RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#1 von greg , 16.03.2019 08:19

Hallo zusammen

Lesenswert: https://edition.faz.net/faz-edition/wirt...9d4551/?GEPC=s1

Schöne Grüße
gregor


Herzlich willkommen in C A V E M B O U R G - Eisenbahnperle im Herzen Europas


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#2 von mittelweg , 16.03.2019 09:43

Als (leider) ehemaliger Eisenbahner kann ich alles nachvollziehen, was er schreibt.


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#3 von Atlan , 16.03.2019 10:47

Hallo,

als Eisenbahner kann ich jeden Punkt unterschreiben. Leider.
Aber ich finde auch, dass die Bahn hier in Deutschland ohnehin einen schweren Stand hat:
-Das fängt an, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr wenig Geld für den Eisenbahnverkehr ausgibt (rd. 65 Euro pro Kopf, die Schweiz weit über 300 Euro). Und anscheinend ist weder
die Politik noch die Mehrheit der Bürger bereit, mehr Geld dafür auszugeben.
-Dann die - meiner Meinung nach - völlig verfehlte Verkehrspolitik, die immer noch wesentlich mehr Geld in die Strasse steckt als in die Schiene. Da werden lieber Millionen für ein Forschungsprojekt ausgegeben,
bei dem LKW´s ein Stromabnahmer auf´s Dach geschraubt wird damit diese elektrisch fahren können, anstatt dringend benötigte Bahntrassen zu bauen. Das Kerosin ist weiterhin steuerbefreit und Fernbusse
brauchen keine Maut zu zahlen.
-Im Flugverkehr nimmt man es schnell hin, wenn der Flieger mal 2 oder 3 Std. Verspätung hat. Oder man auf einen anderen Flug umgebucht wird, der einen halben Tag früher/ später geht. Oder man steht mit
dem Auto oder mit dem Bus 1- 2 Std. im Stau - das ist dann schnell wieder vergessen. Wenn hingegen der ICE 10 Minuten Verspätung hat, schnellt bei vielen Reisenden sofort der Blutdruck hoch.

Die Liste könnte man noch elendig lange weiter fortführen. Diese verfehlte Politik zusammen mit dem (teilw.) Unvermögen der Bahnmanager kann nicht zu einem guten Schienenverkehr führen.
Und wenn dann ein ganzes Land, die Politik, die Presse und auch die Bürger, Tag für Tag regelrecht darauf warten, die Bahn zu kiritisieren und zu zerrreissen (ob nun im Einzelfall berechtigt oder nicht), dann ist es kein
Wunder, dass das Image der Bahn so schlecht ist.

Trotzdem: Sieht man, wie stiefmütterlich die Bahn hier in Deutschland behandelt wird, wie oft ihr Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, und schaut man ins Ausland (nicht nur immer die Schweiz, sondern
auch mal nach Frankreich, Belgien, Italien...) finde ich, dass die Bahn sich noch (!) recht akzeptabel schlägt.
Was nicht zuletzt auch den von Reisenden oft beschimpften und bespukten Eisenbahnern vor Ort zu verdanken ist!

Gruß
Manni


Gruß Manni


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#4 von -Rettungszwerg- ( gelöscht ) , 16.03.2019 11:43

Der Brief des Lokführer's ist wirklich nachvollziehbar. WE er selbst schreibt muss das Personal IM ZUG die ganzen Probleme ausbaden. Und das ein Großteil der Manager keinen Bezug zur Realität hat unterschrieb ich sofort. Es gibt einfach Bereiche welche nicht privatisiert werden dürfen. Dazu zähle ich nicht nur die Bahn sondern auch das Gesundheitswesen wie Rettungsdienst, Krankenhäuser und Alten oder Pflegeheime.

Das es die Bahn nicht leicht hat stimmt auch. Die wenigsten wollen doch Bahngleise neben ihrem Wohnzimmer liegen haben. Auf der anderen Seite trägt die Bahn selbst einen großen Batzen Verantwortung fuer viele ihrer Probleme. Ich verstehe bis heute nicht warum man S21 baut und braucht. Weshalb mein einen aus meiner Sicht denkmalgeschützten leistungsfähigen Bahnhof unter die Erde legen muss und der neue bahnhof noch nicht mal im. Ansatz so leistungsfähig wie der alte ist...
Weshalb investiert man als Bahn im Ausland in dortige Busunternehmen und nicht auf innerdeutschen Strecken? Warum verringert man als Bahn die Umschlagbahnhöfe fuer Güter und investiert nicht dort?

Ich fahre gern mit dem ÖPNV. Aber auch ich kann rechnen.... Warum soll ich für eine Bahnstrecke 5,10 eur bezahlen wenn ich mit dem Bus von Bahnhof zu Bahnhof für 3,90 Euro fahren kann und nur 12 Minuten länger fahre...?

Die Bahn sollte ihre Preise den örtlichen Gegenheiten anpassen und nicht irgendwie berechnen... Die Bahn sieht ja selbst nicht mehr bei Ihren Rabattsystemen durch....
Und das es schwer ist Personal zu finden verstehe ich auch. Aber ist es verwunderlich das es diese Probleme gibt wenn man als Beamter oder angestellter vom Unternehmen selbst gefrustet ist und auf der anderen Seite noch den Frust der Fahrgäste verarbeiten muss welche das Management verursacht?

Tja liebe Bahn, es gibt noch sehr viel zu tun.


-Rettungszwerg-

RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#5 von schuerfwunde , 16.03.2019 11:59

Ich bin kein Lokführer und kein angestellter der Bahn.

Dieser Brief ( wenn er echt ist ) ist ein Armutszeugnis.

Aber wie hörte erst kürzlich von einem Politiker?

Wir leben in dem besten Deutschland das je gab.

Nun also wenn er das sagt? Der Lokführer soll sich mal nicht so anstellen !


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#6 von V-Lok , 16.03.2019 12:07

Hallo Leute

Das Beste an dieser Bahnreform ist, das mir der Herr Mehdorn 10 Jahre bei diesem Trümmerhaufen geschenkt hat.

Hubert Lokführer aD


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#7 von uhx , 16.03.2019 12:25

Zitat

Ich fahre gern mit dem ÖPNV. Aber auch ich kann rechnen.... Warum soll ich für eine Bahnstrecke 5,10 eur bezahlen wenn ich mit dem Bus von Bahnhof zu Bahnhof für 3,90 Euro fahren kann und nur 12 Minuten länger fahre...?

Die Bahn sollte ihre Preise den örtlichen Gegenheiten anpassen und nicht irgendwie berechnen... Die Bahn sieht ja selbst nicht mehr bei Ihren Rabattsystemen durch....



Dieses Zitat verdeutlich mustergültig, warum differenzierte Kritik an "der Bahn", die das Problem und sein Ursache auch tatsächlich richtig adressiert, gar nicht so einfach ist. Wer ist denn "die Bahn" im obigen Beispiel? Nicht die Deutsche Bahn AG; denn verantwortlich für die Preisgestaltung und Angebot im Nahverkehr sind die Landesnahverkehrsgesellschaften. Die Landesnahverkehrsgesellschaften haben wiederum mit dem Rabattsystem "der Bahn" nichts zu tun. Das sind zwar alles Probleme, die irgendwie zusammenhängen, aber doch ganz unterschiedliche Adressaten haben. (Kritik an der Zergliederung der Verwaltung des Bahnverkehrs klingt ja auch im offenen Brief des Lokomotivführers an).

