Liebe Modellbahnfreunde
Gestern hat mir EYRO Artikel Tillig 74199 "Doppelstockwagenset" der S-Bahn Zürich geliefert. Jetzt sind alle Wagentypen der originalen Komposition im exakten Längenmassstab 1:87 erhältlich. Schön, dass sich endlich ein Hersteller der massstäblichen Zürcher S-Bahn-Komposition angenommen hat. Auf den seit ein paar Jahren in immer mehr Kompositionen eingereihten NDW-Wagen müssen wir aber noch warten ... Ein Grossserien-Modell ist m.W. noch nicht angekündigt.
Der AB-Wagen weist eine geänderte Fenstereinteilung und im Innern des 1. Klassabteils eine angepasste Inneneinrichtung (grösserer Sitzabstand) auf. Er entspricht dem bekannten 2. Klass-Wagen, ist aber mehr als nur eine Beschriftungsvariante.
Der Steuerwagen Bt ist eine echte Formneuheit. Mir gefällt er ausgezeichnet - das Nietenzählen muss ich jedoch Anderen überlassen. Helle LED's sorgen für eine gut sichtbare Stirn-/Schlussbeleuchtung. Für den Digitalbetrieb ist eine 8-polige Schnittstelle nach NEM 652 vorhanden. Sie befindet sich an der Rückwand der Führerstands-Inneneinrichtung und wird zugänglich, wenn man das Gehäuse über den Drehgestellen aushebelt. Geht sehr gut - auch der Zusammenbau. Das Ausrasten der Führerstands-Inneneinrichtung ging bei mir allerdings nicht so einfach, wie's in der Gebrauchsanleitung steht. Mit etwas Geschick kann man jedoch auch einen Dekoder einstecken, ohne den Führerstand herausgenommen zu haben.
Dass der Steuerwagen nur im Duopack mit dem 1./2. Klasswagen erhältlich ist, kommt keinesfalls einer Nötigung des Kunden gleich, gab es doch die AB-Wagen bisher noch nicht. Wer also einen massstäblich langen Steuerwagen braucht, möchte wohl auch einen gleich langen AB-Wagen anschaffen. Zweitklasswagen waren von Tillig schon früher erhältlich - und können dieses Set zu einer vollständigen Komposition verlängern.
Für den AC-Betrieb sind die Achsen selbst bei Verwendung von Märklin C-Gleis etwas zu breit und streifen z.T. am Herzstück von Weichen. Das muss durch vorsichtiges Zusammenschieben korrigiert werden. Passende AC-Radsätze gibt es laut Tillig nicht. Die grossen Spurkränze von AC-Achsen scheinen wohl ein Problem zu sein. Ist der Radabstand korrigiert, stelle ich auf C-Gleis mit DC-Achsen jedoch keine Probleme fest.
Ich habe die Beleuchtung meines Steuerwagens noch auf AC umgebaut. Auf die Drehgestelle passt ein Roco-Flüsterschleifer 40500. Ich habe mich für das nicht unter dem Steuerabteil liegende Drehgestell entschieden, weil so nach meinen Erfahrungen die Entgleisungssicherheit von AC-Steuerwagenmodellen bei geschobenem Betrieb etwas besser ist. Da ich im Bereich des Drehzapfens keine Schraube eindrehen wollte, habe ich den Schleifer mit Sekundenkleber befestigt. Über dem Schleifer-Drehgestell habe ich am Kontaktblech im Wageninnern das rote Kabel abgelötet und direkt mit dem Schleiferkabel verbunden. Das Radkontaktblech, an dem ich das rote Kabel abgelötet habe, habe ich dafür mit dem mit schwarzem Kabel versehenem Blech nebenan verbunden. Das mit dem roten Kabel verbundene Schleiferkabel wird ohne Veränderung des Lieferzustandes unter der Inneneinrichtung auf die Stirnseite des Wagens geführt.
Die Verkabelung über dem Schleifer-Drehgestell im Originalzustand. Das gegen links wegführende rote Kabel wird abgelötet und mit dem Schleiferkabel verbunden. Rotes und schwarzes Kontaktblech werden miteinander verbunden. Nach rechts führen die Kabel zur konstruktiv vorbereiteten 2-poligen Kurzkupplung.
