RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#1 von oldtimemoba ( gelöscht ) , 13.06.2015 17:10

Hallo an alle Forummitglieder,

bei der Rechersche über eine geplante Moba-Kleinbahn bin ich auf einen Spezialzug der Firma Haniel & Lueg gestoßen,
welcher zum Transport von Cuvelageringen benutzt wurde.
Diese Ringe wurden zum Abteufen von Bergwerksschächten in wasserführenden Gesteinschichten benötigt und konnten auf den Spezialwagen in einem Stück geliefert werden.
Nach nur wenigen vorliegenden Bildern und Infos (ich habe leider keine Rechte an diesen Bildern, kann sie also nur ggf. als PN übermitteln) bestand die immer aus max. 6 Einheiten und durfte nur Sonntags fahren.
4 dieser Einheiten bestanden, wie ich das sehe, aus ehemaligen preußischen St - Augsburg Kabeltrommelwagen überwiegend mit Bremserhaus, bei denen teilweise der "Korb" in der Mitte entfernt wurde und die seitlich evtl. mit U-Profilen verstärkt wurden.
2 Transporteinheiten bestanden m.E. aus je einem HHrsz-Hsz Pärchen (preußen oder bayern?), welche über die Drehschebel mit Doppel-T-Profilen verbunden waren und zwischen denen die cuvelageringe ähnlich wie in den St-Wagen aufgehängt waren. Die Puffer scheinen auf den Innenseiten dieser Pärchen jeweils abgebaut worden sein.
Hatten diese Pärchen evtl. auch die Aufgabe die Ringe zudrehen und abzusetzen, oder warum diese aufwändige Konstruktion?
Diesen Spezialzug hat es mindestens 1x, evtl. zweimal gegeben, da auf meinen Bildern unterschiedliche St-Wagen verwendet wurden, aber immer 2 dieser Sonderbauart.
Ich wäre für jede weitere Information dankbar, auch über PN.

Viele Grüße
Henning


oldtimemoba

RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#2 von Sgns 691 , 27.06.2015 19:57

Hallo Henning,

wie in deinem Planungsthread bereits angekündigt, heute nun meine Rechercheergebnisse zu den Haniel & Lueg Sonderzügen:

