Hallo zusammen,
verschreckt durch die Ankündigung der Einstellung, nutzte ich kürzlich, obwohl nicht gerade in der Nähe wohnend, eine günstige Gelegenheit, diese Schau zu besuchen - und bin begeistert! Schade, wenn sie wirklich aufhören würden. Allein das Ambiente gegenüber vom Bf. Driburg in dem alten, wuchtigen, stilvollen Gebäude, dem mit seiner schönen Sandsteinfassade und der soliden Dachstuhlkonstruktion eher das Prädikat "Güterabfertigungspalast" anstelle von Güterschuppen gebührt, ist sehr stimmig für die Beheimatung einer Modellbahngroßanlage.
In dem Beitrag von Thomas (WiTo) vom 12.03.17 ist bereits einiges Zutreffendes zu der Anlage bemerkt worden. Auch ich habe mit dem anwesenden Anlagenbetreuer gesprochen und hatte nicht den finalen Eindruck, dass die Anlage definitiv vor dem Aus steht. Die "Macher" (Betreiber, Modellbauer) sind nicht "baumüde", im Gegenteil: Sie würden mit großer Freude und Elan gerne weitermachen - auch Neues errichten. Was hier fehlt, so wurde berichtet, sind die Möglichkeiten zur Erweiterung. Und Erweiterung ("Wachstum") müsse sein, um die Attraktivität zu erhalten und zu beleben. Akute wirtschaftliche Probleme seien momentan nicht die Triebfeder für die Einstellung des Betriebs in der jetzigen Form und am jetzigen Ort. Es gebe sowohl Kaufinteresse für die bestehende Anlage durch einen Externen als auch werde die Suche nach einer größeren, kostengünstigen Halle aktiv betrieben (in die bei Nichtzustandekommen des Verkaufs die Altanlage umziehen und dort als Basis für Erweiterungen dienen würde). Ich drücke den Betreibern und Machern die Daumen für dieses Unterfangen!
Prospekt und Internet-Auftritt versprechen nicht zu viel. Das Eigentümliche und zugleich auch Einmalige dieser großartigen Anlage ist ihre strikte Authentizität, und zwar gleich in 3-facher Hinsicht: in der Bahnepoche (Mitte der 1970er Jahre), im Landschaftsraum (Weserbergland, Raum Altenbeken, Bad Driburg, Ottbergen) sowie in der zugehörigen Betriebsdynamik. Die Landschaftsgestaltung ist erstklassig. Zu Recht gelobt werden die Bäume und Wälder, aber auch die Darstellung der Kulturlandschaft mit Wiesen und Äckern ist so überzeugend und harmonisch, wie ich es sonstwo noch nicht gesehen habe. Nicht nur Beiwerk, sondern auch Thema. Die Streckenführungen sind großzügig und elegant. Als Betrachter findet man wie von ungefähr Beobachtungspunkte, die einen geradezu in Landschaft und Bahnbetrieb "hineinziehen". Man denkt dauernd, hier läuft ein Video der realen Welt ab und ist im nächsten Moment verblüfft, dass es doch nur Schau und mechanische Simulation im Kleinen ist.
In einem Beitrag zu diesem Thread wurde bemerkt, dass man das Altern des Fuhrparks vielleicht ein wenig übertrieben habe. Obwohl auch ich dem künstlichen Altern von Modellen skeptisch gegenüberstehe (weil es nur dann richtig gut wird, wenn ein wahrer Könner am Werk war), muss ich hier konzedieren: Es ist so gut gelungen, dass man es beim ersten Hinsehen gar nicht bemerkt, weil es absolut stimmig ist. Man muss auch bedenken, dass die Dampfloks in den 1970er Jahren in ihren letzten Rückzugsgebieten nicht museumsmäßig aufpoliert daherkamen, sondern mit deutlichen Rost- und Verkalkungsspuren und stumpfem Lack. Sie wurden auf Verschleiß gefahren, und die Wartung beschränkte sich nur noch auf das Nötigste. Führe auf dieser Anlage ein Zug wie frisch aus der Verpackung geholt, empfände das jeder Modellbahner als Schlag aufs Auge - es würde optisch und "gefühlt" schmerzen.
