Sicherungstechnik, Teil 4
Stelltisch(e) und Schlüsselabhängigkeiten
Hallo an alle Stummis,
wie ich euch bereits vor einigen Tagen berichtet habe, möchte ich Weilmünster mit einem Stelltisch der Bauform DrS2 ausstatten. Ich möchte hier einen kleinen Disclaimer vorwegschicken: Da ich alles andere als ein Profi in eisenbahnerischer Sicherungstechnik bin, seid ihr hier von Verständnislücken meinerseits oder etwaiger falscher Verwendung der einschlägigen Fachtermini nicht gefeit. Ich gebe mein Bestes und versuche, mich den Zusammenhängen im Selbststudium so gut wie möglich zu nähern... Kommentare und Tipps von den Profis unter euch im Übrigen jederzeit willkommen. Das ist ja das tolle an so einem Forum.
Mit ein wenig Literatur zur Vorbildrecherche hatte ich mich ja immerhin bereits eingedeckt. Wesentliche Aufgabe des Stelltisches wird es sein, die Haptik eines echten Stelltisches etwas nachzuempfinden und nicht nur mit der Maus auf dem Bildschirm herumzuklicken. Ich plane also, alle erforderlichen Tasten im Stelltisch unter zu bringen. Die Rückmeldung in Form der Ausleuchtungen wird allerdings zunächst über den Rechner bzw. Bildschirm erfolgen. Vielleicht habe ich ja in Zukunft irgendwann ein paar Euro übrig und investiere in Richtung Erbert. Neben der Haptik ist der Hauptgrund für den Bau des Stelltisches außerdem die Tatsache, dass beim DrS2 (im Gegensatz zu moderneren Bauarten wie etwa SpDrS60) die Fahrstraßen nicht automatisch einlaufen. Vielmehr sind zunächst alle Fahrwegelemente inkl. Flankenschutzweichen manuell in die richtige Lage zu bringen, bevor im Anschluss die Fahrstraße verriegelt werden kann. Für das viele Stellen der Weichen (was immer über Zweihandbedienung in Form von Weichentaste (WT) und Weichengruppentaste (WGT) erfolgt), sind am Rechner daher sehr viele (mühselige) Klicks erforderlich.
Wenn auch ohne Ausleuchtung, soll mein Stelltisch auch in der ersten Ausbaustufe ein möglichst realistisches Aussehen erhalten. D.h. dass auch die (bei mir im Gegensatz zum Vorbild) nicht ausgeleuchteten Elemente wie Fahrwege, Signale, möglichst realistisch dargestellt sein sollten. Auch hinsichtlich der Größe möchte ich einen halbwegs realistischen Eindruck haben, um für eine spätere, optionale Umstellung ein Gefühl zu entwickeln. Ich habe mich daher für die Tischfeldgröße von Erbert mit 40x25mm entschieden. Obwohl dies noch ein ganzes Stück unter der Originaltischfeldgröße liegt, erschien es mir als ein akzeptabler Kompromiss. Leider habe ich weder in meiner Stellwerks-Software noch in den auf dem Markt befindlichen Planungstools etwas zufridenstellendes gefunden, was hinsichtlich Darstellung, Auflösung und Vielfalt der verfügbaren Elemente die gestellten Anforderungen erfüllt. Ich scheine nicht der typische Anwender zu sein... Falls jemand von euch eine Idee hat, gerne her damit, selbst wenn es jetzt fast schon zu spät ist. Ich habe mich nämlich schließlich hingesetzt und einige Abende vor dem "Zeichenbrett" verbracht und die benötigten Elemente sowie daraus den Tisch zusammengestellt. Das Ergebnis seht ihr auf nachstehendem Foto in Form eines A0-Ausdrucks dargestellt.
@Hubert: Vielleicht wird es jetzt auch für dich interessant?!
Ich nehme an, euch ist nicht entgangen, dass ich neben dem (großen) Fahrdienstleiterpult, mit dem ich übrigens auf eine Breite von 100cm komme, noch ein kleines Pult für den Ortsgüterbereich erstellt habe. Räumlich wird sich dieses Stellpult direkt am besagten Ortsgüterbereich befinden. Über dieses sollen also sämtliche orts- bzw. im Original handgestellten Weichen bedienbar sein. Es ersetzt also die Handhebel des Originals. Und genau hier fängt die ganze Komplexität jetzt erst so richtig an! Natürlich müssen Zugfahrten auch gegen Flankenfahrten aus dem Ortsstellbereich geschützt werden. Dies geschieht in Weilmünster über Schlüsselweichen bzw. über Schlüsselabhängigkeiten. Konkret heißt das, dass bestimmte ortsgestellte Weichen vor deren Bedienung zunächst aufgeschlossen werden müssen. Der zugehörige Schlüssel ist eingeschlossen und damit in die Stellwerks- bzw. Fahrstraßenabhängigkeit eingebunden. Er kann nur entnommen werden, wenn keine Fahrstraße (unter Flankenschutz) verriegelt ist. Umgekehrt kann bei entnommenem Schlüssel, d.h. bei Rangiertätigkeit, keine solche Fahrstraße verriegelt werden. Was betrieblich sehr spannend ist, stellt also funktional bei Umsetzung doch einigen Aufwand dar.
