Hallo Stummis,
jedem von euch eine Postkarte zu schreiben wäre sicher eine nette Sache, aber auch gleichzeitig eine große Herausforderung – nicht nur weil ich keine einzige Adresse habe. Mit einem Posting von diesem Abenteuer ist wahrscheinlich allen mehr geholfen und es gibt mehr Motive.
Diesen Sommer habe ich meinen Urlaub (wieder) in den USA verbracht, da ich dieses Land zum einen als Reisedestination liebe und zum anderen die Möglichkeit nutze Freunde und Familie jenseits des Atlantiks zu besuchen. Dieses Jahr war der Kern der Reise der 49. und zugleich nördlichste Bundesstaat Alaska.
Zwar war ich dort nicht mit der Alaskan Railroad unterwegs, dieses Abenteuer hebe ich mir für einen nächsten Besuch in Alaska irgendwann einmal auf. Für das Forum ist eher das folgende Abenteuer interessant: Mit dem Calfornian Zephyr von San Francisco nach Denver. Schließlich gilt die Route durch die Sierra Nevada und die Rockies als eine der schönsten Eisenbahnstrecken der Welt.
Die Reise beginnt nicht in San Francisco, sondern im auf der anderen Seite der Bay gelegenen Emeryville. Wer den Flughafen von San Francisco kennt, erwartet auch beim „Fernbahnhof“ der Stadt ein nicht kleines Gebäude. Allerdings ist der Zugfernverkehr an der Westküste nicht besonders ausgeprägt, so bleibt es doch bei einem sehr übersichtlichen Empfangsgebäude mit gerade mal 2 Bahnsteigkanten.
Abfahrt ist planmäßig um 9:10 morgens. Trotzdem muss 45min vor Abfahrt das Gepäck eingecheckt werden, denn mehr als 2 Handgepäckstücke sind nicht erlaubt. Und bevor der Zug nicht am Gleis bereitgestellt ist, darf keiner den Bahnsteig betreten. Manchmal wünscht man sich doch die dagegen geradezu flexible Deutsche Bahn. Wie auch immer, ich bin im Urlaub und habe Zeit und da ich in Emeryville im Hotel übernachtet habe bin ich nach 10 min Fußmarsch am Bahnhof. Ein weiterer Vorteil der Übernachtung in Emeryville sind deutlich günstigere Zimmer als in San Francisco.
Jedenfalls wurde der Zug pünktlich bereitgestellt und man steigt in seinen Waggon ein – aufgeteilt sowohl nach Wagenklasse als auch Destination.
Wer einen Blick auf die Skyline von San Fran erhaschen will, wird enttäuscht. Nur triste Industriegebiete säumen die ersten Kilometer. Nach einiger Zeit hat man Emeryville bzw. Oakland verlassen und erhält freien Blick auf die San Francisco Bay.
Nachdem die Hauptstadt von Kalifornien, Sacramento, passiert ist geht es auch gleich in die Sierra Nevada durch die alten Goldgräberstädtchen, wie hier Colfax, die heute für den Tourismus nett hergerichtet sind.
Die Fahrt durch die Sierra Nevada ist ein erster guter Grund, dass „Lounge“-Car aufzusuchen. Es ist vor dem Speisewagen eingereiht und bietet neben einer Auswahl an Getränken (Softdrinks und Kaffee ab 2,00 € auch kleine Snacks an. Letztere sind leider nicht sehr geschmackvoll und auch nahrhaft, aber sie erfüllen doch ihre Aufgabe. Dazu aber später mehr.
Neben der Möglichkeit mit den Mitreisenden ins Gespräch zu kommen, was bei den Amerikanern meiner Erfahrung nach generell nie ein Problem ist, zeigt sich hier die Sierra Nevada von ihrer schönsten Seite.