Der Authentizität geschuldet, gibt es keine Oberleitung, folglich keine E-Loks, sondern es fahren etwa zu zwei Dritteln Dampfgüterzüge, der Rest sind Güter- und Personenzüge mit Dieseltraktion. Die Personenzüge sind zum Teil beleuchtet. Es finden gleichzeitig etwa 15-20 Zugfahrten (inkl. Rangierfahrten) statt; höchstens dieselbe Anzahl Züge mag noch einmal im Schattenbahnhof stehen – eher weniger, denn nach gut 2 Stunden Schauen war die Varianz erschöpft. Klasse geht vor Masse. Der Fahrbetrieb wird mit nur einer Zentrale gesteuert. Ursprünglich war Selectrix, heute ist DCC das vorherrschende Übertragungsprotokoll.
Auf der Anlage ist Tag-Nacht-Wechsel eingerichtet. Die meisten Loks verfügen über Sound, der präzise eingestellt ist und sich dank der Größe der Anlage und der Zugabstände selten unangenehm mit anderen Soundquellen überlagert. Allein diesen Punkt kann die Anlage als voll gelungen für sich verbuchen. Auf keiner Profi-Anlage habe ich bisher das weit vor dem „Halt“ zeigenden Signal einsetzende Auslaufen und Bremsen so realistisch in Zeitablauf UND Soundbegleitung erlebt, wie hier eindrucksvoll demonstriert. So sollte es sein mit der verfügbaren modernen Decoder- und Steuerungstechnik! In den Sekunden des Wartens vor dem Signal setzt irgendwann die Luftpumpe ein, und der Heizer beginnt mit dem Nachschaufeln, um für den nächsten Anstieg Vorsorge zu treffen. Besser geht nicht. Diese Signalhalts sind Erlebnisse und voller Eisenbahnleben der klassischen Art. Der Schwerpunkt der Anlage liegt auf dem Güterverkehr und dem mit diesem zusammenhängenden Betriebsgeschehen in einem BW, für das das historische BW Ottbergen nachgebildet wurde. Hier gibt es Ablaufberg, sehr lange Zugzusammenstellungsgleise, Lokwechsel mit und ohne Zugrichtungswechsel, Einsetzen von Doppeltraktion und echtem Nachschiebebetrieb. Zwischendurch erreicht das BW eine Leerfahrt aus vier 44er Dampfloks als gekuppelter Zugverband, und man staunt.
Beim Lokwechsel dominiert die BR 44 als hier typischer Vertreter der seinerzeit bereits ausgehenden Dampflokära. Und nun kommt das unanfechtbare Alleinstellungsmerkmal dieser Anlage: Während bei Loxx und MiWuL ein BW mit Drehscheibe und Rangiergelände nur Beiwerk ist, wo nichts passiert, herrscht hier realistischer Betrieb, und zwar bis ins Detail. Es wird angehalten zur Entschlackung, zur Bekohlung und zur Wassernahme, bevor es auf die Drehscheibe und in den Ringlokschuppen geht. Währenddessen hat sich eine vom BW bereitgestellte Lok bereits an die Spitze eines noch loklosen Güterwagenverbandes angekuppelt und wartet nun auf den Abfahrtauftrag. Bei der Drehscheibenauffahrt hält man die Luft an: Bei einer 44er bleiben auf beiden Seiten jenseits von Vorlaufachse und letzter Schlepptenderachse nur drei, vier Millimeter freies Gleis. Und es gelingt! Und all das geschieht VOLLAUTOMATISCH und in höchster Präzision dank elektronisch angesteuerter Kupplungen von T4T und der Steuerungssoftware TrainController (Gold), die hier zeigt, was sie kann (bzw. was der gewiefte Anwender mit ihr verwirklichen kann). Da kommen die Großanlagen in Berlin und Hamburg nicht mit. Das scheint es in dieser Form (im höchste Zuverlässigkeit erfordernden!) Dauerbetrieb nur hier zu geben. (Der Fairness halber: Im ONTRAX in Utrecht z. B. gibt es das auch, allerdings im Kleinformat und nicht im Rahmen eines großen BWs.)
