Guten Abend,
Zitat von im Beitrag Eure Erfahrungen mit dem ÖPNV
Ist er [der ÖPNV] bei Euch eine echte Alternative zum Auto oder genauso wenig wie bei uns?
Diese Frage lässt sich ziemlich pauschal beantworten:
Nein, der ÖPNV in der Fläche ist keine Alternative zum Auto. Das Auto ist schneller und fährt dann, wenn man es braucht.
Grundsätzlich muss man sich im Klaren sein, dass es verschiedene politische Zuständigkeiten gibt: Für den Schienenpersonnennahverkehr (SPNV) ist das Land Baden-Württemberg zuständig, für den Öffentlichen Personnenahverkehr sind grundsätzlich die Kommunen verantwortlich. Das bedeutet also, dass der Zug, der unterwegs in Hechingen hält, vom Land beauftragt und finanziert wird, während der Bus, der vom Bahnhof aus die Dörfer abfährt, vom Landkreis beauftragt und finanziert wird.
Die Eisenbahn ist das höherwertigere Verkehrsmittel, so dass grundsätzlich gilt, dass die Fahrpläne des Bus auf die Züge abzustimmen sind. Und hier ist das erste Problem, was Du anspricht: Die mangelnde Abstimmung zwischen Bus und Zug. Es kommt viel zu häufig vor, dass der Zug verspätet ist und der Bus stur pünktlich abfährt. Es gibt natürlich Ansätze, wie man dieses Problem grundsätzlich lösen kann, indem zum Beispiel die Leitstelle des Eisenbahnverkehrsunternehmen den Busfahrer über die Verspätung des Zuges informiert, allerdings kann ein „abnehmender“ Bus auch nicht unbegrenzt lange auf einen verspäteten Zug warten; auf der Rückfahrt soll der Bus schließlich andere Fahrgäste pünktlich zum Bahnhof bringen.
Es gibt Landkreise, die einen solchen Busverkehr konsequent auf die Abfahrtszeiten der Züge hin abstimmen, doch leider hat sich das nicht überall in den Amtsstuben herumgesprochen.
Außerdem werden solche Busangebote von Pendlern kaum angenommen, sondern hauptsächlich von Schülern, denen nichts anderes übrig bleibt. Viele Pendler fahren mit dem Auto zum Bahnhof.
Das Land Baden-Württemberg versucht natürlich, auch den ÖPNV auf dem Land zu stärken, das klappt allerdings nur bedingt, eben weil die entsprechenden Zuständigkeiten fehlen:
Bürgerbusse werden nach dem LGVFG gefördert
Das Land fördert sogenannte „Regiobuslinien“, die räumliche Lücken im SPNV-Netz erschließen sollen und entsprechend gegenüber gewöhnlichen Linienbussen auch einen gehobeneren Standard aufweisen, wie zum Beispiel eine stündliche Bedienung von 5 bis 24 Uhr oder eine Ausstattung mit WLAN.
Darüber hinaus gewährt das Land Zuschüsse zur Verbesserung des Busverkehrs auf dem Land.
Ein grundsätzliches Problem des ÖPNV auf dem Land ist seine geringere Attraktivität. Ein Bus, der am Wochenende erst um 10.30 Uhr und alle zwei Stunden fährt, ist einfach kein ernstzunehmendes Angebot, so dass die Menschen eben das Auto nutzen. Das stellt aber auch kein Problem dar, ich habe noch nie gehört, dass es auf dem Land ein Problem mit der Luftreinhaltung gäbe. Zwar erzeugt ein besseres Angebot auch eine höhere Nachfrage, allerdings ist die Siedlungs- und Bevölkerungsdichte auf dem Land zu gering, um ein besseres ÖPNV-Angebot zu rechtfertigen, Kosten und Nutzen stünden in keinem darstellbaren Verhältnis dar. Das, was auf dem Land herumfährt und sich stolz ÖPNV nennt, stellt lediglich ein Grundangebot dar, weil der ÖPNV ein Beitrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge darstellt, die im Grundgesetz gefordert wird. Genau das stellen die Landkreise sichern.
Allerdings muss man sich Gedanken machen, ob das noch haltbar ist. Gerade die demografische Entwicklung ist auf dem Land ein Thema und man muss sich Gedanken machen, wie der Nahverkehr in Zukunft aussehen muss, damit auch ältere Mitbürger die Möglichkeit haben, gesellschaftlich teilzuhaben oder um Dinge des Alltags zu erledigen. Vielleicht setzen sich im ländlichen ÖPNV abseits von Schülerverkehren bedarfsorientierte Angebote mit autonom fahrenden Fahrzeugen durch.
Grüße
Viet