Liebe Leser,
unser Verein hat die Möglichkeit, einen alten S-Bahn-Wagen der Berliner S-Bahn mit einer Modelleisenbahnanlage auszubauen. Selbstverständlich bauen wir nicht einfach drauf los, sondern machen vorher einen Versuch, um Bauweisen, Gleismaterial, Steuerprogramm und Digitalkomponenten zu testen. An diesem Versuch möchten wir Euch hiermit teilhaben lassen.
Als ersten Versuch haben wir Segmentkästen gebaut und in ein vorhandenes Kragarmregal eingepasst. Dadurch hatten wir eine Länge von knapp 4 m bei einer Breite von 60 cm. Im Baumarkt gibt es fertig zugeschnittene Sperrholzplatten mit einer Abmessung von 60 x 120 cm bei 12 mm Dicke. Diese bilden die Basis. Daraus haben wir also 10 cm hohe Kästen gebaut und diese miteinander verschraubt. Das funktioniert recht gut und ist auch stabil, aber der Bauraum unter den Kästen ist zu niedrig, um Weichenantriebe einzubauen. Bei der „richtigen“ Anlage werden die Segmente also höher. Prinzipiell funktioniert es aber, Segmentkästen aus Sperrholz zu bauen und miteinander zu verschrauben. So kann Segment für Segment fertiggestellt werden und ergibt zusammen dann auch eine große Anlage, die aber auch wieder zerlegbar ist.
Die Auswahl des Gleissystems war unheimlich schwer. Zu Wahl standen Roco Line, was 10-Grad-Weichen und DKW bietet und an sich sehr robust ist und Tillig Elite, welches 6,34-Grad-Weichen anbietet. Da wir auf der Ausstellungsanlage einen wirklich existierenden Bahnhof nachbauen wollen, haben wir uns für Tillig Elite entschieden, weil die langen Weichen mit einem Winkel von 6,34 Grad und 2200 mm Radius einer Länderbahnweiche 190 1:9 entsprechen. Länderbahnweiche deshalb, weil keine Doppelschwellen verbaut sind. Der optische Eindruck ist hervorragend. Die Gleise sind aber sehr filigran und müssen entsprechend vorsichtig verlegt werden. Aufgabe war nun, eine 10 Grad DKW von Roco zu implementieren, was mit kurzen Zwischenbögen gut gelungen ist. Alle Weichen im sichtbaren Bereich haben Unterflurantriebe von mtb. Wir haben vorher mit Tillig-Antrieben experimentiert und sie wieder ausgebaut. Sie sind zu labil und schwer einzustellen. Die Antriebe von mtb laufen innerhalb von 2 bis 3 Sekunden um und sind fest auf einen Stellweg von 3 mm einstellbar. Wir haben die Antriebe direkt unter der Platte montiert und die Gleise direkt darauf. Bei 12 mm dicker Anlagenplatte empfiehlt es sich, den mitgelieferten Stelldraht gegen einen 0,8 mm Messingdraht zu tauschen. Es federt noch genug und Weiche und Antrieb werden nicht so gequält. Die Antriebe haben eine Endabschaltung und einen Umschaltkontakt, den man zur Stromversorgung der Tillig-Weichen nehmen kann. Die mtb-Antriebe gibt es auch mit Steckanschluss und zusätzlichem Umschalter, zum Beispiel für Rückmeldung. Wir haben die einfache Variante genommen, werden aber für die Ausstellungsanlage auf die Variante mit Steckanschluss zurückgreifen, weil unter der Anlage Drähte in die kleinen Klemmlöcher einfädeln eine Strafarbeit ist. Es gibt in einem Internetforum einen Versuch, daß dieser Antrieb etliche tausend Schaltspiele aushält. Wir denken, daß der Antrieb robust ist und ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat.
Für den Schattenbahnhof verwenden wir Piko A mit originalen Antrieben. Es ist ein sehr robustes und preiswertes Gleissystem. Die Antriebe schalten zuverlässig und die Fahrzeuge fahren seidenweich auch über abzweigende Weichen.