Der erste Bohrschacht nach System Kind-Chaudron wurden 1852 auf der Zeche Dahlbusch in Westfalen über 100 m tief mit einer Cuvelage von 3,65 m lichter Weite ausgeführt [3]. Die dafür benötigten Cuvelageringe wurden aus Frankreich per Flußkahn und Eisenbahn importiert [1]. In Deutschland erfolgte die Herstellung von gusseisernen Cuvelageringen (zunächst ebenfalls mit einer lichten Weite von 3,65 m und einer Höhe von 1,50 m) ab 1875 durch Haniel & Lueg in Düsseldorf-Grafenberg [5]. Der letzte Schacht, der in Deutschland durch Haniel & Lueg nach dem Kind-Chaudron-Verfahren niedergebracht wurde, war Glückauf-Sarstedt [15]. Die Bohrarbeiten dauerten vom 28. Dezember 1904 bis zum 5. November 1907. Als Cuvelage wurden allerdings bereits gusseiserne Tübbings eingebaut.
Die älteste Erwähnung zu den Spezialtransportwagen, die ich gefunden habe, ist in "Stahl und Eisen" 1893 [2]. Dort wird berichtet, daß mit der Vergrößerung des Durchmessers der Cuvelageringe von 3,65 m auf 4,10 m neue Eisenbahnwagen benötigt wurden. Es heißt dort wörtlich: "Für die Transportwagen genügte bisher eine Tragfähigkeit von 11 500 kg, jetzt sind Specialeisenbahnwagen für 20 000 kg Tragkraft in Auftrag gegeben worden". Es hat also zeitlich nacheinander verschiedene Wagen gegeben. Der Wechsel auf die neuen Wagen dürfte Ende 1893/Anfang 1894 stattgefunden haben.
Die älteste zeichnerische Darstellung, die ich finden konnte, ist in "Dinglers Polytechnischem Journal" vom März 1894 [3]. Sie zeigt einen Wagen, bei dem der Cuvelagering von Tragebändern gehalten wird. In einer Haniel & Lueg-Firmenschrift von 1896 [4] findet man eine weitere zeichnerische Darstellung. Es ist eine Wagengruppe, bestehend aus 5 Wagen, davon einer mit Tragekorb und alle anderen mit Tragebändern. Durch die Darstellung von schräg oben lassen sich etliche Details auf den Wagen erkennen.
Ein erstes Photo gibt es in der Haniel & Lueg-Denkschrift von 1899 [5]. Es zeigt den auch von dir beschriebenen 6-Wagen-Zug mit zwei Drehschemelpaaren. Einen gleichen Zug, jedoch vom Zugende aus gesehen, kann man in dem Buch über "Die Entwickelung des Niederrheinisch-Westfälischen Steinkohlen-Bergbaues in ..." von 1903 sehen [6]. Mir fällt auf, daß in diesen beiden Zügen keine Wagen mit Tragekorb vorhanden sind. Sind auf deinen Bildern die Drehschemelwagen und die Wagen mit Tragekorb im gleichen Zug zu sehen?
Bei den beiden Drehschemelwagenpaaren vermute ich, daß sie für den Transport der ebenfalls erwähnten 4,40 m/4,78 m-Ringe [5,12] mit ihrem noch höheren Gewicht angeschafft wurden. Natürlich liefen sie dann auch in den Zügen mit 4,10 m-Ringen mit. Wie einige Firmenschriften zeigen, war übrigens der Transport von, zwischen zwei Drehschemelwagen eingehängten, übergroßen Ladungsstücken nicht so selten [7,8].
Beispielzeichnungen für die zweiachsigen Wagen findet man im "Verzeichnis der in den Wagenpark der Deutschen Reichsbahn eingestellten Wagen für außergewöhnliche Transporte" [13]. Die Drehschemelwagen sind in den "Musterzeichnungen für Betriebsmittel der Preussischen Staatseisenbahnen" dargestellt [11].
In der "Zeitschrift für angewandte Chemie" von 1907 wird das Abteufens des Schachts Hildesia beschrieben [9]. Aus Fig. 4 (S.1225) und den Angaben auf Seite 1226 ergeben sich für die Cuvelageringe ganz unten an der Moosbüchse die folgenden Abmessungen:
Außendurchmesser Da = 4400 mm (H0 = 50,6 mm)
lichte Weite Di = 4020 mm (H0 = 46,2 mm)
Höhe H = 1200 mm (H0 = 13,8 mm)
Wandstärke W = 115 mm (H0 = 1,3 mm).
Die Wandstärke nimmt dann nach oben zu immer weiter ab und aus Fig. 3 (S.1223) ist ersichtlich, daß oberhalb von ca. 200 m dann auch die lichte Weite auf Di = 4100 mm erweitert ist. Die Ringe einer Cuvelage haben also alle den gleichen Außendurchmesser, aber unterschiedliche innere Abmessungen und damit auch unterschiedliche Gewichte. Diese Abmessungen passen gut in das VDEV-Lademaß I [10]. Es bleibt ein Freigang von 150 mm unter den Ringen, was auch mit den Werten von 120 - 180 mm für die Kabeltrommelwagen [13] übereinstimmt.
Aus der angegebenen Länge der Cuvelage von 217 m folgt, daß in Hildesia 180 Cuvelageringe verbaut worden sind. Bei 6 Ringen pro Sonderzug ergibt sich, daß 30 Züge gefahren sein müssen. Aus dem Vortrag in der "Zeitschrift für angewandte Chemie" [7] läßt sich auch der Zeitraum eingrenzen, in dem die Sonderzüge nach Hildesia gefahren sind. Bis 24. März 1904 wurde noch gebohrt. Am 8. April [12] begann der Einbau der Cuvelage und am 24. Juni war bereits die Verfüllung des Ringraums zwischen Cuvelage und Gebirgsstoß fertig gestellt. Die Cuvelageringe müssen also bis Juni 1904 nach Hildesia transportiert worden sein. Da zwischen April und Juni eindeutig weniger als 30 Sonn- und Feiertage liegen, gibt es zwei Möglichkeiten der Transportdurchführung. Entweder es wurden entgegen der Aussage in [6] auch unter der Woche Sonderzüge gefahren oder die Cuvelageringe wurden auf Vorrat antransportiert, d.h. die Transporte begannen bereits vor April 1904 und es gab infolgedessen einen größeren Lagerplatz für die Ringe.
Im Modell, denke ich, wäre ein solcher Lagerplatz mit Kran und weiteren Gerätschaften ein echter Hingucker. Zumindest bei Haniel & Lueg auf dem Werksgelände wurden die Ringe dabei liegend gelagert [5]. Was ich nicht herausgefunden habe ist, wie die Ringe vom Zug oder Lagerplatz zum Bohrgerüst transportiert wurden. Kann man da in deinen Quellen etwas erkennen?
Basis für einen Nachbau der Drehschemelwagen in H0 könnten entweder die Metallbausätze von D.I.T-Modell [11] oder die Kunststoff-Fertigmodelle von Brawa [16] sein. Die Brawa-Modelle sind günstiger, erfordern aber auch deutlich mehr Umbauaufwand. Für die "Kabeltrommelwagen" könnte man ebenfalls die Brawa-Wagen oder aber einige, aktuell nicht lieferbare, Trix-Modelle als Teilelieferanten nehmen.