Einem einfachen Fahrgast, der ansonsten mit Struktur des Bahnverkehrs in Deutschland wenig am Hut hat, mag man nachsehen, dass für ihn "die Bahn" einfach nur "die Bahn" ist. (Also, Rettungszwerg, keine Kritik an dir, ich kenne deinen Hintergrund nicht und man kann eben nicht von jedem erwarten dort durchzublicken.) Leider hört man dergleichen aber viel zu oft auch in Wortmeldungen von Menschen (um jetzt nicht wieder nur einseitig auf "die Politiker" zu schimpfen), die es eigentlich besser wissen sollten.

Für die Lösung eines Problems ist es auf jeden Fall förderlich, wenn man die verantwortlichen Adressaten direkt anspricht, anstatt eine virtuelle Entität namens "die Bahn" anzurufen, bei der sich eigentlich niemand so richtig angesprochen fühlen muss. Daher mein Plädoyer an alle, die sich mit "der Bahn" etwas besser auskennen, Kritik differenziert und an die richtigen Adressaten gerichtet zu formulieren. Eine richtige Darstellung von Problem, Ursache und Verantwortung in der öffentlichen Diskussion und in den Medien hilft "die Probleme" zu lösen!


Schöne Grüße,
Ulli


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#8 von berndm , 16.03.2019 12:43

Hier passt dann dieser Thread: Euer Verhältnis zur Eisenbahn

Noch zur Fahrgastsicht: Natürlich ist es nach der mißlungenen Bahnreform schwer, zu erkennen, wer nun was verbockt. Im Nahverkehr sind es nun die Länder, die die Preise bestimmen. Dabei kommt es dann zu unverständlichen Preissystemen und - nennen wir es mal so - Vertragsbrüchen, wenn eine BahnCard 50 nur noch 25% Preisreduktion bringt. Andererseits, wer erklärt den Ministerien in den Ländern, welche Fahrpreise verlangt werden sollten. Im Grunde ist die Preisgestaltung ein unsinniges Chaos.

Zum Verhältnis Fahrgast - Bahnmitarbeiter: Natürlich kann ich auch verstehen, dass es nervt, wenn die Fahrgäste über jede Kleinigkeit meckern, während andere Verkehrssysteme auch versagen. Und es sollte auch klar sein, dass die Bahnen in Deutschland noch weniger funktionieren würden, wenn die Bahnmitarbeiter Dienst nach Vorschrift machen würden. Ich denke, dieses sollte man sich immer klar machen.
Andererseits, wer beruflich die Bahn nutzt und dann regelmäßig zwei- oder dreimal in der Woche eine Stunde oder mehr zu spät abgeliefert wird, hat einfach ein Problem. Da wäre es dann schon gut, wenn das wenigstens verstanden wird und nicht nur als Gequängele abgetan wird. Und so ein Verständnis kann dann halt mal sein, dass man nochmals bei der Transportleitung anruft und nach dem Anschluss fragt, dass man einem Reisenden rechtzeitig einen Tipp gibt, wie er den Anschluss doch noch erreichen kann, usw.


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#9 von Djian , 16.03.2019 15:21

Moin,

um es vorweg zu nehmen: ich bin kein Bahnmitarbeiter und kann zu den Leiden des Personals nichts Sachliches beitragen. Aber man bekommt ja so Einiges mit.

Meine grundsätzliche Meinung ist folgende: es gibt eine Reihe von Aufgaben, die hoheitlich geregelt werden sollten. Dazu zähle ich das Gesundheitssystem, Versorgung von Elektrizität und Wasser, sowie im Verkehrswesen die Bahn.
Zur Bahn: egal ob zu Bundesbahn- oder AG-Zeiten; es hat nie eine Chancengleichheit zu den anderen Verkehrträgern gegeben. Das fing nach dem Krieg damit an, dass die Bundesbahn Versorgungslasten ihrer Vorgängerorganisationen zu tragen hatte. Dies ist zumindest heute durch das Bundesvermögensamt aus der AG herausgelöst. Des Weiteren hatte die Bundesbahn den Auftrag einer "Grundversorgung", ohne dass der Bund als Eigentümer hierfür einen angemessenen Ausgleich entrichtete. Da war, je nach Haushaltslage man schlechter, mal weniger schlecht, aber der tatsächliche Preis der (vom Bund) bestellten Leistungen wurde nie entrichtet. Man sprach in der Öffentlichkeit von "Zuschüssen zum Haushaltsrisiko Bahn", obwohl es sich dabei eigentlich um Einnahmen aus (bestellten) Beförderungsleistungen hätte handeln müssen. Während es für die anderen Verkerträger Steuererleichterungen (z.B. Senkung der Kilometerabgabe im LKW-Werksverkehr in den 60ern, oder auch die Kilometerpauschale für Fahrten mit den privaten PKW zur Arbeit gab), hatte die Bahn ihr Schienennetz vollumfänglich aus ihren Einnahmen zu bestreiten. Das ist heute noch so und sicher mit der wesentliche Grund für a) hohe Schulden und b) eine zusammengestrichene Infrastruktur. auch das begann bereits in den 50ern: das Geld wurde vorwiegend in die Hauptabfuhrstrecken investiert, während in der Fläche (mangels liquider Mittel) auf Verschleiß gefahren wurde. Die DB (beide Organisationen) lebt(e) bei sich verringernden Investitionen und zunehmender Verschuldung deutlich von ihrer Substanz. So mussten und müssen eigentlich notwendige Investitionen stark eingeschränkt werden, die der Eigentümer Bund eigentlich zu tragen hätte. Der investiert(e) jeder lieber in andere Verkehrträger. Bis auf Lippenbekenntnisse der Entscheider hat es seit rund einem Menschenlebenkeine keine politsche Entscheidung gegeben, diesen strukturellen Nachteil zu beheben.

Eines kann ich in dem offenen Brief allerdings nicht teilen: was den Nahverkehr betrifft, hatte die Bundesbahn außer Streckenstillegungen keine innovativen Ideen. Das derzeitige Bahnnetz ist auch deshalb so ausgedünnt. Auf Bahntrassen, die in Radwege umgewidmet sind, wird so schnell kein Zug mehr fahren. Grundstücke, die bis an die Streckengleise verkauft und bebaut wurden, lassen es nicht zu, dass Anschlussgleise für Gewerbe gelegt werden können. Insofern wird es nicht so einfach möglich sein, mehr Güter auf die Bahn zu bekommen.
Allerdings muss man die Nebenstrecken betreffend auch feststellen, dass sie ob ihrer Trassenführung, die sich am Leistungsvermögen 120 Jahre alter Dampflokomotiven orientierte kaum konkurrenzfähig wären. Nicht nur der Fern-, auch der Regionalvrkehr bräuchte Naubaustrecken!

Die Regionalisierung, wie wir sie heute haben, ist für mich der einzige wirkliche Erfolg der Bahnreform. Wo vor 30 Jahren noch wenige Alibizupaare zu völlig bedarfsungerechten Zeiten fuhren, haben wir heute einen verlässlichen Taktverkehr. Gäbe es die Bundesbahn alter Prägung noch, ich bin mir sicher, so manche, heute erfolgreich betriebene Strecke wäre "mangels Nachfrage" längst stillgelegt, geschweige denn, man hätte sie (wie z.B. den Haller-Wilhem) überhaupt aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt.

