nichts passt. So einfach, wie sich der DB-Grafiker anno 1992 das Ganze vorgestellt hat, ist es eben nicht - ohnehin habe ich das Gefühl wäre es zu diesen Umbauten gekommen, hätte sich das AW Cottbus zur Expertenhochburg für Puzzlearbeiten entwickelt..!
Immerhin: Jetzt haben wir eine realistische Vorstellung davon, wie der Ludmilla-IR-Triebkopf, wenn's ihn denn je gegeben hätte, dahergekommen wäre. Vielleicht geb' ich mir den RB-Wittenberger-Triebkopf auch noch, aber da muss ich schon - angesichts des Arbeitsaufwandes - mächtig gut drauf sein. Ob er gefällt oder nicht, überlasse ich Euerer Entscheidung. Aber wer sagt, das Teil hätte er nicht gerne einmal in Aktion erlebt, der lügt...!
Grüße!
Christian