Quellen in chronologischer Reihenfolge:

[1] Annales des travaux publics de Belgique, Band XXVII, Brüssel 1869, S.146
https://archive.org/stream/annalesdestra...e/n150/mode/1up

[2] Stahl und Eisen, 13. Jahrg., 1.September 1893, S.757
http://delibra.bg.polsl.pl/Content/12546/Vol13_No17.pdf

[3] Dinglers Polytechnisches Journal, Jahrg. 75, Bd. 291, Heft 12, Stuttgart 1894, S.34
http://dingler.culture.hu-berlin.de/jour...j291?p=00000297

[4] Das Schachtabteufen in neuerer Zeit, Haniel & Lueg, Düsseldorf 1896, S.152
http://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd...tleinfo/2971300

[5] Denkschrift zur Feier des 25. Jahrestages der Betriebseröffnung des Werkes von Haniel & Lueg, Düsseldorf 1899, S.68
http://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd...tleinfo/2898125

[6] Die Entwickelung des Niederrheinisch-Westfälischen Steinkohlen-Bergbaues in ..., Springer-Verlag, 1903 (Reprint 2013), S.220
https://books.google.de/books?id=pjrMBgA...epage&q&f=false

[7] Witkowitzer Bergbau- und Eisenhütten-Gewerkschaft, Witkowitz 1903, S.23
https://schlotforum.wordpress.com/2010/1.../vitkovice_023/

[8] Bochumer Verein, Bochum. ohne Ort und Jahr. - Firmenschrift, Bild 6
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,7166554

[9] Zeitschrift für angewandte Chemie 1907, S.1220ff
https://archive.org/stream/bub_gb_d_byAA...ge/n88/mode/1up

[10] Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Dr. Freiherr v. Röll, Berlin - Wien 1915, Band 7, S.45f
http://www.zeno.org/Roell-1912/K/roell-1912--071-0045

[11] Musterzeichnungen für Betriebsmittel der Preussischen Staatseisenbahnen, Blatt II c 11 und II d 9
http://www.muschalek.de/Musterzeichnungen/IId91A.jpg
http://dit-modell.de/GueterwagenHHIIc11.htm
Güterwagen Band 5, Rungen-, Schienen- und Flachwagen, Stefan Carstens, MIBA-Verlag, Nürnberg 2008, S.115f

[12] Bergbaukunde, Zweiter Band, Julius Springer, Berlin, 3.+4. Aufl. 1923, 5. Aufl. 1932 (Reprint)
https://books.google.de/books?id=mY_yBgA...epage&q&f=false
https://books.google.de/books?id=QZGABwA...epage&q&f=false

[13] Verzeichnis der in den Wagenpark der Deutschen Reichsbahn eingestellten Wagen für außergewöhnliche Transporte, München 1936, Skizze 24 + 26
http://www.wieduwilt.org/archiv/zeichnun...ewoehnlich.html

[14] Wikipedia, Kaliwerk Hildesia
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaliwerk_Hildesia

