Eine Vorbemerkung zu den weiteren Teilen meines OL-Berichts: Meine Angaben beziehen sich auf die Oberleitung der DB, ca. in den Epochen II bis IV. Oberleitungen für die heutigen Hochgeschwindigkeitsstrecken sind grundsätzlich ähnlich, aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Und bei anderen europäischen Bahngesellschaften sehen die Oberleitungen z. T. ganz anders aus - besonders prägnant in der Schweiz.
Im ersten Teil des Berichts hatte ich bereits angesprochen, dass bei der großen Bahn die Oberleitung gespannt werden muss - sie würde sonst erbarmungslos durchhängen. Bei der DB geschieht das Spannen durch Steine mit einem Gewicht von 333 kg. Diese wirken über eine 3:1-Übersetzung durch Hebel oder Rollen auf Fahrdraht bzw. Tragseil, sodass sich eine Spannlast von 1 t ergibt. Bei der Modellbahn geht das leider nicht: Wenn man die Gewichtssteine z. B. für H0 maßstäblich verkleinern würde, würde dieses "Modellgewicht" nur noch 0,5 g wiegen ... Bei Sommerfeldt erfolgt die Spannung daher durch Zugfedern, die in den Steinattrappen der Spannwerke (Hebel- oder Radspannwerk) verborgen sind.
Da das Gewicht der Oberleitung der Spannkraft entgegenwirkt, muss die OL in regelmäßigen Abständen erneut gespannt werden. Dieser Abstand beträgt bei der DB max. 1,5 km. Und damit nun nicht zwei Spannwerke direkt gegeneinander arbeiten, wird in der Mitte ein Mast als Festpunkt bestimmt. Der Ausleger dieses Masts wird über zwei Seile mit den Nachbarmasten links und rechts verbunden.
Im Unterschied zu den nahtlosen Schienen besteht also die Oberleitung aus lauter einzelnen Stücken von max. 1,5 km Länge - mit einem Spannwerk an jedem Ende und einem Festpunkt in der Mitte.
Der Grund, warum ich diese Informationen an den Beginn des Berichts "OL gerade Strecke" stelle? Wer nur wenige Meter Gleis zu überspannen hat, kann natürlich Masten stellen, Fahrdrähte dranhängen und fertig. Bei längeren Strecken sieht das allerdings langweilig aus - und auch irgendwann unglaubwürdig: Wir bauen ja Modellbahn - und orientieren uns am großen Vorbild, oder?
Nun aber zur eigentlichen Planung der Oberleitung für eine gerade Strecke.
Ich gehe davon aus, dass die Länge der Strecke bekannt ist. Sie muss nun in Abschnitte unterteilt werden, die jeweils der Länge eines Fahrdrahtstücks entsprechen. Am besten sieht die OL natürlich aus, wenn man die längsten Fahrdrähte verwendet. Bei Sommerfeldt gibt es 500 mm lange Drähte; die haben aber den Nachteil, dass sie von den Pantos doch stärker nach oben gedrückt werden. Ich habe daher mit 375 und 360 mm Länge gearbeitet - und natürlich mit den einseitig offenen Drähten, die 450 mm lang sind.
Wichtig ist eine gute Aufteilung: Wenn man 2 m Strecke zu elektrifizieren hat, sieht es blöd aus, wenn man 5 Fahrdrähte von 360 mm setzt - und am Ende einen von nur 200 mm.
Und - ebenfalls wichtig: Will ich eine Nachspannstrecke haben, muss das von vornherein eingeplant werden - es sind dann Abspannmasten erforderlich, und die Fahrdrahtverlegung ist deutlich komplexer. Einen Festpunkt kann man ggf. noch nachträglich einbauen.
Bei der Modellbahn ist es gut, einen Startpunkt zu haben für den Bau der Oberleitung. Meine Paradestrecke beginnt und endet jeweils in einem Tunnel. Daher habe ich Anfang und Ende der Oberleitung in diesen Tunnels versteckt:
Diese Holzrahmen sind stabil gebaut, da sie ja die Spannkräfte der OL aufnehmen müssen. Die rechts sichtbaren "Hörner" sind jeweils mit einem Stück 2 mm-Messingdraht unterlegt und dienen zum Einfädeln der Pantos. Die linke Querleiste führt Fahrdraht und Tragseil in der richtigen Position nach links auf die Strecke; an der rechten Leiste sind die beiden Drähte so befestigt, dass ein Längenausgleich möglich ist:
Beide Drähte enden in einem Stück des bereits genannten MS-Drahts, auf dessen anderes Ende jeweils M 2-Gewinde geschnitten ist. Ebenfalls zu sehen ist die Stromzuführung :).
Hinter der Querleiste sorgen Scheiben und Muttern für den Längenausgleich.
Die Masten werden unter Verwendung der Montagelehre gesetzt - immer abwechselnd einer mit kurzem und einer mit langem Ausleger. Bei zweigleisigen Strecken ist zu beachten:
- Die Masten für die beiden Gleise stehen sich, wo immer möglich, genau gegenüber
- und haben immer verschiedene Ausleger (einer kurz, einer lang) - dadurch wird erreicht, dass der Zickzack der beiden Fahrleitungen immer parallel verläuft.
An einer Stelle kam ich mit Masten nicht weiter: Meine große Brücke ist mit 390 mm Länge länger als der längste Fahrdraht. Also habe ich in die Brücke einen OL-Stützpunkt eingesetzt:
Dieser besteht aus einem Doppel-T-Träger aus Ms und einem Stück meines 2 mm-Drahts . Komplettiert wird das ganze durch eine Öse am Träger (für die Tragseile) und einem Seitenhalter aus Sommerfeldt-Draht mit Isolator.
Masten in der Ebene benötigen bei der Sommerfeldt-OL nur eine Bohrung in der jeweiligen Platte; die Sockelschraube wird durchgesteckt, Scheibe und Mutter drauf, und fertig. Meine Paradestrecke verläuft allerdings durchgehend mit etwa 2% Steigung - kein einziger Mast würde senkrecht stehen.
Als Abhilfe habe ich für jeden Mast ein waagerecht ausgerichtetes Klötzchen außen am Trassenbrett angebracht:
... verleimt für die Streckenmasten
... verleimt und zusätzlich verschraubt für die Abspannmasten.
Bei diesem Mast ist zu sehen, dass ich mit einer Unterlage der senkrechten Stellung noch etwas auf die Sprünge helfen musste.
Und ja, meine Paradestrecke ist so lang, dass ich beides eingebaut habe:
Eine Nachspannstrecke (am rechten Ende der Paradestrecke - die ersten beiden Abspannmasten sind bereits auf dem ersten Foto zu sehen)
... und einen Festpunkt (am linken Ende der Strecke).
Zwischen den Spannwerken und dem fixierten Ausleger des Festpunkts liegen zwölf Felder (vulgo "Fahrdrähte" ...).
Als nächster Teil folgt die Überspannung gebogener Gleise.
Gruß,
Rainer