Als ich Mitte Mai über Samstagmittag da war, zählte ich 45 Leute im Raum. Das ist nicht zu viel, um an alle Stellen einmal heranzukommen und dort in Ruhe dem Betrieb zu folgen. Ob die Zahl für einen wirtschaftlichen Betrieb ausreicht, vermag ich mit dieser Stichprobe nicht zu beurteilen. Wie üblich, meist ältere Männer, hier und da auch eine "mitgenommene" Frau und ein paar kleine Kinder, die die Knöpfe der diversen "Schmankerl" drücken (was aber auch die Erwachsenen gerne tun), um dann z. B. zu erleben, wie einer dieser mächtig-prächtigen Modellbäume unter Motorsägenlärm gefällt wird (um sich später, in einem unbeobachteten Moment, wieder heimlich aufzurichten). Jugendliche: Fehlanzeige. Für die Kleinen ist der hier gezeigte entschleunigte, aber deswegen voll realistische Betrieb nicht reizintensiv genug, was keine Kritik sein soll - das muss man bei diesem konsequenten Anlagenkonzept hinnehmen.
Kritik? Ganz wenig. Als Signale wurden durchgehend Formsignale von Viessmann aufgestellt. Größe, Filigranität, Nah- und Fern-Anmutung, Beleuchtungswirkung - alles okay. Leider zeigen gut 50 % der Signale "entgleiste" Flügelstellungen jenseits der nur möglichen horizontalen, vertikalen oder 45°-Ausrichtung. Mir wurde als Begründung erklärt, dass die Originalantriebe von Viessmann sich als nicht dauerbetriebstauglich herausgestellt hätten und man deshalb alle Signale mit Servos ausgestattet habe. Offenbar ist hier das mechanische Zusammenspiel nicht immer problemlos oder es mangelt an der Wartung. Bei dem für meine Begriffe perfekt angelegten Gleis mit großen Radien, nur auf dem Schienenkopf metallisch glänzenden Schienen und schlanken Weichen verfügen letztere generell über Weichenlaternen. Diese sind zwar nachts beleuchtet, drehen sich aber bei der Umstellung der Weiche nicht mit. Es hat mich gestört, Züge über den abzweigenden Ast fahren zu sehen, während die vorbildlich beleuchtete Laterne das Weichensignal Wn1 ("Fahrt durch den geraden Strang") zeigt. Auf einer Anlage, die ein ansonsten - auch in der Signalisierung - vorbildliches Betriebsgeschehen zeigt, sollte hier nachgearbeitet werden. Vielleicht ergibt sich ja mit einem Neuanfang die Möglichkeit, hier noch einmal Hand anzulegen.
Die Zukunft der Anlage? Wie gesagt, ungewiss. Wie jede Unternehmung, birgt ein Neuanfang Risiken für die Betreiber. Obwohl ich auch Besucher aus den Niederlanden antraf, liegt Bad Driburg in Deutschland zwar einigermaßen zentral, aber eben doch ziemlich abseits der großen Verkehrsadern und Touristenströme. Die Anreise von weiter her ist umständlich; "Laufkundschaft" gibt es nicht. In Großstädten gibt es weniger Probleme, Besucher zu rekrutieren. Während MiWuLa mit der (mutmaßlich weltweit unerreichten) schieren Größe der Anlage auftrumpft, liegt der Schwerpunkt von Loxx bei den "Miniaturwelten", wozu z. B. die Nachbildung der Berliner Stadtbahn mit ihren bekannten historischen Bahnhöfen, aber auch Regierungsviertel, Alexanderplatz und ein echter Flughafenbetrieb gehören. Deshalb steht hier der Modellbahn-BETRIEB nicht unbedingt im Vordergrund, sondern ist attraktive Ergänzung, bringt Leben in die Stadtlandschaft. Kann eine Anlage nach dem Driburger Konzept dagegen bestehen? Fest steht, Driburg hat einen Standortnachteil. Der ist gegeben und auch nicht aufhebbar, denn weder wollen die dortigen "Macher" deswegen ihren Lebensmittelpunkt aufgeben noch würde eine Verpflanzung von Altenbergen, Ottbergen und Co. in eine Großstadt im Ruhrgebiet Sinn machen, wenn es bei dem strikten Verharren in Weserbergland, Epoche IV und zugehörigem Rollmaterial bliebe. Wenn Neuanfang, dann müssen tatsächlich Anlagen-Erweiterungen und -Ergänzungen her, auch thematisch. Dessen ungeachtet kann man große Teile der Anlage getrost in den 1970ern belassen, gab es doch in dieser Zeit ein unwiederbringliches Nebeneinander von Dampf-, Diesel- und Elektrotraktion mit umfangreichem Stückgutverkehr, noch relativ verbreiteten Kurswageneinsätzen und aktivem BW-Betrieb. Später verarmte der bahntypische Betrieb hin zu mehr Ganzzügen, weniger Rangieren, fast kaum noch Kurswagenverkehr, kaum noch größere BW-Aktivitäten im Freien.