[15] Wikipedia, Kaliwerk Glückauf-Sarstedt
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaliwerk_G...Cckauf-Sarstedt

[16] Langholzwagen der DRG
http://www.brawa.de/produkte/h0/wagen/gu...zwagen-drg.html


Viele Grüße
Peter

Änderungen und Ergänzungen:
28.06.2015 - Rechenfehler korrigiert
30.06.2015 - Geschichte Kind-Chaudron-Verfahren erweitert
01.07.2015 - Abmessungen der Cuvelageringe präzisiert


 
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RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#3 von ET 65 , 27.06.2015 21:01

Hallo Peter,

vielen Dank für Deine Bemühungen und die Links, die Du eingestellt hast.

Besonders gefällt mir der Link zu der Innenansicht der Gießerei von Haniel & Lueg. Der Uhrturm der alten Pforte ist übrigens noch existent.

Muss mal schauen, ob die Uni Münster noch weitere Informationen über andere Gießereien aus Düsseldorf (Treffer. Hurra!) oder chemische Betriebe hat.

Gruß, Heinz

PS: Zweiten Link ergänzt


Tried to reduce to the max Ich weiß, nicht immer einfach, aber einfach kann ja jeder.
Was noch fehlt? "Ein Sack voll Zeit"


 
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RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#4 von tpt207 , 01.07.2015 11:14

Hallo Peter,

vielen Dank für diesen super recherchierten Beitrag. Da waren für mich einige wertvolle Tipps und Anregungen dabei.


Wird daraus auch eine konkrete Anlage entstehen? Auf Fotos davon wäre ich schon sehr gespannt.


Viele Grüße

Tobi


 
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RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#5 von Sgns 691 , 01.07.2015 22:50

Hallo Heinz + Tobi,

vielen Dank für euer Lob. Ich bin selbst überrascht, was für umfangreiche Ergebnisse man mit einer Google-Recherche ausgraben kann. An dieser Stelle kann ich nur jeden ermuntern, es für die Themen die ihn interessieren, auch zu tun. Es macht wirklich Spaß.
Zu einer möglichen Anlage kann sich nur Henning äußern, aber er steht ja auch erst ganz am Anfang seiner Planungen.
Generell kann aber jeder Epoche 1-Fahrer mit einem Durchgangsbahnhof diese Züge an Sonntagen bei sich verkehren lassen.

Viele Grüße
Peter


 
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RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#6 von oldtimemoba ( gelöscht ) , 05.07.2015 16:55

Hallo Peter,

erstmal vilen Dank für Deine Umfangreiche Recherche. Die Menge an Quellen hat mich schier erschlagen.
Ich hatte natürlich auch erstmal im Internet nachgeforscht und auch einige der von Dir genannten Quellen gefunden, aber nicht diese Masse. Ich bin immer noch am lesen.
Zum internen Transport habe ich bisher nur ein Bild gefunden, welches Rückschlüsse zuläßt. In "Die Kali- und Steinsalzschächte Deutschlands"[1] ist unter Abschnitt 4.19 "Schacht Benthe" ist eine Flachlore abgebildet, welche einmal von der Höhe und den Abmessungen passen könnte und welche über eine Öse verfügt, an welche möglicher4weise eine Kuppelstange befestigt werden konnte.
Weiterhin konnte ich bisher feststellen, dass die Abteufgerüste sich wie ein Ei dem Anderen gleichen, so das es hier entweder eine gewisse Normung gab oder immer die gleiche Bohrfirma tätig war.
Die Cuvelageringe wurden augenscheinlich immer im Vorfeld geliefert und auf Unterbauten neben oder über Gleisen gelagert. Am Schacht Hildesia allerdings lagen die Ringe auf 4 gemauerten Säulen, zwischen denen Gleise direkt aufs Planum gelegt waren. Deshalb kam ich zu dem Schluss, dass auch hier die Ringe angehoben, eine Flachlore untergefahren und der Zwischenraum vor dem Absenken unterbaut wurde.
Da ich nicht über die Bildrechte verfüge, kann ich dieses Bild leider nicht einstellen, sondern nur ggf. als PN versenden.
Auf einem weiten Bild ist zu entnehmen, dass ein Gleis unter die Krananlage des Abteufgerüstes führte, so dass hier theoretisch auch hier die Entladung bei Anlieferung der Ringe stattgefunden haben könnte. Ich habe bisher in keine Quelle den Einsatz von zusätzlichen Kränen finden können.
Als erstes wurden, zumindest im Fall Hildesia, der Lok-Schuppen für die Bauloks und das Heizwerk für die Dampfgewinnung für die Dampf-Förder- und Hebeanlagen und zur Strom- und Lufterzeugung gebaut.