Als Neueinsteiger und mit der Prämisse, Programme für die zukünftige Vereinsanlage zu testen, haben wir uns mit iTrain beschäftigt. Insbesondere ist das Programm mit TC und Rocrail verglichen worden. Da wir schnell ein Ergebnis brauchen und ein zuverlässiges und leicht bedienbares Programm, fiel Rocrail schon mal raus, da wir da doch tiefergehende Computerkenntnisse benötigen würden und der Einarbeitungsaufwand sehr hoch ist. Bei TC gefiel uns die zeitlich begrenzte Demo nicht, in 15 Minuten haben wir noch nicht mal alle Rückmelder einprogrammiert. Ausserdem ist das Positionieren der Rückmelder in iTrain deutlich besser gelöst. TC verlockt natürlich mit unheimlich vielen Möglichkeiten. Die brauchen wir auf der Ausstellungsanlage aber gar nicht. Es gibt einen Fahrplan und eine Bahnhofsfahrordnung. Das bedeutet einen relativ starren Programmablauf. Dafür ist iTrain ideal. Selbstverständlich sind auch bei itrain Spontanfahrten möglich, auch mit automatischem Suchen des Fahrweges. Möglich ist es auch, in einem Bereich der Anlage nach Herzenslust zu rangieren, während der Rest automatisch fährt. Mehr brauchen wir gar nicht und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr fair. Das Programm werden wir also kaufen (haben im Moment die 8-Wochen-Demo).
Man kann Einsteigern mit ein paar Kleinigkeiten den Einstieg erleichtern. Wir hatten beim Zeichnen das Problem, daß das Grundraster 10x20 zu klein war. Wir dachten, das wäre eine Einschränkung der Demo. Ist es aber nicht. Mit Alt + Pfeiltasten kann man es ja bekanntlich vergrößern oder verkleinern. Wenn man vorher einmal in das Raster geklickt hat. Wäre schön, wenn diese Info dann auch im Handbuch wäre.
Oft haben wir beim Probieren das Problem, daß wir zwar Loks über die Anlage fahren können, aber iTrain keine Route findet. Eine Route wäre von der Position nicht möglich. Nach etwas Nachdenken fanden wir die Lösung: Wir zeichnen ja unseren Gleisplan, positioniere die Blöcke, Melder und Weichen (meinetwegen auch die Signale) und fange dann an, Namen zu vergeben. Als erstes bekommen die Melder Namen, im konkreten Beispiel Buchstaben. Dann werden die Weichen mit W… durchnummeriert, die Signale mit S… und die Blöcke mit einfachen Zahlen. Gleiche Namen für unterschiedliche Elemente mag iTrain nicht. Bei den Blöcken lassen wir weitestgehend automatisch ausfüllen. Jetzt kommt der tricky-part: Man muss damit ja irgendwo anfangen und der betreffende Block weiss ja nicht, was vorher oder nachher kommt. Also funtioniert nach dem ersten Durchgang "autmatisch ausfüllen bei allen Blöcken“ noch kein Routen. Wir gehen dann ein zweites Mal mit „automatisch ausfüllen“ durch alle Blöcke und siehe da, die Einträge ändern sich teilweise noch und im Anschluss funktioniert alles. Das ist eigentlich ein logisches Problem, aber man muss erst einmal drauf kommen. So wurde uns natürlich einiges klar.
Auch ist es wichtig, bei richtungsgebundenen Gleisen jedem Block in dem Gleis mitzuteilen, daß er nur in einer Richtung befahren werden darf. Andernfalls kommt es zu unvorhersehbaren Routen. Für die Ausstellungsanlage ist es wichtig, in einem mehrgleisigen Schattenbahnhof die Gleise in mehrere Blöcke zu unterteilen und den Zug nachrücken zu lassen, wenn ein davor befindlicher Zug ausfährt.
Die Versuchsanlage hat auch die Aufgabe, bestimmte Betriebsabläufe der späteren Steuerung probieren zu können. So sollen zum Beispiel ein Wendezug und andere Züge nach Fahrplan fahren bzw. Rangierfahrten teilautomatisch stattfinden.