Heutige Verspätungen und verstopfte Trassen sind allerdings auch eine Folge des Erfolges. Im letzten Jahr ihres Bestehens (1993) erbrachte die Bundesbahn insgesamt etwa 650 Mio. Zugkm. 2018 wurden alleine im bestellten Personennahverkehr fast 670 Mio. Zugkm. gefahren (Quelle: EK-Speizial "Die DB vor 25 Jahren - 1993"). Da die Verkehrsliestungen stark und die Streckenkapazitäten, wenn überhaupt, kaum zugenommen haben, führt zu dem, was wir auch von den Autobahnen und Innenstadtstrassen kennen: Stau! Wie auch im Individualverkehr werden damit präzise Ankunftsprognosen bei Eintreffen eines solchen Engpasses reine Kaffeesatzleserei. Und wie im Individualverkehr auch, sind die Umleitungsstrecken ebenfalls überlastet.

Was bei der Bundesbahn in meinen Augen besser funktionierte, war die Verlässlichkeit des rollenden Materials. Bevor die in den Regelbetrieb gelangte, wurde es durch die Bundesbahnzentralämter zunächst auf Herz und Nieren geprüft und durch die Hersteller solange angepasst und nachgearbeitet, bis es dem geforderten Leistungskatalog entsprach; und zwar BEVOR es mit Kunden in Kontakt kam. Wenn man als Passagier bei der Bundesbahn in neuem Material saß konnte man sicher sein: das funktioniert! Die heutige Herangehensweise, quasi im laufenden Betrieb zu entwickeln ist sicher auch einer der Störfaktoren des Ziels "mehr Zuverlässigkeit".

Ein weiterer ist das Wetter: zu Bundesbahnzeiten fuhr man mit der Bahn, wenn man das Auto aufgrund der Witterung lieber stehen ließ. Heute muss man das Auto nehmen, obwohl man es lieber stehen ließe. Aber das mit den Bäumen auf der Oberleitung bei Sturm und Schnee wäre der Bundesbahn vermutlich genauso passiert. Bis vor 42 Jahren, als noch Dampfloks fuhren, gab es neben den Strecken die sog. Feuerschutzstreifen, die mit Enfall der dieser Traktionsart obsolet wurden. Also ließ man es bis zum Lichtraumprofil wachsen. Es gibt schnellwachsende Gehölze, wie z.B. die Pappel die in diesem fast halben Jahrhundert eine beträchtliche Höhe erreicht haben und am Ende ihres Lebenszyklusses angekommen sind. Da reicht auf 20 Kilometern Strecke pro Sturm ein Exemplar das umknickt um 500 Kilometer entfernt 2 Stunden Verspätung auflaufen zu lassen. Die Vegetation im gesamten Streckennetz wieder auf ein nicht verkehrsgefärdendes Maß zurück zu schneiden ist keine Aufgabe von 3 Monaten. Und den Stand dann zu halten erfordert ebenefalls Kontinuität in Personal und finanziellen Mitteln.

Was das Draufschlagen auf die "Fachfrremden Manager" angeht, muss ich, so ungern ich das mache, auch eine Lanze brechen. Als zu Bundesbahnzeiten noch reinblütige Eisenbahner die Vorstände bildeten, habe auch diese ein enormes Defizit angehäuft. Es liegt in meinen Augen weniger daran, wer da sitzt, sondern ob er Strukturen vorfindet, die es ihm erlauben NICHT defizitär zu arbeiten. Was ich "den BWLern" allerdings vorwerfe ist, dass sie anscheinende auf dem Rücken der Mitarbeiter und in der Folge auch ihrer Kunden so vorgehen, als ob die Strukturen eine mindestens ausgeglichene Bilanz ermöglichen würden und ihre Mitarbeiter dadurch "wie Zitronen auspressen" um diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen. Da hatten die "Eisenbahner-Vorstände" sicher mehr Augenmaß und praktischen Bezug zum Unternehmenskern.

Was hier fehlt ist ein probater Lösungsvorschlag. Den zu liefern fällt mir schwer. Ein erster Schritt in die Richtung wäre es, seitens der Verantwortlichen den Eisenbahnern nicht nur zuzuhören, sondern das Gesagte auch ernst zu nehmen. Hieraus Eingaben an den Gesetzgeber, der ja auch Eigentümer und Auftragbeger ist zu formulieren der Nächste. Also sich auch dort für das Unternehmen einsetzen und nicht einfach nur 3 Jahre Á 3 Mio. € abzusitzen

Schöne Grüße aus Ostholstein
Matthias


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#10 von Brianmcfly , 16.03.2019 18:39

Ich empfinde das eher als Gejammer eines Berufsstandes der nicht mehr die Privilegien hat wie frueher.

Es gab ueberigens einen guten Grund fuer die Bahnreform damals....

Die Bundesbahn und die DR zusammen haben unglaubliche Geldmengen verloren, Jahr nach Jahr. Kaum jemand ist mehr mit der Bahn gefahren.

Ich versteh das er sich in die "Goldene Zeit" zuruecksehnt, in dem ein hervorrangend organisierter Betrieb jaehrlich Millionen verbrannte. 1993 war der Schuldenberg beider Bundesbahnen bei zusammen 66 Milliarden DM, fuhr 1993 16 Milliarden Defizit ein waehrend alleine das westdeutsche Netz einen Investitionsbedarf von 100 Milliarden DM hatte.

Das einzige was den Bahnern jahrelang eingefallen ist ist die Nebenstrecken mehr und mehr zu streichen

Persoenlich finde ich das von der DBAG das Netz abgespalten werden sollte und vom Bund genauso wie Autobahnen finanziert werden muss. Ich finde auch das die Bahnen auch steuerlich zu anderen Vehrkehrsanbietern gleichgestellt werden muessen.

Die uebriggebliebene DBAG ohne Netz muss nicht erhalten werden, der Schienenvehrkehr muss erhalten und ausgebaut werden.

Ein gerne vergessenes Ergebnis der Bahnreform war das sich die Zahl der Personenkilometer, die die Bahn faehrt von 32 milliarden 1993 auf 41 milliarden 2017 gestiegen ist.

Wir legen auch heute kaum noch Strecken still sondern reaktivieren wieder Strecken - mehr sogar wie neue gebaut werden.

Undenkbar in 1993, zum Zeitpunkt der Bahnreform.





Die Bahn ist nicht fuer Bahnmitarbeiter da sondern fuer die Bevoelkerung.



Brianmcfly ...


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#11 von Frank 72 , 16.03.2019 23:11

Na prima, Brianmcfly, ganz schön viel Meinung für so wenig Ahnung!


Gruß Frank


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#12 von berndm , 17.03.2019 00:11

Ich glaube, da gibt es eine Menge von Missverständnissen und reichlich Propaganda.
Hier mal einige Beispiele zum Überdenken.

