Hallo!
Eines vorab: Mein 3D-Drucker ist derzeit defekt, und ich warte auf ein Ersatzteil. Deshalb kann ich Euch keine Fotos zeigen, sondern nur CAD-Bilder.
Neulich habe ich in Gerhards (Altesels) Thread von einem User gelesen, der sich fragte, wie man denn solche tollen Drucke hinbekommt. Er schrieb, dass er eine Ziegelwand gedruckt hatte, aber eine glatte Fläche herausbekam. Ihm wurde geantwortet, man müsse "eins werden mit dem Drucker". Nun bin ich nicht Gerhard, und natürlich kann ich auch keine so wunderbaren Modelle konstruieren wie er. Aber ich kann und möchte all denen helfen, die sich fragen, was ihr Drucker eigentlich kann und was nicht.
Dafür habe ich ein Zip-File erstellt, in dem Ihr 3 Dateien findet. Hier ist der Link: [url]https://filehorst.de/d/dDpFDxmI
[/url]. Alle Teile sind für einen Druck ohne Stützmaterial gedacht.
Was ist da nun drin, und was kann man damit herausfinden?
Nun, zuerst gibt es da die Datei "Stegdicke und Spaltbreite.stl". Ihr Inhalt sollte so aussehen:
Ihr seht einen flachen Quader, auf dem ein ganz schmaler Keil sitzt, der nach rechts breiter wird. Davor ist eine Vertiefeung, die ebenso keilförmig ist, und auf der Vorder- und Rückseite finden sich noch zwei solche Keile. Der Trick ist, dass diese Keile ganz links 0mm breit sind und rechts, nach 100mm Strecke, sind sie genau 1mm breit.
Ganz links kann kein 3D-Drucker der Welt die Keile darstellen. Den erhabenen Keil kappt der Slicer, und die Vertiefung läuft zu. Aber ganz langsam wird der Keil immer breiter, und zwar pro mm Weg nach rechts um genau 0,01mm. Wenn Ihr jetzt dieses Teil druckt, dann werden ihr ganz links nichts sehen, und an einem bestimmten Punkt tauchen der Keil oder die Vertiefung auf. Nun messt Ihr die Strecke von ganz links bis zum auftauchen von Keil und Vertiefung, teilt diese Strecke durch 100 und wisst, wie breit ein Steg sein muss, damit er noch gedruckt werden kann, und wie breit eine Nut sein muss, damit sie auch sichtbar ist.
Beispiel. Der Steg taucht 48mm von der flachen Seite entfernt auf, und die Nut 20mm von dieser Seite entfernt. Das bedeutet, dass der Drucker Teile ab 0,48mm Breite darstellen kann (typisch für eine 0,4mm Düse sind Werte zwischen 0,45mm und 0,5mm) und dass er Nuten ab 0,2mm Breite darstellen kann.
Diese Werte muss man dann bei künftigen Konstruktionen einhalten, damit diese auch so aussehen wie geplant.
Da durch die Schichtung das Auflösungsvermögen in senkrechter Richtung anders ist als in waagerechter, gibt es auf der Vorder- und Rückseite nochmals je einen erhabenen und einen vertieften Keil. Sie funktionieren genauso wie die beiden oben drauf.
Im Modellbahnbereich haben wir es ja oft mit der Nachbildung von Nieten oder Rohren zu tun. Dafür ist die nächste Datei "Nieten_und_Loecher.stl" da. Ihr Körper sieht so aus:
In der gleichen Art, in der die letzte Datei Keile enthielt, gibt es hier von vorne nach hinten Löcher, niedrige Zylinder (Nietnachbildungen) und hohe Zylinder, denn es kann einen Unterschied machen, ob nur ein Plastiktropfen aufgesetzt werden soll oder ob tatsächlich ein senkrechter Stab gedruckt werden soll. Die einzelnen Objekte haben von links nach rechts jeweils 5mm Abstand und ihr Durchmesser nimmt um 0,05mm zu. Damit funktioniert genau die gleiche Methode wie oben bei den Keilen: Abstand des ersten guten Objekts von links her messen, Wert durch 100 Teilen und es ergibt sich der minimale Durchmesser für dieses Objekt.