Nachdem das iTrain so funktionierte, wie wir uns das vorstellten, konnten wir die Versuchsanlage aufbauen und die Digitalkomponenten anschliessen und probieren. Wir haben uns für eine Lenz-Zentrale mit Handsteuergerät entschieden, das dazu passende LAN-Interface angeschlossen und zwei Magnetartikeldecoder eingebaut. So können wir 12 Weichen ansteuern. Das gab dann auch sofort ein Problem, weil nach einer Überlastung der Decoder abgeschaltet hat. Soweit ja in Ordnung. Nur: Nach Beseitigung der Fehlerquelle muss der Lenz-Decoder komplett von der Spannung genommen werden. Das ist natürlich für die spätere Ausstellungsanlage sehr unpraktisch. Also suchten und fanden wir durch Zufall eine bessere Lösung. Für die automatische Steuerung muss der Computer ja wissen, welche Gleisabschnitte belegt sind und kann so idealerweise ein Fahrzeug über die Anlage verfolgen und weiss daher, welches Fahrzeug wo ist. Dazu sind jede Menge Gleisbesetztmelder erforderlich und bei den bekannteren Anbietern kosten die echtes Geld. Dann haben wir die Firma mktw-Elektronik entdeckt. Die haben für die Rückmeldung ein cleveres System entwickelt. Und zwar haben sie ein Mastermodul, welches die Verbindung zwischen dem RS-Bus, beispielsweise der Lenz-Zentrale und auf der anderen Seite den einzelnen Rückmeldern herstellt. Dieses Mastermodul hat bereits 8 digitale Eingänge, an denen Taster, Schalter, Reedkontakte usw. angeschlossen werden können. Das Mastermodul kostet derzeit 44,-- Euro. Über ein Bussystem können bis zu 6 weitere Module angeschlossen werden. Wir haben eine 16-fach Gleisbesetztmeldung verwendet, die derzeit 55,-- Euro kostet. Damit kostet ein Gleisbesetztmeldeabschnitt uns 6,19 Euro. Wenn wir später ausbauen, können insgesamt 6 Module an einen Master angeschlossen werden, was uns 96 Gleisbesetztabschnitte ermöglicht. Der Preis für einen Abschnitt sinkt dann auf 3,90 Euro. Die Teile werden einfach zusammengesteckt und beispielsweise auf ein Brettchen geschraubt. So haben wir das gemacht. Der Anschluss erfolgt kinderleicht über Federklemmen. Alle Eingänge sind mit Status-LED am Modul überwacht. Das Programmieren der Adressen geht anwenderfreundlich über ein USB-Modul, das man für wenig Geld bei der Firma bekommt. Übrigens werden die Fahrzeuge beim Einfahren in einen überwachten Abschnitt nicht langsamer, weil kein Spannungsabfall über die üblicherweise verwendeten Dioden stattfindet. Ein besseres System haben wir auf dem Markt noch nicht gefunden. Weiterhin, und das haben wir leider erst nach dem Kauf der Lenz-Magnetartikeldecoder festgestellt, produziert mktw-Elektronik auch 8-fach Magnetartikeldecoder für derzeit 49,-- Euro. Die können überall auf der Anlage positioniert werden, sie benötigen nur die Wechselspannung vom Trafo und eine Verbindung zum JK-Bus. Diese Verbindung kann direkt von den Schienen abgenommen werden, wodurch man sich Verdrahtungsaufwand spart. Der Anschluss erfolgt wieder über Federklemmen. Die Decoder können von der Schaltdauer relativ frei programmiert werden, so daß man sie an Spulenantriebe, aber auch an Motorantriebe anpassen kann. Ausserdem können Sie auf Dauerstrom eingestellt werden und können dann Lichtsignale schalten, ohne daß Relais zwischengeschaltet werden müssen. Auch diese Decoder lassen sich sehr leicht mittels des USB-Wandlers programmieren. So können die Adressen sehr einfach eingestellt werden. Die Adresseinstellung ist bei den Lenz-Decodern allerdings auch sehr einfach. Nur haben die eben nur 6 Ausgänge und sind teurer. Bei den mktw-Decodern fällt auf, daß sie nach Überlastung oder Kurzschluss sofort nach Beseitigung der Störung wieder arbeiten. Die Versorgungsspannung muss nicht unterbrochen werden. Das ist natürlich für einen Ausstellungsbetrieb sehr praktisch.
Damit haben wir die wesentlichen Erfahrungen gesammelt, im Frühjahr mit dem Bau unserer Ausstellungsanlage beginnen zu können. Fassen wir zusammen:
- Segmentbauweise mit Kästen aus 12 mm Sperrholz
- Gleissystem Schattenbahnhof Piko A
- Gleissystem sichtbarer Bereich Tillig Elite und die DKW von Roco
- Steuerungssoftware iTrain
- Zentrale Lenz
- Rückmelder und Magnetartikeldecoder mktw-Elektronik
Fahrzeuge verwenden wir im Moment von Roco und von Piko. Da wir Reichsbahn Epoche 3 fahren, gibt es genug Auswahl, die durch Fahrzeuge von Tillig und Fleischmann noch ergänzt werden kann.
Nun freuen wir uns auf das Frühjahr, wenn wir den S-Bahn-Wagen leermachen und mit dem Aufbau der Ausstellungsanlage beginnen.
viele Grüße
Mario