Erste Aussage: Die Bundesbahn soll ein großes Defizit aufgehäuft haben.
In der Tat hatten die Bundesbahn und die Reichsbahn ein beachtliches Defizit zu Beginn der 90er Jahre. Nun kann man sagen, mit anständigen "BWL"-Verfahren und weniger Beamtenmentalität wäre das nicht geschehen.
Gut, dann muss mal eine betriebliche Rechnung aufmachen. Als erstes muss man dann die "betriebsfremden" Leistungen gegenrechen. In der DDR haben die Sowjets nach dem Krieg so ziemlich alles von Wert bei der Bahn mitgenommen. Stellt man das resultierende Defizit in Rechnung und rechnet dafür Zinsen ein, dann sollte klar sein, was dann später gefehlt haben müsste. Da hat die DR wohl ganz ordentlich gewirtschaftet, sonst wäre das Defizit schlimmer gewesen.
Aber auch bei der Bundesbahn gab es Versorgungslasten, die Einstellung (oder eher das Durchfüttern) von ehemaligen Militärangehörigen, die eigentlich nicht zum Bahndienst geeignet waren, usw.. Und so was wirkt sich halt auch aus.
Also, wenn schon betriebswirtschaftliches Rechnen angewendet werden soll, dann bitte korrekt. Übrigens zeigt S21 ja sehr anschaulich die betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten der DB AG.

Zweite Aussage: Die Bundesbahn hat viel mehr Strecken stillgelegt als die DB AG.
Da ist die Frage zunächst mal, gab es überhaupt noch so viel zum Stilllegen. Man sollte das insgesamt eher vor dem gesellschaftlichen Hintergrund sehen. Wäre die Einstellung heute so schon in den 60er oder 70er Jahren gewesen, dann wären viele Strecken wohl erhalten geblieben und hätten heute ein anständiges Zugangebot. Und übrigens war MORA-C ein Verbrechen der DB AG.

Dritte Aussage:

Zitat

Ich empfinde das eher als Gejammer eines Berufsstandes der nicht mehr die Privilegien hat wie frueher.
...


Ich gehe mal davon aus, dass das pure Ironie ist.
Ansonsten sollte man sich einfach mal klar machen, dass man bei besch... Arbeitsbedingungen keine anständigen Leistungen erwarten kann. Wer einen derartigen Überstundenberg vor sich herschiebt, kann nicht mehr anständig und mit minimalen Fehlern arbeiten. Es gibt schlicht Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit.


Vierte Aussage:

Zitat

...
Persoenlich finde ich das von der DBAG das Netz abgespalten werden sollte und vom Bund genauso wie Autobahnen finanziert werden muss. Ich finde auch das die Bahnen auch steuerlich zu anderen Vehrkehrsanbietern gleichgestellt werden muessen.
...


Eigentlich ist das ein schönes Beispiel aus den Schulbüchern für ein Muster im Versagen einer Unternehmensführung (gut, da ist die DB AG in schlechter Gesellschaft). Das negative Grundverfahren ist: Die Unternehmensführung begeht Fehler. In der Regel ist das häufig eine zu geringe Finanzierung und die Fixierung auf einen zu hohen Kapitalertrag. Dadurch verliert das Unternehmen wichtige Ressourcen und die Leistungsfähigkeit wird geschwächt. Nun wäre es wichtig das Versagen einzugestehen und gegenzusteuern. Aber das macht man natürlich nicht. Statt dessen schiebt man einen Schwachsinn nach. Das verschlimmert zwar die Gesamtsituation aber es vernebelt auch das bisherige Versagen. Und mit etwas Glück hat man dann einen Punkt, an dem man später die ganze Misere festmachen kann. Wenn man also das Netz vom Fahrverkehrt abtrennt, dann kann man 10 Jahre später dieses als einen zentralen singulären Fehler festmachen und damit die Verantwortlichkeit wegdelegieren.
Eben ein Muster für miserables Management.

So kann man das nun weiter fortsetzen. Insgesamt bleibt wohl nur eine radikale Änderung und dabei muss klar sein, dass die Strukturen der Bundesbahn bisher das beste waren, was wir hatten. Das heißt nun nicht, dass man das nun stumpf wieder übernimmt. Aber der Rahmen sollte nun mit den wenigen Erfolgen der aktuellen Bahn kombiniert werden.

Es liegt aber auch an uns, ob wir Propaganda nachplappern wollen oder ob wir selbständig denken, die Dinge beobachten und dann Schlüsse ziehen (und diese z.B. hier auch vorstellen);


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#13 von Brianmcfly , 17.03.2019 00:47

Magst Du mir Details geben wo ich falsch liege?

Ich stimme Dir zu das die Bahnreform sicherlich nicht ueberall richtig war und die richtigen Mittel gewaehlt hat. In der Summe war es aber richtig - 100 Milliarden Schulden (ueberwiegend in Pensionsverpflichtungen) und dadurch chronisch geringe liquide Mittel fuer zb Investitionen, 16 Milliarden DM Verlust in 1993 als Ausloeser, keine Ideen von der Bahn wie es zu aendern ist ausser unfinanzierbare Luftschloesser. Festhalten an Bereichen, Prozessen

Heute haben wir ein Bahnsystem was sicherlich nicht perfekt ist aber ausserhalb der Schweiz, Frankreich, Japan und vll China beneidet man uns darum. Oeffentlicher Nahvehrkehr in Deutschland ist verhaeltnismaessig guenstig. Manchmal muss man aber eine Zeitlang ausserhalb seines Landes leben um das zu sehen. Bei mir war es erst USA, dann Canada, heute die Niederlande. Sehr unterschiedliche Konzepte, sehr unterschiedliche Qualitaet.

Bei meinen Eltern zuhause in Niedersachsen sind die Haltepunkte von der Bundesbahn geschlossen worden. Die Bahn geht 500m entfernt vom Haus meiner Eltern vorbei - und trotsdem sinds 12km zum naechsten Zusteigepunkt gewesen. Seit eine Privatbahn uebernommen hat ist zumindest einer der Haltepunkte wieder geoeffnet worden. Das ist ein Ergebnis der durch die Bahnreform ausgeloesten Privatisierungen und regionalisierung. Mehr Zuege, mehr Haltepunkte - mehr Personenkilometer. Das Privatunternehmen hat sich auch tatsaechlich von sich aus mit den anschliessenden Busunternehmen zusammengesetzt und nun sind sogar Bus und Bahn aufeinander abgestimmt.

Auch haben meine Eltern einen Maschinenbaubetrieb gehabt der unter anderem Zulieferer fuer Siemens und Alstom ist, den nun mein Bruder fuehrt. "Ganz frueher" hatten wir sogar mal einen Bahnanschluss, ich kann mich an gelegentliche Gueterwagen erinnern. Bis heute steht der Rahmen von "Von Haus zu Haus" auf dem Gelaende der Firma. Ich habe viele Diskussionen mit meinen Eltern und meinem Bruder gehabt wie man mehr von unseren Transporten auf die Bahn verlagern kann. Das ist aber nicht so einfach, das Produkt "Bahn" war nicht mal umbedingt zu teuer sondern eher zu kompliziert. Heute faehrt alles der LKW vom Firmengelaende, manchmal Wechselpritsche, zunehmend Container. Von Haus zu Haus gibts nicht mehr, der Bahnanschluss ist irgendwann um 1985 geschlossen worden - von der Bundesbahn. Heute gibts zumindest Hoffnung das vll ein Containerumschlagpunkt geoeffnet werden wuerde.

Ich bin heute Consultant - aber in der IT, nicht im Maschinenbau oder bei der Bahn. Ich bin der Typ der in Betriebe geht, rumschlaumeiert und dann wieder abhaut und sich "nicht um die Konsequenzen seiner Arbeit kuemmert" - so das Vorurteil.

