Guten Morgen,
ich finde, bei aller Euphorie, dass man das Fahren und Sammeln alter Modelle nicht über Gebühr hochjubeln sollte - schon gar nicht im direkten Vergleich mit aktuellen Produktlinien.
Auch das Fahren mit alten (von historischen Raritäten reden wir zunächst mal gar nicht) Modellen kann sehr teuer sein. Wenn ich mir die aktuellen Entwicklungen des Börsenmarktes so ansehe, dann muss man inzwischen schon recht betucht sein, will man anständig altes Märklin-Material sammeln. Und ich rede da mitnichten von ebay und Co., sondern von ganz normalen Modellbahnbörsen.
Mich persönlich interessiert das alte Material erst ab den 60er abwärts. Die 70er+ sind mir persönlich schon zu modern. Wenn ich mir aber die Preise für gut erhaltene Modelle mit einer guten OVP (und im Idealfall noch der Anleitung) ansehe, dann kann ich das Argument "alt ist billiger als digital" nicht verstehen. Freilich gibt es auch günstige Modelle, aber die gibt es doch heute auch noch. Aber gut, man fängt halt erst einmal klein an und arbeitet sich stetig nach oben. Und was ist da oben? Man schaue sich bitte mal die echten Marktpreise (nicht die mit dem Kumpel beim letztenStatmmtisch!) für die netten 3026 (BR 01), 3027 (BR 44) etc. an. Von der F-Serie mag ich da noch nicht einmal träumen, angesichts der verlangten Preise (und dann wären da auch noch die HR, SK, TT und TP..., aber lassen wir das)... Auch gut erhaltene Waggons sind nicht selten mindestens genauso teuer, wie Wagen aus der aktuellen Produktlinie.
Und dann weiter, was ja auch schon teilweise angesprochen wurde. Nicht jede alte Lok läuft automatisch wie am ersten Tag. Oftmals sind aufwändige Investitionen nötig, will man das Schmuckstück wieder fahrfertig machen. Will man es dann noch original haben, wird es noch mal teurer. Wer von den eingefleischten Sammlern will denn widersprechen, wenn ich nur mal die exorbitanten Preise eines originalen und funktionierenden Walzenumschalters ins Spiel bringe?
Was will ich also sagen: Alles hat seine Berechtigung. Und mit Sicherheit auch die analoge Technik bzw. das grundsätzliche Beschäftigen mit altem/historischem Material. Ein direkter Vergleich mit der Gegenwart ist aber schwierig. Auch heute kann ich noch gut und günstig Modellbahn betreiben, wenn ich mich an die Regeln halte. Regeln, die man aber sicherlich erst lernen muss, weil man es "früher" eben anders gemacht hat. Und auch das war bzw. ist schon immer ein Thema, gerade auch hier im Forum.
Beispiel: Wer heute noch vorbestellt, zahlt teures Lehrgeld. Wer auch mal ein bis zwei Jahre wartet, zahlt (sicherlich modellabhängig) deutlichst weniger. Wer ohne Ausnahme zum "Händler ums Eck" geht, zahlt unter Umständen drauf. Das Internet bietet heute eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie ich auch digital günstig modellbahnerisch tätig sein kann. Um jetzt nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin ein großer Fan und Verfechter des Einzelhandels. Doch wenn es um bares Geld geht (und wir reden hier ja nicht von marginalen Unterschieden im Cent-Bereich, sondern von richtig viel Kohle), dann muss ich mich halt nach Alternativen umsehen, auch wenn es mir für den kämpfenden Händler sehr leid tut. Diese Alternativen bietet das Internet.
Und was die Qualität angeht, ja, da hat sich mit Sicherheit einiges verändert. Nichtsdestotrotz ist auch das eben ein sozio-kultureller Prozess, denn welche Branche erlebt diesen Prozess denn nicht? Ich könnte da jetzt unzählige Beispiele bringen, doch das erspare ich mir und Euch jetzt einfach mal. Es kennt sie ohnehin jeder, als lassen wir das. Fakt ist aber, dass auch diese Suppe viel zu heiß gekocht wird. Denn so schlimm, wie immer behauptet wird, ist es vielleicht gar nicht. Ich habe inzwischen den Überblick verloren, wie viele Märklin-Loks der neueren Generation im Besitz meines Vaters sind, aber eines ist ganz klar: Nicht mal ansatzweise hat er mit den Modellen diese massiven Probleme, wie sie hier (und freilich auch an anderer Stelle) immer wieder vorgebracht werden. Ich möchte fast behaupten, dass die grundsätzliche Qualität gar nicht so schlecht ist, wenn man mal von einigen Ausreißern absieht. Da sieht man schon alleine daran, dass viele Probleme bei einigen Besitzern auftauchen, die andere wiederum gar nicht haben bzw. kennen. Kann es nicht also sein, dass jedes "Problem" immer im Zusammenhang mit den heimischen Gegebenheiten betrachtet werden muss, bevor wir es als ein "typisches Problem der Neuzeit" klassifizieren?
Und wer will jetzt ernsthaft behaupten, dass die Qualität früher nicht auch manchmal Probleme hatte? Ich selbst kann mich noch an meine erste Lok erinnern, die ich damals von meinen Elterngeschenkt bekam. Es war eine analoge BR 216 - und sie lief von Beginn an so unglaublich schlecht, ich kann das gar nicht beschreiben. Damals gab es noch einen Händler mit technischem Service, doch auch der konnte nix machen. Selbst ein Einschicken zu Märklin brachte keinen Erfolg. Ich bin mir sicher, dass mein Fall nicht repräsentativ aber eben auch keine Ausnahme gewesen sein dürfte. Wir sollten also die Kirche im Dorf lassen.
Ich persönlich kann mich heute sowohl für gut gemachte Nostalgieanlagen als auch für hochmoderne Digitalarrangements begeistern. Eine bullige CCS 800 (Krokodil) ist ob ihrer Machart faszinierend, die neuesten Errungenschaften von ESUs Lokmodellen (technisch betrachtet und nur ein Beispiel unter vielen) aber genauso. Jede dieser Welten hat ihre Reize und Vorzüge. Eine klare Berechtigung gilt für beide. Bei der einen ist es das Bewahren und die Erinnerung an eine längst vergessene Spielzeugkultur. Bei der anderen ist es die Innovation und der Blick in eine tolle Modellbahnzukunft voller technischer Raffinessen.
Und last but not least: Ist genau das nicht so besonders schön an unserem gemeinsamen Hobby? Die Vielfalt und schier unbegrenzten Möglichkeiten, wo jeder nach seinem Gusto glücklich werden kann? Ich denke schon!