Zur Modellumsetzung:
Ich bin auf diesen Zug im Rahmen der Recherche zur stillgelegten Bahnstrecke gekommen. Ich könnte mir diesen Zug ggf. als Anlieferung zu einer fiktiven Abteufung vorstellen. Ein Diorama oder Segmentteil einer Schachtabteufung wäre natürlich ein echtes Highlight, aber Platz, Budget und meine aktuellen Fähigkeiten sprechen erstmal gegen eine solche Darstellung. Wenn sich jemand findet, der so etwas vorhat, würde ich diesen natürlich mit den mir vorliegenden Informationen und Unterlagen unterstützen.

Ein Hineinversetzen in die damalige Zeit mit der Denkweise, den technischen Möglichkeiten, die sich explosionsartig veränderten, und dem entsprechenden Umfeld macht mir aber mindestens genausoviel Spaß, wie Umsetzung ins Modell.

Viele Grüße aus dem heißen Harzvorland

Henning

[1] www.lars-baumgarten.de


oldtimemoba

RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#7 von oldtimemoba ( gelöscht ) , 05.07.2015 18:08

Hallo Peter,

ich komme nochmal auf die 2-achsigen Transportwagen zurück.
Auch ich habe kein Bild, auf dem Wagen mit und ohne Tragekorb im gleichen Zug zu sehen sind.
Bei zeichnerischen Darstellungen, wie in der von Dir angeführten "Hausschrift", bin ich immer sehr skeptisch. Hier kommt auch die künstlerische Freiheit zum Tragen, denn die Bremserhäuser wurden auchweggelassen.
Da auch die Kabeltrommelwagen mit Korb über die Tragebalken und Tragegurte verfügten, gehe ich davon aus, dass die Körbe entfernt wurden, als der mögliche Durchmesser der Cuvelageringe die 4 m-Grenze bzw. 4,50 m-Grenze überschritt und durch Wegfall der Körbe noch ein paar Zentimeter an Höhe zu gewinnen waren. Das Problem war meines Erachtens nicht das Gewicht sondern das Lichtraumprofil und der Unterhalt und Bau/Umbau der 2-Achser war günstiger als bei den umgerüsteten Drehschemelwagen, welche aber auch zum Transport der Bohrkopfteile benutzt werden konnten.

Gruß Henning


oldtimemoba

RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#8 von Sgns 691 , 06.07.2015 23:23

Hallo Henning,

schöne Bilder hast du da von Benthe gefunden. Damit ist der grundsätzliche Ablauf auf dem Cuvelagering-Lagerplatz erkennbar.
In Benthe wurden übrigens, wie auch in Hildesia, 4,10 m-Cuvelageringe verbaut.
Die Gleichheit der Bohrgerüste liegt sicherlich daran, daß in Deutschland alle Bohrungen nach dem Kind-Chaudron-Verfahren durch Haniel & Lueg ausgeführt wurden. Anfänglich war dieses Bohrverfahren durch Patente geschützt und Haniel & Lueg hatte für Deuschland eine Lizenz erworben.