Wir werden oft eingekauft weil es Verstimmungen und Uneinigkeit zwischen Eigentuemern und Geschaeftsfuehrung, anderen "stakeholdern" oder so gibt. Wir werden oft eingekauft um einen neutralen Blick von ausserhalb zu ermoeglichen. Und wir wuerden gerne meisstens laenger bleiben und auch um die Konsequenzen von einzelnden Entscheidungen zu kuemmern. Wir entscheiden ueberigens nie. Und oft werden wir auch dazu benutzt um gewissen Aenderungen vorranzubringen aber aus "unternehmenspolitischen Gruenden" will niemand der Ueberbringer der schlechten Nachrichten selber sein. Dann weiss der Kunde schon ziemlich genau was im Bericht stehen soll. Das sind die Mehrheit der Auftraege, muss halt jeder selber wissen ob er sowas annimmt.

Der Grund fuer die schlechten Nachrichten sind Berater eigentlich nie, das ist oft erst langsam und dann immer schlimmer werdendes Fehlmanagement in der Vergangenheit die dazu gefuehrt haben das die Erloese zusammengeschrumpft sind, Reserven fuer Investitionen nicht mehr vorhanden sind weil man sich zu lange um eher unangenehme Entscheidungen gedrueckt hat. Dann holt man sich Berater, die schreiben auf was eigentlich fast jeder sowieso weiss und sind dann "der Ausloeser fuer Veraenderungen". Fast immer koennten sie zu einem besseren Gesamtergebnis beitragen wenn sie laenger da sind - aber das bestimmt der Auftraggeber.

Auch bei der Bahnreform scheint das so gewesen zu sein wenn man die Berichte mal liest. Ich hab 2 im Netz gefunden aber das waren sicherlich Haufen davon - weil einmal der Vorstand Berater holt, dann die Eigentuemer auch ihre eigenen Berater holen und dann ist auch der Betriebsrat der Meinung eigene Berater bestellen zu muessen.

Ich hab auch sonst keine Ahnung davon Kunde von Schienentransportunternehmen zu sein. Ich habe 3 Sonderzuege bisher organisiert und versuche gerade zu lernen wie man auf einer 01.10 Kohle richtig in das Loch da schaufelt - wozu ich aber leider kaum Zeit habe.

Loks fahren darf ich leider nicht selbst. Das wuerde ich echt gerne lernen aber leider habe ich keine Zeit dafuer. Ich weiss dafuer wie das mit Sicherheit in diesem Internet funktioniert.

Liebe Gruesse aus Rotterdam.

Brianmcfly


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#14 von Brianmcfly , 17.03.2019 01:10

Zitat

Ich glaube, da gibt es eine Menge von Missverständnissen und reichlich Propaganda.



Das sehe ich auch so.

Zitat

Hier mal einige Beispiele zum Überdenken.

Erste Aussage: Die Bundesbahn soll ein großes Defizit aufgehäuft haben.
In der Tat hatten die Bundesbahn und die Reichsbahn ein beachtliches Defizit zu Beginn der 90er Jahre. Nun kann man sagen, mit anständigen "BWL"-Verfahren und weniger Beamtenmentalität wäre das nicht geschehen.
Gut, dann muss mal eine betriebliche Rechnung aufmachen. Als erstes muss man dann die "betriebsfremden" Leistungen gegenrechen. In der DDR haben die Sowjets nach dem Krieg so ziemlich alles von Wert bei der Bahn mitgenommen. Stellt man das resultierende Defizit in Rechnung und rechnet dafür Zinsen ein, dann sollte klar sein, was dann später gefehlt haben müsste. Da hat die DR wohl ganz ordentlich gewirtschaftet, sonst wäre das Defizit schlimmer gewesen.
Aber auch bei der Bundesbahn gab es Versorgungslasten, die Einstellung (oder eher das Durchfüttern) von ehemaligen Militärangehörigen, die eigentlich nicht zum Bahndienst geeignet waren, usw.. Und so was wirkt sich halt auch aus.
Also, wenn schon betriebswirtschaftliches Rechnen angewendet werden soll, dann bitte korrekt. Übrigens zeigt S21 ja sehr anschaulich die betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten der DB AG.



Ja, die Bahn hat sehr darunter gelitten das viele Lasten auf die Bahn abgewaelzt wurden die da nicht hingehoeren. Die Pensionslasten gehoeren da hin - sie entstehen ja im Ausgleich dafuer das keine Pensionskosten waehrend des Arbeitsverhaeltnisses entstehen.

Und nein, ich glaub nicht das die DBAG und deren betriebswirtschaftlichen Faehigkeiten sehr weit ueber die Bundesbahn hinausgehen.


Zitat

Zweite Aussage: Die Bundesbahn hat viel mehr Strecken stillgelegt als die DB AG.
Da ist die Frage zunächst mal, gab es überhaupt noch so viel zum Stilllegen. Man sollte das insgesamt eher vor dem gesellschaftlichen Hintergrund sehen. Wäre die Einstellung heute so schon in den 60er oder 70er Jahren gewesen, dann wären viele Strecken wohl erhalten geblieben und hätten heute ein anständiges Zugangebot. Und übrigens war MORA-C ein Verbrechen der DB AG.



Ja, MORA-C war ein Projekt der DBAG und ein Rueckzug aus der Flaeche, Zum Glueck sind dafuer kaum noch Streckenkilometer stillgelegt worden. Bei uns war ein Grossteil der Streckenstillegungen - insbesondere wenn man auf die Streckenkilometer schaut - Ende der 50er bis Ende der 70er.

Zitat


Dritte Aussage:

Zitat

Ich empfinde das eher als Gejammer eines Berufsstandes der nicht mehr die Privilegien hat wie frueher.
...


Ich gehe mal davon aus, dass das pure Ironie ist.




Da ist zumindest eine gewisse Ironie drin - aber ich sehe in einigen Punkten sehe ich das so.

Zitat

Ansonsten sollte man sich einfach mal klar machen, dass man bei besch... Arbeitsbedingungen keine anständigen Leistungen erwarten kann. Wer einen derartigen Überstundenberg vor sich herschiebt, kann nicht mehr anständig und mit minimalen Fehlern arbeiten. Es gibt schlicht Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit.



Das wiederrum sehe ich so. Das Pendel ist wohl zumindest bei den Mitarbeiterzahlen zuweit ausgeschlagen. Ueberstundenberge sind Managementmaessig ein Anzeichen das man mal in die Personalorganisation schauen sollte aber vll auch das einfach zuwenig Mitarbeiter da sind.

Zitat

Vierte Aussage:

Zitat

...
Persoenlich finde ich das von der DBAG das Netz abgespalten werden sollte und vom Bund genauso wie Autobahnen finanziert werden muss. Ich finde auch das die Bahnen auch steuerlich zu anderen Vehrkehrsanbietern gleichgestellt werden muessen.
...


Eigentlich ist das ein schönes Beispiel aus den Schulbüchern für ein Muster im Versagen einer Unternehmensführung (gut, da ist die DB AG in schlechter Gesellschaft). Das negative Grundverfahren ist: Die Unternehmensführung begeht Fehler. In der Regel ist das häufig eine zu geringe Finanzierung und die Fixierung auf einen zu hohen Kapitalertrag. Dadurch verliert das Unternehmen wichtige Ressourcen und die Leistungsfähigkeit wird geschwächt. Nun wäre es wichtig das Versagen einzugestehen und gegenzusteuern. Aber das macht man natürlich nicht. Statt dessen schiebt man einen Schwachsinn nach. Das verschlimmert zwar die Gesamtsituation aber es vernebelt auch das bisherige Versagen. Und mit etwas Glück hat man dann einen Punkt, an dem man später die ganze Misere festmachen kann. Wenn man also das Netz vom Fahrverkehrt abtrennt, dann kann man 10 Jahre später dieses als einen zentralen singulären Fehler festmachen und damit die Verantwortlichkeit wegdelegieren.
Eben ein Muster für miserables Management.




