Verstellen der Standarten kann ja jeder!
Nein, Spaß beiseite, das Thema ist jetzt nicht ganz trivial. Ich mag beide Extreme nicht, also das Portrait, bei dem nur die Augen scharf sind und Nasenspitze und Ohren bereits unscharf werden, genauso wenig wie das durch und durch alles-scharf-Bild. Das wirkt dann so künstlich, wie schön glänzendes Plastik.
Früher habe ich die Kamera ziemlich dicht vor das Objekt positioniert und dann mit verschiedenen Tricks versucht, ein brauchbar scharfes Bild zu erzeugen, das genügend Tiefenschärfe hat. Das ist für mich die alte Schule, das Objekt muss möglichst bildfüllend abgelichtet werden, damit es überhaupt scharf wird. Heute sind die digitalen Kameras schon recht gut, so dass ich immer mehr dazu übergehe, ein wirklich gutes, scharf zeichnendes Objektiv (50mm) bei gemäßigter Blende zu nehmen. Die Kamera wird dann in einiger Entfernung aufgestellt und das Motiv kommt in die Mitte (der beste Teil des Objektivs) und ist aber dann recht klein auf dem Bild. Die absolute Tiefenschärfe in cm wächst schnell bei zunehmender Distanz und so kann ich ohne Stacking eine brauchbare Tiefenschärfe erzeugen. Das Motiv kann ich wegen der Pixeldichte anschließend passend vergrößern.
Diese Zusammenhänge sind Dir natürlich alle geläufig, ich wollte Dir nur von meinem "Workflow" berichten, der sich seit der Umstellung auf digitale Kameras deutlich geändert hat. Klar ist auch, dass diese Vorgehensweise viele Grenzen hat (räumliche Restriktionen, Makro- und Mikrobereich, besondere Effekte...), aber wir befinden uns ja hier im Hobby-Bereich und nicht bei den Profis. Zum Glück haben wir bei der Modellbahn vielfach keine räumlichen Einschränkungen und sie ist so groß, dass die speziellen Anforderungen der Makrofotografie oft noch nicht auftreten. Im Gegenteil, oft ist ein bisschen mehr Distanz zum Objekt bei der Modellbahn von Vorteil.
Trotzdem finde ich es anspruchsvoll und herausfordernd, ein wirklich gutes Bild im Bereich der Modellbahn zu machen. Wenn ich mal Bildbeurteilungskriterien wähle, wie:
1. habe ich noch nicht gesehen, das ist für mich neu,
2. handwerklich gut gemacht (Motivwahl, Beschnitt, Farben, Tiefenschärfe, Brennweitenwahl...),
3. das Bild erzählt mir eine Geschichte oder
4. der Fotograf will mit dem Bild etwas erzählen und ich kann es nachvollziehen,
dann fällt es mir schon recht schwer, eines oder sogar mehrere der Kriterien in einem Bild zu berücksichtigen. Dein Bild vom Märklin Gusswagen 323 ist für mich aus mehreren Gründen ein solches herausragendes Beispiel. Den Renntransporter habe ich in H0 noch nie gesehen, handwerklich ist das Bild super (eh klar bei Dir), das Bild hat bei mir eine Recherche zum Thema Renntransporter ausgelöst und Du willst natürlich mit dem Bild erzählen, wie schön, simpel und deutlich vor 70 Jahren mit dem Thema Modelleisenbahn umgegangen wurde.
Also, ich ermutige Dich hiermit ausdrücklich, weiter intensiv zu üben und die Ergebnisse hier einzustellen.