Die Sierra Nevada ist eine Wettergrenze, an deren Westseite sich die vom Pazifik heranziehenden Wolken abregnen. Sie sorgt damit nicht nur für die Wasserversorgung von fast ganz Kalifornien sondern ist auch recht grün. Überquert der Zug die Grenze zu Nevada, wird draußen die Vegetation auch spärlicher. Das fehlen eines Waldes ist der Indikator, dass man nun wohl in Nevada ist.
Kurze Zeit später wird auch schon Reno erreicht. Eine Glücksspielerstadt die außer Casinos nicht viel zu bieten hat (Erfahrung einer vorhergegangen Reise). Viel muss man von Reno nicht sehen, da die Bahnlinie inklusive Bahnhof komplett eine Ebene tiefer verläuft – wie gesagt, verpasst wird nichts und vielleicht ist es auch gut, dass dem Reisenden der Blick auf die Stadt erspart bleibt. Es ist aber eine der Möglichkeit sich die Füße zu vertreten. Das heiße Wüstenklima sollte aber bedacht werden.
Hinter Reno wird die Fahrt nicht unbedingt spannender, die Landschaft wird eher noch karger:
Es ist eine gute Zeit sich am Platz hinter ein Buch zu klemmen und die mehr als großzügige Beinfreiheit zu genießen.
Bis dann über der Wüste von Neveada die Sonne langsam untergeht und sich jeder auf die Nacht vorbereitet. Als der Zug nach Utah einrollt, bin ich schon im Schlummerland.
Zwar sind die Sitze sehr breit und die Beinfreiheit mehr als gut, doch irgendwie habe ich es nicht geschafft eine bequeme Sitzposition zu finden. Trotz dem freien Sitzplatz neben mir. Die Müdigkeit zollt dann aber doch ihren Tribut und ich verschlafe nicht nur die Salzseen und Salt Lake City, von denen man auf Grund der Dunkelheit nicht viel gesehen hätte und wache in einer wieder neuen Gegend auf. Das Land ist wieder bergig und der Zug schlängelt sich durch dieses.
Höchste Zeit für das Frühstück! Wer den teureren „Sleeper“ bucht hat alle Speisen im Dining Car inkludiert. In der niedrigen „Coach“ Klasse muss man dort entweder dafür zahlen oder man begnügt sich mit dem bereits erwähnten Lounge-Car und dem dortigen Bistro. Kaffee, Milch, Frosties und ein Bagel (bestehend aus den lebenswichtigen Vitaminen B A S F) stellen das Frühstück für 8,50 $ dar. Der Hunger ist gesättigt, der Ausblick entschädigt für den faden Geschmack.
Am Vormittag wird Grand Junction und damit der erste große Stopp in Colorado erreicht. Ein Indiz ist das Empfangsgebäude, dass wohl leider sehr eindrucksvoll die Geschichte des Passagierverkehrs auf Schienen in den USA zeigt. Einst ein kleiner Palast für die Reisenden in diesen abgelegenen Terrain, heute mehr oder weniger Instandgehalten, dass es nicht ganz zusammenfällt. Der Putz blättert jedenfalls.
Während der Zug tiefer nach Colorado eindringt, wird es auch draußen wieder bergiger. Der Fluß, die Interstate 70 (vergleichbar mit einer deutschen Autobahn) teilen sich das kurvenreiche und tiefe Tal hinter Glenwood. Wie an so vielen Stellen wird auch hier von draußen gewunken, nur hier ist es mit Paddeln von den Rafts.
Im übrigen: Woher Colorado seinen Namen hat, ist auf diesem Teilstück auch mal wieder nicht besonders schwer zu erraten.