Es geht mir um was anderes. Das Netz zu finanzieren ist gesellschaftliche Pflicht - schaffen von Infrastruktur und das beinhaltet eine solide Finanzierung. Hier sollte der Bund und die Laender imho Geld in die Hand nehmen und investieren. Ausbau von Strecken um mal nicht nur die Betuweroute und den Gotthardtunnel anstaendig zu verbinden. (nahezu) Komplettelektrifizierung des Netzes, Ausbau von Kapazitaetsengpassen, etc. Da gibts so viele Punkte wo man was verbessern kann - und die Gesellschaft sollte das bezahlen.

Diese Strecken koennen die verschiedenen Unternehmen dann benutzen um darauf Bahnvehrkehr zu betreiben.

Wenn man sich verschiedene Bahnsysteme anschaut funktioniert es nicht gut wenn man die Netze in Unternehmenshand laesst. In den USA zum Beispiel fuehrt das dazu das es kein Diskriminierungsfreien zugang zu Bahnnetzen gibt - und das Angebot echt scheisse ist.

In den Niederlanden ist das Bahnnetz getrennt - und da steckt der Staat dann auch Geld rein. Ich find das Modell besser hier.


Zitat

So kann man das nun weiter fortsetzen. Insgesamt bleibt wohl nur eine radikale Änderung und dabei muss klar sein, dass die Strukturen der Bundesbahn bisher das beste waren, was wir hatten.



Das wuerde ich nicht so sehen. Echt nicht. Aber da sind dann wohl auch oft persoenliche Standpunkte andere. Was ich zumindest respektieren kann.


Brianmcfly ...


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#15 von Djian , 20.03.2019 06:41

Moin,

Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Deutschen Bundesbahn von 1959 bis 1993 könnte ich liefern. Ebenso die Beschlüsse jeweiligen Bundesregierungen zur DB und anderen Verkehrsträgern. Das wird aber den Rahmen sprengen und nicht in einem Beitrag zu erfüllen sein. Man kann damit im Rückblick mit dem Wissen von heute seine Schlüsse ziehen und grundsätzliche Fehlentwicklungen erkennen. Dazu muss man nicht Betriebswirt sein. Ein Taschenrechner reicht. Es ist aber eine echte Fleißarbeit, dies aufzustellen. Wenn ihr Interesse habt, dann mache ich mich da mal an die Arbeit. Würden dann mehrere Kapitel werden und ich würde chronologisch vorgehen.

Schöne Grüße aus Ostholstein
Matthias


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#16 von Jandrosch ( gelöscht ) , 20.03.2019 07:50

Moin Matthias,
wäre sicherlich recht interessant - aber ist es hier im Forum wirklich richtig platziert?
Wenn eine derartige Aufstellung den Verantwortlichen vorgestellt würde, sehe ich da wesentlich mehr Effizienz drin - denn es wäre, wie Du schreibst, eine sehr zeitaufwendige Arbeit die Du investierst.


Jandrosch

RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#17 von uhx , 20.03.2019 08:35

Zitat

wäre sicherlich recht interessant - aber ist es hier im Forum wirklich richtig platziert?



Gegenfrage: Warum sollte es hier im Forum falsch sein? Auch wenn wir nur ein Haufen "unwissender Dummschwätzer" sind, ein großes Auditorium an Bahn-interessierter Menschen ist hier sicher. Und ich sehe auch kein wirkliches Argument, warum es einer späteren Weiterverbreitung in einem anderen Medium im Wege stehen sollte.

Ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht, dass es bei "den Verantwortlichen" am Vorhandensein solcher Zahlen mangelt. Das führt halt nur nicht notwendigerweise dazu, daraus auch adäquate Entscheidungen abzuleiten. Deswegen glaube ich, dass es hier im Forum sogar goldrichtig aufgehoben ist. Denn dann können die unwissenden Dummschwätzer den wissenden Experten vielleicht auch mal mehr entgegenstellen, als ihr Bauchgefühl.

Also, Matthias, nur zu! Ich find Diskussionen, die von einer soliden Basis abspringen super. Danke für dein Engagement!


Schöne Grüße,
Ulli


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#18 von berndm , 20.03.2019 09:21

Zitat

Zitat

wäre sicherlich recht interessant - aber ist es hier im Forum wirklich richtig platziert?



Gegenfrage: Warum sollte es hier im Forum falsch sein? Auch wenn wir nur ein Haufen "unwissender Dummschwätzer" sind, ein großes Auditorium an Bahn-interessierter Menschen ist hier sicher. Und ich sehe auch kein wirkliches Argument, warum es einer späteren Weiterverbreitung in einem anderen Medium im Wege stehen sollte.
...

Also, Matthias, nur zu! Ich find Diskussionen, die von einer soliden Basis abspringen super. Danke für dein Engagement!



Das sehe ich genau so.
Wenn es nicht in solchen unwissenden Laienzirkeln wie diesem Forum hier diskutiert wird, dann sprechen nur noch die "Experten" im DB AG Vorstand darüber.
Und was dabei rauskommt, müssen wir jeden Tag bewundern.

Daher ist es wirklich wichtig, dass es hier eine Chance gibt, sich einen Überblick zu verschaffen. Und es ist ja wirklich auch ein Glücksfall, dass wir nicht derartige "Experten" (gemeint Lobbyisten) sind.


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#19 von Gelöschtes Mitglied , 20.03.2019 11:48

Zitat

... Es gibt einfach Bereiche welche nicht privatisiert werden dürfen. Dazu zähle ich nicht nur die Bahn sondern auch das Gesundheitswesen wie Rettungsdienst, Krankenhäuser und Alten oder Pflegeheime...



Besonders letztere. Genau da krankt es in unserem Land - Profit ist nicht alles.
Und aus der Gesundheit anderer Profit schlagen zu wollen ist kontraproduktiv. Wer da mal wirklich drüber nachdenkt wird den Widerspruch erkennen.

P.S.
Ich persönlich hätte noch unbedingt die Post aufgezählt, denn früher hat ein Briefträger "seinen" Bezirk gekannt und falsch adressierte Briefe kamen i.d. R. an.
Heute kommen richtig adressierte Briefe oftmals nicht an weil die Zusteller keine Ahnung haben - Haupsache sie schmeißen schön viel Werbung ein ...

Zum eigentlichen Thema:
Es ist wie überall, die Manager leisten in Relation zu ihrem Einkommen nichts und das körperlich arbeitende Personal im Gegenzug viel zu viel.

Und wer richtig viel Mist macht bekommt noch eine Abfindung in einer Höhe die andere in zwei Leben nicht verdienen ...

Aber der Schritt zurück in ein staatlich (hoheitlich!!!) geführtes Unternehmen lässt sich vermutlich nicht mehr realisieren.



RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#20 von volkerS , 20.03.2019 15:01

Hallo,
Tatsache ist, dass zu DB-Zeiten viele Nebenstrecken wegen geringer Auslastung still gelegt wurden. Die Ursache der geringen Auslastung war oft ein Fahrplan, der die Bürger auf parallel fahrende Busse oder das private Auto umsteigen lies.
Das Gejammer von Verspätungen finde ich erschreckend. Wo bleibt das Gejammer, wenn mal wieder auf der A8 oder A3 wegen eines LKW-Unfalls eine Vollsperrung und >10km-Stau entsteht und man Stunden verliert.
Ziemlich undurchsichtig sind natürlich die Preise. War Anfang des Jahres in Dresden auf der Messe. Hinfahrt von Mainz mit 2x Umsteigen für 18€ mit Bahncard25, Rückfahrt ohne Umsteigen 28€. Übrigens absolut pünktlich, nicht nach DBAG-Definition sondern nach gedrucktem Fahrplan. Dass ich von Alzey (4km von meinem Wohnort) nach Mainz nicht auch den Zug genommen habe lag daran, dass diese ca 30km mich 20€ gekostet hätten und so in keinem Verhältnis zur Reststrecke gestanden hätte. Mainz -Alzey wird von Vlexx im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz betrieben.
Volker


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#21 von berndm , 20.03.2019 18:48

Zitat

...
Das Gejammer von Verspätungen finde ich erschreckend. Wo bleibt das Gejammer, wenn mal wieder auf der A8 oder A3 wegen eines LKW-Unfalls eine Vollsperrung und >10km-Stau entsteht und man Stunden verliert.
...


Ich denke hier werden Äpfel und Kartoffeln verglichen.
Es gibt zwei stark unterschiedliche Verkehrssysteme: das individuelle und das öffentliche.
Da das öffentliche auf eine relativ große Personengruppe Rücksicht nimmt, ist eine Fahrt langsamer.
Oder anders: bei einer Fernfahrt, wenn ich auch noch die An- und Abfahrt zum und vom Bahnhof daszurechne fahre ich mit einem öffentlichen Verkehrsmittel schon auf einer 300 bis 400 km Strecke gerne mal eine Stunde oder mehr länger.
Aber im Gegenzug sollten die Fahrzeiten einigermaßen garantiert sein. Ich sollte nicht wie beim individuellen Verkehr auch noch das Risiko eines Ausfalls haben, bzw. nur bei einem wirklich gravierenden Problem eine Verspätung haben.
Keine gravierenden Probleme sind: Weichenausfall, Signalstörungen, kein Ersatz für ausgefallenes Zugmaterial, kein Personal, Vergessen eines Zuges durch die Transportleitung, Vorziehen eines verspäten Güterzugs am Tag oder eines eigentlich niederrangigen Zugs um die Strafzahlungen zu minimieren, ...
Das sind Standardprobleme, und die habe ich dieses Jahr insgesammt schon mindestens bei 60 - 70 % der Fahrten und ich fahre mehrmals die Woche.
Also ehrlich, eine derartige Häufung von Verspätungen kenne ich auf der Autobahn nur von Fahrten zu den absoluten Stoßzeiten auf hochbelasteten Strecken.


Also zusammengefasst:
Der öffentliche Verkehr ist langsamer, sollte aber zuverlässiger sein.
Der individuelle Verkehr ist stärker risikobehaftet, kann aber in den meisten Fällen klar schneller sein.

Wenn die DB AG nun alle Nachteile vereint, dann MUSS man dem Laden das ankreiden können.


 
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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#22 von uhx , 21.03.2019 00:57

Zitat

Keine gravierenden Probleme sind: Signalstörungen


Signalstörung = Ausfall von Zugsicherungssystem und damit beeinträchtigung der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs ist aber mit absoluter Sicherheit eine gravierende Störung. Wenn es regelmäßig Ausfälle aufrund von "Signalstörungen" gibt, dann sollte man sich Gedanken über die Zuverlässigkeit der eingesetzten Technik machen (Availability ist nicht zufällig in das Akronym RAMS hineingeraten...), aber als nicht-gravierendes Problem sollte man das auf keinen Fall abtun!


Schöne Grüße,
Ulli


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#23 von Jandrosch ( gelöscht ) , 21.03.2019 07:53

Zitat

Zitat

wäre sicherlich recht interessant - aber ist es hier im Forum wirklich richtig platziert?



Gegenfrage: Warum sollte es hier im Forum falsch sein? Auch wenn wir nur ein Haufen "unwissender Dummschwätzer" sind, ein großes Auditorium an Bahn-interessierter Menschen ist hier sicher. Und ich sehe auch kein wirkliches Argument, warum es einer späteren Weiterverbreitung in einem anderen Medium im Wege stehen sollte.

Ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht, dass es bei "den Verantwortlichen" am Vorhandensein solcher Zahlen mangelt. Das führt halt nur nicht notwendigerweise dazu, daraus auch adäquate Entscheidungen abzuleiten. Deswegen glaube ich, dass es hier im Forum sogar goldrichtig aufgehoben ist. Denn dann können die unwissenden Dummschwätzer den wissenden Experten vielleicht auch mal mehr entgegenstellen, als ihr Bauchgefühl.

Also, Matthias, nur zu! Ich find Diskussionen, die von einer soliden Basis abspringen super. Danke für dein Engagement!




Moin Ulli, und auch alle Anderen,
meine Anmerkung zielte nicht auf Wissen o.ä. der Teilnehmer hier im Forum.
Vielmehr stellt sich mir die Frage, ob es wirklich Sinn macht, über Dinge zu diskutieren, die längst Geschichte sind und auch künftig keine Änderung erfahren.
Deutschland, das Land der Diskutierer - täglich in unzähligen Talkrunden zu erleben. Es wird über vieles geredet, man stimmt jemandem zu, argumentiert dagegen und was kommt letztendlich dabei raus?

Selbst beim Einkaufen erlebe ich mmer wieder das Gejammer über die viel zu hohen Preise - man kauft sie aber dennoch.


Jandrosch

RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#24 von uhx , 21.03.2019 09:19

Zitat

Vielmehr stellt sich mir die Frage, ob es wirklich Sinn macht, über Dinge zu diskutieren, die [...] auch künftig keine Änderung erfahren.



Jandrosch, unter der Annahme, dass Dinge unabhängig von den getroffenen Maßnahmen nicht geändert werden können (= Probleme können grundsätzlich nicht gelöst werden) macht es natürlich keinen Sinn zu reden.

Wenn man jedoch davon ausgeht, dass von Menschen gestaltete Dinge auch von Menschen geändert werden können, dann macht reden sehr viel Sinn.

Viele Probleme entstehen überhaupt erst, weil Menschen nicht miteinander reden. Also, redet miteinander!

Problem bleiben bestehen, wenn an den Ursachen vorbei geredet wird. Also, wenn ihr redet, dann tut das auf informierte Weise durch Austausch sachbezogener Argumente!

Probleme tauchen wiederholt auf, wenn man nicht aus früheren Fehlern lernt. Also macht nicht die gleichen Fehler zwei mal, sondern beschäftigt euch mit Dingen,

Zitat

die längst Geschichte sind


um daraus für die Zukunft zu lernen.