Trotzdem gehört zu einer Schauanlage auch Modernes hinzu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ausschließliche Verharren in den 1970ern auf Dauer ein tragfähiges Konzept darstellt. Es müssen auch moderne Züge gezeigt werden (z. B. das "Flügeln" der ICEs in Hamm), das heutige Signalsystem Ks mit seiner "optisch aktiven" Blinkfunktion und der aufwändigen Zusatzanzeigerausstattung, die weitaus häufigere Nutzung des Gleiswechselbetriebs, was das Fahrtgeschehen auf einer Modellbahnanlage verdichteter, abwechslungsreicher und mitunter ein Stückweit "unberechenbarer" und aufregender macht. Wer z. B. einmal im Bf. Zürich-Oerlikon beobachtet hat, wie zügig geräumte Gleise wieder befahren, wie kurz hintereinander Weichenstraßen mit Zugfahrten belegt werden, bekommt als Modellbahner ein natürliches Verlangen, diese "Natur" möglichst realistisch (oder vielleicht sogar noch etwas optimiert) auf eine Modellbahnanlage zu holen. Jedenfalls geht es mir als "Betriebsbahner" so - auch wenn mich das Gegenteil davon, wie auf der "Modellbundesbahn" gesehen, voll begeistern kann. Durch die modernen elektronischen Stellwerke und Betriebsleitzentralen, durch Sicherungstechnik ETCS und dem "Moving Block"-Betrieb ab ETCS Level 3 lässt sich das Gleisnetz dichter belegen und der Zugverkehr gegenüber früher intensivieren (mehr „Falschfahrten“, mehr Zugüberholungen auch auf freier Strecke usw.). Hier bieten sich - trotz der erwähnten teilweisen Verarmung des Betriebs - neue reizvolle betriebliche Aufgaben, die der Umsetzung auf einer Großanlage auf dem hohen Niveau der "Modellbundesbahn" harren und dann wieder ein Alleinstellungsmerkmal wären, denn weder MiWuLa noch Loxx scheinen hier Ambitionen in diese Richtung zu zeigen.
Noch eine Anregung: Ein modernes Anlagenkonzept sollte das Publikum zum Mitmachen einbeziehen. Warum kann an drei, vier Stellen der Anlage nicht ein Bildschirm mit Eingabemaske (Touchscreen) stehen, der es dem Besucher ermöglicht, in das Geschehen einzugreifen, also z. B. eine Abfahrtsverspätung in einem Bahnhof zu erzwingen, um dann zu sehen, wie der (ansonsten automatisierte) Betrieb darauf reagiert und das auch wieder "ausbügelt". Natürlich müssen solche Schnittstellen zum Besucher technisch "maskiert" werden, damit das Betriebsgeschehen sicher bleibt und auch nicht zum Erliegen kommt. Aber ich denke, es gibt hier viele Möglichkeiten, um mit moderner Technik ein breites Publikum anzusprechen. Darin kann das ursprüngliche "Modellbundesbahn"-Konzept durchaus als gelungenes Teilkonzept aufgehen.
Ich wünsche dieser hervorragenden Anlage jedenfalls ein wie auch immer geartetes Überleben in erneuerter Attraktivität!
Rainer
PS: Und wer noch nicht da war - hinfahren und sich verzücken lassen! Zu sehen ist ein Stück perfekter Modellbahnbau und -betrieb. Die Zeit läuft: nur noch 23 Besichtigungstage, bis die Lichter für unbestimmte Zeit ausgehen.