Ich habe mir zu Beginn mal wieder eine ganze Reihe von Fragen gestellt. So z.B.
- Wie funktioniert Schlüssellogik grundsätzlich?
- Wie wird die Logik üblicherweise in einem DrS2-Stellwerk umgesetzt?
- Wie kann eine modellbahnerische Umsetzung gelingen?
- Brauche ich tatsächlich einen Hardware-Schlüssel oder könnte ich diesen auch simulieren?
- ...
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Erschwerend kommt leider hinzu, dass Schlüsselweichen in ESTWGJ bisher grundsätzlich nicht vorgesehen sind. Modellbahnerisch wird es für mich also hinsichtlich Umsetzung nochmal komplexer als bei der reinen Konfiguration einer vorhandenen SW. Es stellt sich die Frage, wie ich den Hauptteil der Stellwerkslogik aus ESTWGJ übernehmen, die SW jedoch gezielt um die gewünschten Abhängigkeiten erweitern kann? Erste Ideen dazu folgen später.
Zunächst jedoch ein Blick auf die Vorbildabläufe: Nachstehend seht ihr den zentralen Ausschnitt des Fahrdienstleiterstelltisches mit den Gruppentasten (oben).
Ich habe hier zwei Schlüsselfelder angelegt, die so in ESTWGJ nicht existieren. Gleis 1 ist grundsätzlich durch Flankenfahrten aus dem Ortsstellbereich gefährdet. Flankenfahrten können sowohl über W4a als auch über W6 bzw. die Gleissperre (und W7) erfolgen. Beide Varianten sind daher durch Schlüssel zu sichern. Im übrigen wird deutlich, dass die Weichen im Ortsstellbereich nicht über den Fahrdienstleitertisch betätigt werden können. Ist nun keine Fahrstraße über Gl.1 verriegelt, können die Schlüssel mittels Schlüsselfreigabetaste (SlFT) und Weichengruppentaste (WGT) freigegeben werden.
Wir springen nun in der Ortsstellbereich. Nachstehend seht ihr das geplante Pult für die Bedienung durch die jeweilige Rangierabteilung.
Beim Vorbild wäre es jetzt so, dass durch die beschriebene Bedienhandlung (SlFT+WGT) ein Schlüssel im Fdl-Tisch oder in einem Kasten vor Ort freigeschlossen worden wäre. Um elektrisch verriegelbare Schlösser zu vermeiden und einheitlich Stelltechnik unter den Modulen zu verwenden, möchte ich auf echte Schlüssel verzichten, obwohl das ohne Zweifel auch interessant wäre. Einer späteren Erweiterung sollte hier ebenfalls nichts im Wege stehen. Wie auch immer kann der Schlüssel (nach meinem Kenntnisstand) nach der erfolgten Freigabe nun durch Betätigen der Rangiererlaubnistaste (ERaT) (vor Ort) freigeschlossen werden. Dies möchte ich durch ERaT und eine weitere Taste neben dem Schlüsselsymbol (anstelle des echten Schlüssels) realisieren. Nach erfolgter Betätigung (und Kenntlichmachung des Zustands: 'Schlüssel entnommen' durch eine LED) können nun die Schlüsselweichen bzw. die Gleissperre betätigt werden. Dies erfolgt hier dann übrigens per Einknopfbedienung analog zum Hebel an der Weiche. Gleichzeitig können nun keine Fahrstraßen über Gl.1 mehr verriegelt werden.
Rückwärts geht dann nach Beendigung des Rangiervorgangs alles analog. D.h. Schlüsselweichen in Grundstellung bringen, Schlüssel einschließen (bei mir durch wiederum durch Bedienung des Tasters neben dem Schlüsselsymbol. Abschließend erfolgt noch die Rücknahme Schlüsselfreigabe durch den Fahrdienstleiter durch Drücken von SlFT und Schlüsselfreigabelöschtaste (SlFLT).
Um für die spätere Umsetzung nicht den Überblick zu verlieren, habe ich mir die Logik in Form eines kleinen Zustandsautomaten aufgezeichnet, welcher nachstehend dargestellt ist. Dieser soll mir bei der weiteren Umsetzung als zentrale Unterlage dienen.
Ich habe also ein erstes Konzept entworfen (dessen Prüfung ihr gerne kritisch vornehmen dürft!) und jede Menge gezeichnet. Die Umsetzung kann somit hoffentlich bald weiter voranschreiten. Wie bereits erwähnt, betrete ich hier absolutes Neuland.
Ich hoffe, ihr verzeiht mir etwaige Fehler und freue mich wie oben erwähnt sehr über konstruktive Kritik.
Jetzt aber noch zu einem anderen Thema: Um nicht ausschließlich am Rechner zu sitzen, habe ich nebenbei begonnen, die Stelltischkästen zu bauen, die ihr nachstehend seht.
Bei dieser Gelegenheit habe ach etliche Teile eine erste Lackierung erhalten.
Ziel ist es nun, zunächst die elektrotechnischen Ausstattung der Stelltische aufzubauen, bevor ich mich dann endlich wieder verstärkt der Umsetzung der Logik widmen kann.
Bis dahin viele Grüße und weiterhin vor allem Gesundheit
Max