Zu den Güterwagen:
In der zeichnerischen Darstellung in der "Hausschrift" [4] hat der Wagen mit Tragekorb keine Tragegurte. Ich sehe da auch keinen Grund, warum die Zeichnung falsch sein sollte. Ein Problem mit dem Lichtraumprofil gab es wegen der Tragekörbe nicht. Wie man in den Zeichnungen des Verzeichnisses [13] sehen kann, war der tiefste Punkt der Kabeltrommeln sowieso unterhalb des Tragekorbs.
Das Problem war eindeutig das steigende Gewicht der Cuvelageringe. Die Schachtbohrungen wurden im Laufe der Jahre immer tiefer und damit stiegen die Wandstärken der Cuvelageringe ebenfalls immer weiter an. Die unteren Cuvelageringe in den tiefen Schächten hatten durchaus ein Gewicht von ca. 20 t. Damit konnten diese nur noch auf den Drehschemelwagen-Paaren transportiert werden. Die preußischen Drehschemelwagen nach Musterblatt IIc 11 von 1884 hatten ein Ladegewicht von 10 t. Die waren mit so einem dicken 4,10 m-Cuvelagering schon überladen. Erst die Drehschemelwagen nach Musterblatt IId 9 von 1899 hatten ein Ladegewicht von 15 t. Da muß Haniel & Lueg 1883 bereits bessere Wagen als die preußischen Bahnen gehabt haben.

Viele Grüße
Peter


 
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RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#9 von oldtimemoba ( gelöscht ) , 07.07.2015 21:33

Hallo Peter,

Du scheinst ja vom Fach zu sein.
Ich schicke Dir mal die Bilder die ich meine per PN zu.
Die Qualität ist zwar nicht berauschend, da ich nur einen Low-Cost-Scanner angeschlossen habe und die Vorlagen auf Hochglanz gedruckt sind.

Gruß Henning


oldtimemoba

RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#10 von Sgns 691 , 07.07.2015 21:57

Hallo Henning,

vielen Dank für dein Angebot. Ich nehme es gerne an.
Auch wenn es dich vielleicht überrascht, ich bin zwar Maschinenbauingenieur, habe aber von Bergbau keine blasse Ahnung.
Fast alles was ich geschrieben habe, stammt wirklich nur aus den verlinkten Quellen.
Aber es geht mir da wie dir: "Ein Hineinversetzen in die damalige Zeit mit der Denkweise, den technischen Möglichkeiten, die sich explosionsartig veränderten, und dem entsprechenden Umfeld macht mir aber mindestens genausoviel Spaß, wie Umsetzung ins Modell."

Viele Grüße
Peter

PN folgt


 
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RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#11 von oldtimemoba ( gelöscht ) , 07.07.2015 22:02

Hallo Peter,

ich stell bei mir mal wieder fest, erst zu Ende denken, dann schreiben.
Die Bilder habe ich Dir per Mail geschickt.

Von den 2-Achsern ist je einer mit und ohne Korb zu sehen, das heißt aber nicht, dass sie mit dem gleichen Zug gekommen sind.
Nach meiner unmaßgeblichen Meinung sieht es so aus, als wenn der Wagen an den Seiten mit Profileisen verstärkt ist, um die Tragfähigkeit zu erhöhen.
Das würde nach meinem dafürhalten auch dafür sprechen, dass diese Züge nur am Sonntag und nur mit reduzierter Geschwindigkeit fahren durften.

Gruß Henning


oldtimemoba

RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#12 von Sgns 691 , 09.07.2015 23:14

Hallo Henning,

auch hier nochmals vielen Dank für die Zusendung der Bilder.

Nach einer eingehenden Betrachtung dieser, und auch der von mir verlinkten, Bilder und Zeichnungen ergibt sich für mich:
Anders als ich anfänglich gedacht habe, sind bei Haniel & Lueg offensichtlich im Laufe der Zeit zu den bereits vorhandenen Wagen weitere hinzugekommen. Bei den neuen Wagen für 20 t Tragfähigkeit [2] muss es sich um die Drehschemelwagen gehandelt haben, denn der Oberbau war zu der Zeit nur ziemlich begrenzt belastbar. Die übliche zulässige Radsatzlast lag bei 7,5 t mit Ausnahmen für 8 und 9 t. Der Einsatz der neuen Wagen dürfte im Herbst 1893 mit der Lieferung der Cuvelageringe für die Zeche Preußen I in Gahmen begonnen haben [4]. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde ein Teil der vorhandenen Wagen durch zusätzliche Eisenprofile verstärkt (das sehe ich genauso wie du).

