Tach zusammen,
nachdem Reinout meinen Beitrag über das Anschlussgleis der Kiesgesellschaft am Altrhein bei (Xanten-)BIrten bei drehscheibe-online entdeckt hat, möchte ich euch das, was davon für die Modellbahn interessant sein könnte, nicht länger vorenthalten.
In der Umgebung von Xanten am Niederrhein befindet sich eine alte, bei der Rheinbegradigung im 18. Jh. vom Hauptfluss abgetrennte Rheinschleife. Das Gebiet, das von dieser Schleife umfasst wird, nennt sich "Bislicher Insel" und enthielt reiche Sand- und Kiesvorkommen. Mitte der zwanziger Jahre erhielt die Kiesgesellschaft Wesel die Konzession, diese Vorkommen auszubaggern.
1927 genehmigte die RBD Köln/Preußische Kleinbahnaufsicht eine knapp 1 km lange Anschlussbahn, die vom Ufer des Altrheins zum Bahnhof Birten an der Boxteler Bahn führte. Diese 1878 eröffnete, privat betriebene Bahnlinie verband die niederländische Stadt Boxtel mit Wesel; hier verkehrten bis zum Ersten Weltkrieg internationale Schnellzüge. Mitte der zwanziger Jahre übernahm die Reichsbahn den Betrieb auf deutscher Seite und stufte die Strecke zur Nebenbahn herab.
Ab 1928 war der Anschluss in Betrieb. Der Sand- und Kiesbedarf war hoch, dementsprechend groß war das Frachtaufkommen. Auf einem Luftbild vom Ende der zwanziger Jahre sind 27 offene Wagen im Anschluss zu sehen:
Dieses Bild war für mich der Auslöser, genauer nachzuforschen. Recherchen über google und Hinweise z.B. in Ralf Trosts Buch "Eine gänzlich zerstörte Stadt" über Xanten im Zweiten Weltkrieg brachten mich auf die Spur der Kiesgesellschaft Wesel (ab 1944 Rheinkies-Baggerei Dr. Wolfgang Boettger) und ins Landesarchiv NRW. Außerdem reagierte ein User aus diesem Forum und aus DSO und ließ mir eine CD mit (für mich) sensationellen Bildern dieser Kiesverladeanlage zukommen, von denen ich euch einige zeigen werde. Zuvor aber muss ich das Ende der Geschichte noch erzählen.
Infolge der schweren Zerstörungen durch die Kämpfe am Niederrhein war die Boxteler Bahn nach 1945 mehrfach unterbrochen und teilweise ihrer Gleise beraubt. Die Rheinbrücke bei Wesel war zerstört, sodass der Bahnline der Anschluss an die große weite Welt fehlte. Das Teilstück zwischen dem Bahnhof Birten und dem Fürstenberg zwischen Xanten und Birten (bei dem Wort "Birten" in der Karte oben) war jedoch einigermaßen unversehrt. Die Rheinkies-Baggerei beantragte daher beim Betriebsamt Kleve, dieses Reststück durch eine Weiche mit dem provisorisch wieder aufgebauten Gleis der Strecke Duisburg - Kleve (an der das Vorbild meines Modellbahnhofs Alpen liegt) zu verbinden. Die Weiche stellte die Rheinkies-Baggerei zur Verfügung.
Im Dezember 1948 war der Anschluss wieder hergestellt. Die Rheinkies-Baggerei rechnete mit täglich 15 – 20 Waggons, doch diese Zahlen wurde nicht mehr erreicht. Das lag zum einen daran, dass die erhofften Aufträge vonseiten der Reichs- bzw. Bundesbahn ausblieben. Zum anderen stiegen die Kosten für den Gleisanschluss erheblich an (278 Reichsmark bis 1945, dann 4.183,92 DM; Details hier), weil die Bahn der Rheinkies-Baggerei auch die Nutzung des Gleises der Boxteler Bahn von der Weiche bei Winnenthal an in Rechnung stellte. Mit einem Schlag war der Betrieb unwirtschaftlich geworden.
1949 wurden 563 Waggons abgefertigt. In den folgenden Jahren sank die Zahl der Wagenladungen kontinuierlich. Für 1953 nennt die Akte noch 109, 1955 und 1956 wurden keine Wagen mehr abgefertigt.
Als sich 1956 die Wiederherstellung des Bahndammes zwischen Winnenthal und Xanten abzeichnete, kündigte die Rheinkies-Baggerei ihren Gleisanschluss. Die Bundesbahndirektion Köln nahm die Kündigung an und schrieb am 17. April 1956 an die Rheinkies-Baggerei:
„Wir bitten, die Ihnen gehörige Anschlussweiche aus dem ehemaligen Munagleis erst dann zu beseitigen, wenn wir unseren Betrieb auf der wiederhergestellten Strecke Duisburg – Kleve eröffnet haben und somit das Munagleis nicht mehr benötigen. Auf die Schließung der entstehenden Gleislücke im Munagleis wird verzichtet.“
Ein Jahr später hält eine Aktennotiz das Ende der Geschichte fest:
„Im Beisein des Gf. [Geschäftsführers] Fleischer der Fa. Rheinkies Baggerei Wesel am 9.4.57 festgestellt, daß Anschlußanlagen im Bereich der DB beseitigt sind.“
Weitere Details findet Ihr auf meiner Homepage www.hippelandexpress.de.
So. Nach so viel Text gibt's was für's Auge.
Zunächst drei Übersichtsbilder:
Wenn Ihr die Bilder vergleicht, sehr Ihr, dass der Verladebunker zunächst zwischen Rheinufer und äußerem Gleis stand. Eine Brücke mit Feldbahngleis verband den Bunker mit der links sichtbaren "Teersplit-Mischanlage".
Leider sind die Bilder nicht datiert, sodass ich nur sagen kann: Später rückte der Bunker über das äußere Gleis und der Kies wurde (dann auf der anderen Seite des Gebäudes) per Förderband in die Mischanlage befördert.
Die Kiesgesellschaft verfügte für den Verschub über eine kleine Dampflok:
Auf diesem Bild vom Altrhein aus gesehen vor einigen offenen Wagen:
Der Verladekran:
Die Anlage nach Ende des Bahnbetriebs aus der Luft (mit weiterem Bunker):
Die nächsten zwei Bilder zeigen die Beladung von LKW (Kennt jemand die Typen?). Damit lassen sich die Dimensionen etwas besser einschätzen:
Auf beiden Bildern steht oben auf dem Gerüst jemand und bedient (vermute ich) die Schütten.
Eine Fahrzeugwaage gab es auch:
Bei Interesse kann ich auch noch die Betriebsabläufe schildern. Dazu fehlen mir aber die Bilder ...
Das Esemble aus Altrheinufer, Verladekran, Verladebunker und Teermischanlage schreit geradezu nach Nachbau, verbunden mit viel Selbstbau. Da werde ich mich langsam rantasten müssen, denn in dem Umfang habe ich das noch nie gemacht. Die erste Frage wäre: Plastik oder Messing? Oder eine Kombination?
Zuerst muss ich das Segment mit der Brücke so weit fertig machen , dass ich es mit den anderen Segmenten verbinden und wieder fahren kann. Ich halte euch weiter auf dem Laufenden .