Zitat von im Beitrag Märklin Salonwagen Set 43229
schnipp
Aber zurück zum Adenauer – übrigens erstaunlich, wie schlecht diese Züge dokumentiert sind, wo man heute jeden Ersatzwagen im Nahverkehr bei DSO 'News' nachlesen kann…
schnapp
Das wundert mich wiederum überhaupt nicht:
- nur wenige Leute hatten in der Adenauer-Ära überhaupt die Zeit und das Geld, mit einer Kamera an Bahngleisen herumzulungern. Zur Info: ein Perutz-Farbdiafilm kostete Ende der 50er nen Zehner - da haben die meisten Bundesbürger einen ganzen Tag für arbeiten müssen. Mein Vater hat noch Anfang der 60er aus Kostengründen seine Doppel-Acht Kamera (Yashica 8-E III) mit Schwarz-Weiß Film bestückt. Erst ab Mitte der 60er wurden die Urlaubsfilme bei uns bunt.
- Beim Fotografieren von Bahnanlagen und Zügen hatte man auch die Befindlichkeiten der Besatzungsmächte zu berücksichtigen - man galt schnell als russischer Spion...
- Bahnsteige waren nur über Bahnsteigsperren zugänglich, man musste eine Bahnsteigkarte erwerben, wenn man jemanden zum Zug bringen oder abholen wollte. Bahnanlagen in Ballungszentren waren zumeist eingefriedet (Zäune oder Hecken).
- Regierungsfahrzeuge dürftest Du auch heute kaum frei fotografieren dürfen - wenn unsere Politiker denn noch im Regierungssonderzug reisen würden. Der Letzte, der das tat, war m. W. Willy Brandt.
- Kommunikation: damals in der Adenauer-Ära und später war das Telefon nur auf Antrag und bei nachgewiesenem dringenden Bedarf für Privatleute erhältlich. Wir bekamen noch Ende der 60er nur deswegen zeitnah (sprich: nur ein halbes Jahr Wartezeit) ein Telefon in die Wohnung, weil mein Vater dafür "wichtig" genug war. Alle anderen kommunizierten per Brief oder Postkarte. Telegramm? Ziemlich teuer. Mal rasch in die Telefonzelle? Ach, da standen schon drei oder vier und warteten - daher auch das Schild in der Telefonzelle: "Fasse Dich Kurz!" Undenkbar heute, angesichts des Slogans "Ruf doch mal an!" Mal rasch seinen Kumpels von Unterwegs aus Bescheid sagen, daß was Interessantes unterwegs war, ging also nur äußerst selten.
- Behörde Deutsche Bundesbahn: alle innerbetrieblichen Dokumente waren grundsätzlich mit dem Vermerk versehen "Nicht für Dritte" und wurden nach der Nutzung vernichtet, meist verbrannt. Bahnamtliche Unterlagen aus dieser Zeit im Privatbesitz wurden also "gefringst"(geklaut) oder sonstwie "organisiert". Kopieren konnte man alternativ per Abschreiben oder - besonders luxuriös - per Abfotografieren. War aber teuer - siehe oben, und die Information stand erst nach dem Entwickeln und Vergrößern zur Verfügung. Betriebsfremde in Bahnanlagen wurden, wenn sie nicht gleich verscheucht wurden, zumindestens äußerst mißtrauisch beäugt - Ausnahmen bestätigten die Regel.
Gruß,
Rainer