Wer die Kontakte für eine vorgesehene zweipolige Kupplung am Wagenende mit Gummiwulst nutzen möchte, muss hier aber noch die rote Kabelverbindung zum grossen Kontaktblech im Wageninnern anders anschliessen. Daran habe ich nichts geändert, weil ich diese zweipolige Kupplung - zumindest vorläufig - nicht brauche.
Im Wageninnern unter dem Führerstand, Originalzustand. Das sieht nach dem Umbau gleich aus. Auf der rechten Seite sind die beiden grossen Kontaktbleche mit der Wagenunterseite verbunden (Umbiegung ansatzweise sichtbar). Beim "roten" Kontaktblech (entspricht TRKR) ist jedoch die Fortsetzung auf die Wagen-Unterseite gegen das Drehgestell hin (wo die entsprechenden Radschleifer berühren) abzutrennen.
Auf der Führerstandsseite sind die AC-Modifikationen etwas umfangreicher. Das Radkontaktblech im Wageninnern mit rotem Kabel muss den Kontakt vom Schleifer auf den Führerstand übertragen. Es ist jedoch zwingend erforderlich, auf dieser Seite die Verbindung mit dem Blech auf der Wagenunterseite zu trennen (Blechverbindung durchschneiden), sonst gibt's einen Kurzschluss! Man könnte auf der Unterseite das vom Wageninnern abgetrennte Kontaktblech noch mit der Gegenseite (Blech mit schwarzem Kabel) verbinden, was aber zur Kontaktsicherheit nicht zwingend nötig ist - zumindest bisher. Wer diese Verbindung herstellen will, der sei ausdrücklich vor Löten gewarnt, denn die direkt angrenzenden Kunststoffteile könnten evtl. schmelzen. Da müsste eine provisorische Hitze-Isolation eingefügt werden, aber es scheint mir trotzdem heikel. Ich als Nicht-Löt-Profi würde wenn schon eher eine Blech-Kontaktbrücke mit Isolierband aufkleben.
Nun muss noch ein Dekoder mit 8-poligen Stecker eingefügt werden, und fertig ist der schöne Steuerwagen für AC-Betrieb.
Das stirnseitige Drehgestell von unten. Das "rote" Kontaktblech auf der Wagenunterseite (Bleche schimmern hier hinter dem Drehgestell knapp metallisch durch) darf nicht ins Wageninnere verbunden sein. Evtl. könnte man hier unten die beiden Bleche noch verbinden. Das Bild zeigt den montierten NEM-Kupplungsschacht und die offene Frontschürze - nötig für das beim Vorbild häufige Zusammenkuppeln zweier Kompositionen.
Am Stirnende kann die geschlossene Frontschürze durch eine offene ersetzt werden. Dann ist die Montage eines NEM-Schachtes möglich, um zwei Kompositionen zu verbinden (die HAG-Lok kann auch so zugerüstet werden). Bezüglich Funktionalität büsst man also gegenüber den Wagenmodellen von Fleischmann nichts ein. Solche Doppelkompositionen habe ich aber mit den Tillig-Wagen noch nicht im Fahrbetrieb getestet, weil ich keine zwei genau gleich schnell laufenden Zugloks Re 450 habe - da werde ich noch exakt gleiche Dekoder einbauen und identisch programmieren müssen. Was mir im Hinblick auf Doppeltraktionen noch aufgefallen ist: Die stirnseitige Kupplungsdeichsel ist etwas dünn geraten und somit möglicherweise bruchgefährdet. Wenn Wagen zwischen zwei HAG-Loks eingereiht sind, scheinen mir auf die Kupplungen recht grosse Kräfte zu wirken. Aber Tillig ist mir als Hersteller mit gut funktionierendem Ersatzteilservice bekannt. Und sollten wiederholt Kupplungsdeichseln brechen, wäre es sicher möglich, dieses Teil in gröberer Ausführung neu zu konstruieren.
Also: Rundum erfreuliche Modelle, auf die Schweizer Modellbahner, die Wagenmodelle im exakten Längenmassstab bevorzugen, lange gewartet haben. Ein grosses Lob an Tillig. Wäre das vielleicht Ansporn, den neueren Zwischenwagen auch noch ins Programm aufzunehmen? Oder könnte allenfalls Piko sein deutsches Wagenmodell entsprechend anpassen? Scheint mir recht ähnlich auszusehen ...
Ich wünsche euch viel Spass mit den exakt massstäblichen Wagenmodellen der Zürcher S-Bahn.