Der Haniel & Lueg Wagenpark dürfte also ab 1893 mindestens den folgenden Bestand gehabt haben:
- 1 x 2-Achser mit Tragekorb (unverstärkt), ungebremst, Ladegewicht: 11,5 t
- 3 x 2-Achser mit Tragebändern (verstärkt), gebremst, Ladegewicht (geschätzt): 10 - 13 t je nach Strecke
- 3 x 2-Achser mit Tragebändern (verstärkt), ungebremst, Ladegewicht (geschätzt): 11 - 14 t je nach Strecke
- 2 x 4-Achser (Drehschemelwagenpaar) mit Tragegurten, ungebremst, Ladegewicht: 20 t
- weitere Schwerlastwagen wie in [5], S.26 zu sehen sind

Auf den Fotos ist auch erkennbar, daß die Zeichnung der Cuvelageringe in [9] falsch ist. In der Realität gab es 4 innere Verstärkungsringe und nicht nur 3. Dafür waren die Verstärkungsringe schmaler. In den Flanschen zähle ich 90 Durchgangslöcher, die gemäß [4], S.60 einen Durchmesser von 30 mm hatten. Auffällig ist, daß die Ringe auf den Fotos von Hildesia und Benthe eine helle Farbe mit dunkler Beschriftung haben, während es auf den älteren Fotos [5,6] genau umgekehrt ist. Hast du oder einer der Mitleser hier, dazu eine Idee? Vielleicht ein Schutzanstrich mit Aluminiumsilberfarbe?

Viele Grüße,
Peter


 
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RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#13 von oldtimemoba ( gelöscht ) , 28.07.2015 21:09

Hallo Peter,
entschuldige, dass ich mich erst jetzt melde.
Was Du aus so wenig Material an Infos rausholst, ist schon super. Da bist Du mir weit voraus.

Die veränderten Farben der Cuvelageringe führe ich auch auf geänderte Korrosionsschutzmaßnahmen zurück. Eventuell könnte die zu der Zeit von der preussischen Eisenbahn verwendete Bleiweiß-Grundierung verwendet worden sein, welche im Waggon- und Signalbau eingesetzt wurde.. Die reale Farbe kann man auf der Bildern ja nicht erkennen.
Wenn ich auf weitere Infos stoße, melde ich mich umgehend.

Gruß Henning


oldtimemoba

RE: Sonderzug Haniel & Lueg - Wer hat Infos?

#14 von Sgns 691 , 01.08.2015 22:09

Hallo Henning,

so schwer ist das mit den Informationen nicht. Man muß nur die Angaben aus den verschiedenen Quellen gut durchsortieren und dann geschickt kombinieren. Allerdings habe ich inzwischen feststellen müssen, daß es in den alten Veröffentlichungen durchaus auch widersprüchliche Angaben gibt. Deshalb muß in meinem Eingangsartikel auch vieles ergänzt, präzisiert oder sogar korrigiert werden. Außerdem haben wir ja auch schon einige Fragen klären können. Ich werde den Artikel deshalb in den nächsten Wochen komplett überarbeiten und hier neu einstellen.

Bis dahin, hier noch zwei neue Funde. Zunächst ein weiteres Foto:
Cuvelagering-Anlieferung in Rauxel 1896. Das waren die ersten 4,40 m-Ringe.
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,5414789

Und dann ein weiteres Buch:
Die Salzbergwerke Mecklenburgs, Günter Pinzke, Books on Demand, 2014
https://books.google.de/books?id=6PY7BQA...epage&q&f=false
Auf Seite 78 gibt es links oben eine Abbildung des Transportwagens für die Cuvelageringe in Jessenitz.

Abschließend für heute eine Buchsuche:
Laut Auskunft des Verlegers hier bei DSO:
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,3150899
gibt es in dem Buch "Die Hannover-Altenbekener Eisenbahn"
http://www.amazon.de/Die-Hannover-Altenb...g/dp/392758777X
Fotos von einem B-Kuppler, Personenverkehr im Bf Söhre, Transport riesiger Brunnenringe, den Werksanlagen vor 100 Jahren, BR 50 in den 60er Jahren u.v.m.
Besitzt zufällig einer der Mitleser dieses Buch und wäre eventuell bereit uns diese Bilder einzuscannen? Es könnten wieder einige Mosaiksteinchen mehr sein.

Viele Grüße
Peter


 
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