Schöne Grüße,
Ulli


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RE: Kaputte Bahn - Offener Brief eines Lokomotivführers

#25 von Ralf67 ( gelöscht ) , 21.03.2019 10:13

Hallo Manni,

Zitat

Hallo,

als Eisenbahner kann ich jeden Punkt unterschreiben. Leider.
Aber ich finde auch, dass die Bahn hier in Deutschland ohnehin einen schweren Stand hat:
-Das fängt an, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr wenig Geld für den Eisenbahnverkehr ausgibt (rd. 65 Euro pro Kopf, die Schweiz weit über 300 Euro). Und anscheinend ist weder
die Politik noch die Mehrheit der Bürger bereit, mehr Geld dafür auszugeben.
-Dann die - meiner Meinung nach - völlig verfehlte Verkehrspolitik, die immer noch wesentlich mehr Geld in die Strasse steckt als in die Schiene. Da werden lieber Millionen für ein Forschungsprojekt ausgegeben,
bei dem LKW´s ein Stromabnahmer auf´s Dach geschraubt wird damit diese elektrisch fahren können, anstatt dringend benötigte Bahntrassen zu bauen. Das Kerosin ist weiterhin steuerbefreit und Fernbusse
brauchen keine Maut zu zahlen.
-Im Flugverkehr nimmt man es schnell hin, wenn der Flieger mal 2 oder 3 Std. Verspätung hat. Oder man auf einen anderen Flug umgebucht wird, der einen halben Tag früher/ später geht. Oder man steht mit
dem Auto oder mit dem Bus 1- 2 Std. im Stau - das ist dann schnell wieder vergessen. Wenn hingegen der ICE 10 Minuten Verspätung hat, schnellt bei vielen Reisenden sofort der Blutdruck hoch.

Die Liste könnte man noch elendig lange weiter fortführen. Diese verfehlte Politik zusammen mit dem (teilw.) Unvermögen der Bahnmanager kann nicht zu einem guten Schienenverkehr führen.
Und wenn dann ein ganzes Land, die Politik, die Presse und auch die Bürger, Tag für Tag regelrecht darauf warten, die Bahn zu kiritisieren und zu zerrreissen (ob nun im Einzelfall berechtigt oder nicht), dann ist es kein
Wunder, dass das Image der Bahn so schlecht ist.

Trotzdem: Sieht man, wie stiefmütterlich die Bahn hier in Deutschland behandelt wird, wie oft ihr Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, und schaut man ins Ausland (nicht nur immer die Schweiz, sondern
auch mal nach Frankreich, Belgien, Italien...) finde ich, dass die Bahn sich noch (!) recht akzeptabel schlägt.
Was nicht zuletzt auch den von Reisenden oft beschimpften und bespukten Eisenbahnern vor Ort zu verdanken ist!

Gruß
Manni



als aktiver Eisenbahner danke ich Dir für deine Zeilen. Dazu möchte ich noch folgendes ergänzen:

Ich habe im Oktober '89 bei der Deutschen Bundesbahn angefangen und werde dieses Jahr mein 30 jährges Dienstjubiläum haben.
In dieser Zeit habe ich die gesamte Veränderung von der Bundesbahn bis heute live erlebt.
Was mir an dieser Diskussion wiederum auffällt ist die Tatsache, daß wieder der Focus nur auf die DB AG gelegt wird.
M.M. nach sollten wir zwei Dinge unterscheiden:
- die DB AG und ihre internen Entscheidungen
- die Privatisierung

Die heutigen Probleme des alltäglichen Bahnbetriebs sind die Auswirkungen der Privatisierung der deutschen Bundesbahn, die unsere Politiker einst beschlossen haben! Mit ein Hauptgrund war, die Bahn wirtschaftlich zu betreiben.
Alleine mit logischem und gesundem Menschenverstand wird man wissen, daß dies nicht möglich ist. Oder es werden nur die Rosinen gefahren die rentabel sind.
Beim Nahverkehr wird seit der Privatisierung mehr Geld reingepumppt als zu Zeiten der deutschen Bundesbahn. Nur wird dies kostenmäßig anders gebucht und tritt deshalb nicht in Erscheinung.
Zum Thema Streckenstillegungen:
Richtig: Die deutsche Bundesbahn hatte viele Nebenstrecken geschlossen und rückgebaut. Doch sollte die Zeit damals nicht vergessen werden. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders und die Zeit danach, die Autos und die Mobilität (Freiheit) kamen und es wurden kräftig Straßen gebaut. Und bis zu den Neubaustrecken/Schnellfahrstrecken so gut wie NIX bei der Eisenbahn!!!

Auch ist richtig, daß seit der Privatisierung so gut wie keine Nebenbahn mehr geschlossen wurde. Zum einen war nix mehr da was man schließen konnte, zum anderen hat sich die Zeit wieder verändert. Der Verkehr/Pendlerverkehr und Mobilität hat enorm zugenommen, so das ein Umdenken der Politik wie der Gesellschaft unausweichlich war und ist. Deshalb sind wieder viele Nebenbahnen attraktiver gemacht worden (zusätzliche und wiederöffnete Haltepunkte, usw.). Dies wurde und wird durch die jeweiligen Landesregierungen beschlossen und ausgeschrieben. Die entsprechenden EVU's, die den Nahverkehr dann abwickeln, haben mit den Entscheidungen der Ausschreibung nichts zu tun!

Was auch noch richtig ist, daß zwar keine Nebenbahnen mehr geschlossen und stillgelegt wurden, sondern es wurden über die Hälfte der noch vorhandenen Weichen ausgebaut und ein nicht unbedeutender Teil des Schienennetzes.
Diese aber auf den Hauptbahnen!!!
Und genau hier ist das Problem. Wenn auch nur irgendwo eine Unregelmäßigkeit ist, so gibt es fast keine Überholgleise, keine Weichen um in einem angemessenen Rahmen das Gegengleis befahren zu können, bei Baustellen keine Bauweichen mehr, die einen besseren Zugfluß erfordern, und und und.....

Eine AG (die von der Politik beschlossen wurde) soll und muß Gewinne einfahren.
Wenn nicht mehr Einnahmen kommen, so muß auf der anderen Seite gegengesteuert werden. Die Auswirkungen erkennen wir jetzt. Sehr viele Baustellen werden die Kunden begleiten; Folge - Verspätungen - längere Fahrzeiten! Und es werden nicht weinger! Nur ein Stichpunkt: Brücken. Auch hier wurde die Pflege, die zur Zeit der Bundesbahn herrschte, vernachlässigt.

Thema Rahmenbedingungen der Mitarbeiter der DB AG:
Es ist nicht zu leugnen das es Dinge (Prozesse und Standarts) gibt, die verbesserungsbedürftig sind.
Wenn ich aber über den Tellerrand schaue und die Arbeitsbedingungen bei vielen Privaten EVU's anschaue, dann ist bei der DB AG doch vieles geregelt.
Stichwort: Lenkzeiten für Lokführer
Bei der DB AG gibt es begrenzte und geregelte Lenkzeiten für Lokführer. Diese sind im Rahmen des Tarifvertrages geregelt.

Es gibt bis heute keine gesetzlichen Lenkzeiten für Lokführer in Deutschland!!! Und auch hier sind und wären unsere Volksvertreter in der Verantwortung!
Es gibt EVU's (Güterverkehr), deren Lokführer nicht mal ein Hotel am Endbahnhof bekommen.


Hier im öffentlichen Rahmen möchte ich mich nicht tiefer über interne Fehlentscheidungen der AG äußern.
Nur möchte ich eines nochmals deutlich sagen:

Die Politik hat die Rahmenbedingungen für die Misere von heute einst beschlossen! Sie ist Eigentümer der Infrastruktur und oftmals sind ehemalige Politiker im Vorstand und Aufsichtsrat!


Gruß Ralf


Ralf67

   


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