Auch hier gibt es wieder die gleichen Nieten und Löcher in der Vorder- und Rückseite. Hier ist aufgrund der Schichten an der Darstellungsgrenze auch durchaus mit ovalen Nieten und Löchern zu rechnen. Dadurch kann hier jeder selbst festellen, ab welchem Durchmesser ihm die Nachbildung zusagt.
Schließlich gibt es noch das Problem der Passungen: Wie viel Luft muss bei einem gedruckten Stift gelassen werden, damit der in ein gedrucktes Loch entweder stramm hineinpasst oder (beispielsweise bei einem Tor) sich darin drehen lässt. Auch dafür habe ich einen Testkörper konstruiert. Er befindet sich in der Datei "Passungen.stl".
Den Inhalt zeigt dieses Bild:
Vorn seht ihr einen flachen Quader, auf dem je ein 1mm und ein 2mm dicker Zylinder stehen. Dahinter gibt es einen Streifen, in dem zwei Lochreihen zu sehen sind. Es handelt sich um je 25 Löcher, deren Durchmesser von links nach rechts zunimmt. Ganz links beträgt der Durchmesser der Löcher 1,02mm bzw. 2,02mm. Jedes Loch weiter nach rechts ist dann um 0,02mm größer als das vorherige - bis hin zu einem Durchmesser von 1,5mm bzw. 2,5mm ganz rechts.
Man kann nun von links anfangen zu probieren, in welches Loch der jeweiligen Reihe der Stift entweder stramm hineinpasst oder wo er sich zum ersten mal drehen lässt, ohne viel Spiel zu haben. Dann zählt man beginnend mit dem Loch, in dem es ertsmals geklappt hat von hier aus die Löcher nach links (also in der Richtung, in der die Löcher kleiner werden). Für jedes gezählte Loch nimmt man 0,02mm und erhält das nötige Spiel in der Konstruktion.
Beispiel: Der 2mm-Stift passt ins siebte Loch. Man zählt also nach links und erhält sieben Löcher. Folglich passte er in ein Loch mit 7x0,02mm=0,14mm Spiel, also in ein Loch mit 2,14mm Durchmesser. Diese Toleranz muss man in Zukunft einhalten, wenn Bolzen in Löcher passen sollen.
Man kann natürlich auch die absoluten Lochdurchmesser ermitteln, indem man beispielsweise ausprobiert, in welches Loch ein 1mm- oder 2mm Messingdraht hineingeht, oder auch indem man den tatsächlichen Durchmesser der beiden Bolzen mit dem Messschieber bestimmt.
Übrigens kann und wird sich die erforderliche Toleranz mit der verwendeten Schichtdicke ändern - man muss das also für jede Schichtdicke einmal drucken und ausprobieren.
Und nun noch ein Disclaimer:
Ich habe diese Objekte nach bestem Wissen und Gewissen konstruiert, und ich denke, dass sie für normale FDM-Drucker ungefährlich sind. Sie gehen aber an die Grenze dessen, was diese Drucker drucken können. Logischerweise kann ich keine Garantie übernehmen und schließe im Falle eines Schadens am Drucker vorsorglich jede Haftung aus.
Dies gilt insbesondere auch, falls jemand diese Dateien benutzt, um damit andere Druckertypen wie einen SLA-Drucker zu testen. Ich kenne mich mit SLA-Druckern überhaupt nicht aus und habe keine Ahnung, ob denen solche Strukturen "wehtun". Daher muss ich auch hier sagen: Ich habe nichts dagegen, wenn jemand es probiert, aber Ihr macht das auf Eure eigene Gefahr!
Viele Grüße und viel Spaß beim ausprobieren
Rolf