Heute gibt es eine Doppelfolge:
Die Flugbahnstory Teil 3: Letzte Hoffnung Cavembourg
In Heidelberg war man indes nicht untätig. Mehr als vierzig Patente hatte die G. f. V. angemeldet, alle Entwürfe baureif durchgezeichnet und erste Kontakte zu verschiedenen Versuchsanstalten geknüpft. "Nun fehlt uns nur ein Prototyp, sonst kommen wir nicht weiter", meinte Stedefeld, nachdem er seinen Freund Kruckenberg zuhause willkommen hieß und dieser seinen Bericht beendet hatte. "Kopf hoch, mein Freund, ich habe da gute Neuigkeiten!", versuchte Stedefeld ihn aufzumuntern. Tatsächlich hatte er in der Reichsbahn-Gesellschaft, im Verkehrsministerium und im Magistrat von Groß-Berlin Gespräche geführt und Ausstellungen abgehalten. Sogar einzelne Trassen war er abgewandert und hatte mit den zuständigen Bauämtern verhandelt. Allesamt hatten sie kopfschüttelnd abgewunken: "Zu teuer!" - "Zu unsicher!" - "Bitte keine Propeller!"
Doch die Flugbahnidee sprach sich herum. Und kaum, daß Stedefeld zurück in Heidelberg war, bekam er unerwartet ein Telegramm. Stedefeld hatte keine Ahnung was das zu bedeuten hatte. Zuerst dachte er, jemand erlaube sich einen schlechten Scherz, doch ein paar Tage später folgte ein ausführlicher Brief, und seine Sorgen lösten sich in Luft auf.
Es gab tatsächlich einen Visionär und Mitstreiter, der über die erforderlichen Mittel verfügte, den Prototypen eines Einschienen-Hängeschnellbahnwagens herzustellen: Konrad Dressler, seines Zeichens Chef der Königlich-Cavembourgische Dampflokmanufaktur.
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Das Telegramm, das am 2. Mai 1925 in Heidelberg eintraf. Der Text lautete: "Ein hängender Propellerwagen? - Wir haben Interesse! Dressler, KCDM Cavembourg".
"Wo und was, um alles in der Welt, ist Cavernburg?" war dann auch die erste Frage Kruckenbergs. "C-a-v-e-m-b-o-u-r-g, mein Lieber. Ein kleines Königreich, gar nicht so weit weg, drüben in Luxemburg." Stedefeld entfaltete eine Landkarte und tippte mit dem Finger auf die Stelle, auf der Königreich Cavembourg eingezeichnet stand. Er hatte schon alles Wissenswerte über dieses kleine, unscheinbare Land zusammen getragen: "Regiert wird es von einer jungen Königin, Siegfriede der Ersten. Trotz der bescheidenen Landesgröße, gibt es scheinbar ein florierendes Eisenbahnnetz. Seinerzeit leistete dort sogar die alte Adler ihren letzten Dienst. Diese Dampflokmanufaktur scheint eine Innovationsschmiede zu sein." Er zog zwei Papiere hervor, "Et voilá: Zwei erste Klasse Fahrscheine für den kommenden Montag. Die lagen dem Brief bei." Zwei Billetts flatterten auf den Tisch. Kruckenberg lachte.
Teil 4: Der Prototyp
Sechs Monste später: Es war ein herrlicher Morgen. Die hohen Berge Cavembourgs standen in golden-herbstlichen Farben der Buchen- und Eichenwälder, darüber erstrahlte ein tiefblaues Firmament. Auf dem Betriebsgelände war bereits emsiges Treiben: Lokomotiven standen bereit, man hörte metallisches Hämmern und das Fauchen des Dampfes. Es roch nach Öl. Kohlenrauch kratzte in seiner Nase, als Kruckenberg den Lokschuppen betrat und die Arbeit der letzten Monate betrachtete. "Gesundheit!", rief es hinter ihm, als er genossen hatte, "und einen schönen, guten Morgen!" Stedefeld trat zu ihm. "Na, dann wollen wir mal das Kindchen schaukeln!" Der Prototyp war fertig geworden. In nur 5 Monaten hatten sie einen Hänge-Schnellbahnwagen gebaut, der heute der Weltöffentlichkeit präsentiert werden sollte. Zahlreiche Fotografen und Zeitungsleute waren angereist. Manche weilten schon seit Tagen in der Stadt. Die beiden Ingenieure hatten ihnen Interviews gegeben und ihre Pläne erläutert. Den Wagen aber hatte noch keiner zu sehen bekommen. Das hob man sich bis zum Schluss auf.