Die Mittagszeit rückt näher, und so meldet sich auch mein Magen. Auf das, Dank der chemischen Industrie halbwegs geschmackvolle, Essen aus dem Lounge-Car möchte ich diesmal verzichten. Mich zieht es in das Dining-Car zu einer richtigen Mahlzeit. Aber ich habe ja Urlaub und möchte es ruhig angehen. Also warte ich ein wenig, und genieße die vorbeiziehende Landschaft mit Musik aus dem mp3-Playder im Ohr. Punkt 13 Uhr meldet sich mein Magen und ich mache mich auf den Weg. Pech gehabt, denn es ist bereits 14 Uhr und der Speisewagen hatte gerade geschlossen. Es blieb bei einem Burger aus dem Lounge-Car. Tausende Kalorien, mächtig viel Fett und Zucker hatte die nicht näher zu identifizierende Masse. Es war ein Fehler die Inhaltsangaben vor Verzehr anzusehen. Aber um was positives zu sagen: „I did its job“.
Vorteil der Zeitverzögerung ist auf der anderen Seite, dass es nicht mehr ganz so lange bis Denver dauern würde, wo es dann was anständiges zu Essen geben würde. Doch die Strecke wurde immer kurvenreicher, das Tal enger und der Zug immer langsamer. Ich bin hier aber nicht für Geschwindigkeit sondern für die Szenerie der Rockies. Vorher muss der Zug aber seinen Begleiter, den Colorado River, verlassen, der bei Fraser/ Winter Park, auf über 2600m über dem Meer, nun mehr als ein kleiner Fluss ist. Fast 434 km (268 miles) haben wir diesen verfolgt, wenn dieser die Zugstrecke gen Norden verlässt.
Dann geht es in den Moffat Tunnel, der den Scheitelpunkt der Strecke und Wasserscheide zwischen Pazifik und Atlantik darstellt. Über 6 Meilen Dunkelheit draußen und das herumlaufen im Zug ist nicht erlaubt:
Ab jetzt geht es nur noch Abwärts!
Statt wie bisher unten im Tal beim Fluss, verliert dieser schneller an Höhe und die Bahn schlängelt sich am Berg durch Tunnel und Kurven entlang.
Und plötzlich liegt die Great Plain vor einem! Ein Panorama, wie man es nur vom Flugzeug kennt, tut sich auf in dessen Zentrum das Ziel Denver liegt. Sehen kann man die Stadt schon, doch bis zur Ankunft ist es noch eine knappe Stunde.
Nach einer Fahrt durch die Vororte von Denver, die wie die der anderen US-amerikanischen Städte aussehen, hat man es endlich geschafft und ist angekommen. Die Union Station ist gerade frisch renoviert worden und die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Da die Station ein Kopfbahnhof ist und kein direktes Gleis in den Bahnhof führt muss der Zug vorher umrangieren, was über 20 min dauert.
Ein Tipp zum Abschluss: Das Queen Anne Bed & Breakfast in Denver ist ein Geheimtipp und hat vor allem sehr viel Charme und Geschichte. Und zum Abendessen schräg durch den Park zu Jonesy's EatBar (Mac & Cheese Fries!)
Lesson Learned:
- Wer alleine reist, dem ist Coach ans Herz gelegt. Der Preisvorteil resultiert darin, dass immer eine 2-Personen Kabine gemietet werden muss. Bei 2 Personen relativiert sich auf Grund der eingeschlossenen Verpflegung der Preisvorteil der niedrigen Klasse.
- Auf jeden Fall Snacks und Getränke mitnehmen. Offiziell ist der Verzehr von Mitgebrachten im Lounge-Car zwar nicht gestattet, wird aber toleriert.
- Buch und persönliches Entertainment einpacken! Am Platz stehen zwei Steckdosen (US, 120V) zur Verfügung, so dass ein leerer Akku nicht sein muss. Denn nicht immer ist die Szenerie einladend. Konverter nicht vergessen!
- Dachte ich zuerst nur daran, dass es nur Touristen im Zug gibt, so lag ich Falsch. Das Publikum ist bunt gemischt, vom Studenten bis hin zum Rentner. Nur Geschäftsreisende habe ich nicht gesehen.
Wer Fragen zum Tripreport oder zum Reisen in den USA im Allgemeinen hat, kann mir gerne eine Mail schreiben und vielleicht habe ich eine Antwort. Anregungen sind natürlich auch gerne gesehen.