Dressler, unter dessen Organisation und Logistik dieses Meisterstück in so kurzer Zeit vollbracht werden konnte, wies gerade einen Lokführer an, den Hängewagen hinaus zu rangieren. Auf zwei Hilfsdrehgestellen zog man ihn auf die Drehscheibe vor den Lokschuppen. Im hellen Morgenlicht glänzte seine weiße Oberfläche. Die beiden Ingenieure betraten damit neues Land in der Fahrzeugtechnik. Die konsequente Leichtbauweise, die innovative, hydraulische Hängevorrichtung und die Stromlinie der Außenhülle hatte ihnen zahlreiche Patente eingebracht. Doch beiden war klar: Der gößte und schwierigste Schritt stand ihnen noch bevor. Ohne den Bau einer Einschienenbahn, blieb der Prototyp nur eine Studie.
Die Zeitungsleute und Fotografen hatten nun reichlich Gelegenheit, den Wagen zu inspizieren.
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Der Prototyp des Einschienen-Hängeschnellwagens von Kruckenberg und Stedefeld auf der Drehscheibe im BW Cavembourg. Angetrieben wird der Propeller von zwei BMW IV Motoren mit jeweils 230 PS über Kardanwelle. Nicht nur der Antrieb mittels Propeller war neuartig, sondern auch die hydraulische Konstruktion der Hängevorrichtung. Durch das ausgeklügelte, hydraulische System war es möglich den Wagen aktiv in Kurven zu neigen. Es sollte ihm auch bei Seitenwinden und hohen Geschwindigkeiten Stabilität verleihen.
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In Kombination mit der konsequenten Leichtbauweise versprach man sich Geschwindigkeiten von über 300 km/h. Sowohl der Propellerantrieb, als auch die Neigetechnik wurden dem staunenden Publikum vorgeführt, indem man die Motoren startete und den Hängearm seitlich ausschwenkte. Da man viele Teile, auch die Motoren, aus dem Prototyp für den Bau des Schienenzeppelins wiederverwendete, wurde der Wagen bald nach der Präsentation komplett zerlegt und nach Hannover verschickt. Er existiert heute nicht mehr.
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Nur die hydraulische Hängevorichtung blieb erhalten und befindet sich im Königlichen Museum für Technikgeschichte Cavembourg. Die Einwohner Cavembourgs sind bekanntlich sehr eisenbahnafin und noch heute stolz auf die damalige Pionierarbeit.
Fortsetzung folgt: Teil 5 - Der Schienenzeppelin
Ergänzungen:
Die Idee einer propellergetriebenen Hängebahn hatte vier Jahre später auch der schottische Ingenieur George Bennie. Er konnte 1929 eine 120 Meter lange Teststrecke samt Fahrkabine errichten: Die "George Bennie Airspeed Railway". Sie hatte aber nur wenig mit der Kruckenbergschen Flugbahn gemein. So fehlten ihr die Innovationen im Leichtbau, in der Stromlinienform und Aufhängung. Bennies Kabine musste mit einer unteren Führungsschiene stabilisiert werden. Da Bennie seine Bahn aus eigener Tasche finanzierte, war er wenig später bankrott, Sein Railplane kam nie über eine Testphase hinaus. Es ist wenig wahrscheinlich, daß er das Konzept und die Pläne von Kruckenberg und Stedefeld kannte.
Auf Youtube gibt es auch einen ausführlicheren Film über das schottische RailplaneDie Patente für die Kruckenbergsche Hängeschnellbahn sahen so aus:Bild entfernt (keine Rechte)
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Sie wurde leider nie verwirklicht.