Beschleunigungsmessungen
Sooo... gestern war's soweit, Zeit, Lust und Muße vorhanden, und so habe ich eine Teststrecke im Flur aufgebaut. Nicht für den Transrapid, sondern für H0-Loks...
Gleich mal einen Wert: in einer Sekunde waren 1,20 m zurückgelegt. Was das bedeutet (!), dazu kommen wir später...
Meine Testumgebung war wie folgt: die E 103 von Fleischmann, analog bzw. ohne Dekoder, ein Labornetzteil, eingestellt auf 30V, eine lange gerade Strecke, und eine Portion Neugier
Zunächst einmal theoretische Betrachtungen. Wie setzt man rechnerisch richtig Modell und Realität zueinander in Bezug? Dazu folgendes Gedankenexperiment: eine Modellbahnlok legt beim Beschleunigen das zehnfache ihrer Länge in einer bestimmten Zeit zurück. Damit optisch beim Vorbild der gleiche "Beschleunigungseindruck" entsteht, muß das Vorbild ebenfalls das zehnfache seiner Loklänge in der gleichen Zeit zurücklegen. Man stelle sich dazu etwa eine Vorbildlok in einer Luftaufnahme vor, so daß sie wie unsere Modelle wirkt.
Soviel also zur rechnerischen Übertragung.
Im folgenden rechne ich jetzt gleich auf das Vorbild bezogen.
Mein Modell legt aus dem Stand 1.20 m in einer Sekunde zurück, wenn der Motor warm ist. Das entspricht 5,5 Loklängen (Loklänge = 22 cm). Eine Vorbild-E 103 müßte also 0,22 * 87 * 5,5 = 105 Meter in einer Sekunde beim Beschleunigen zurücklegen.
Ergibt eine Beschleunigung von: a = 2 * s / t ^ 2 = 210 m / s ^ 2. Umgerechnet in g: 210 / 9,81 = 21,4 g.
Das ist pfundig! Kampfpiloten in Jets erreichen beim engen Kurvenflug kurzzeitig maximal so um die 9 g - und das sind so die höchsten Beschleunigungen, denen Menschen halbwegs regulär ausgesetzt sind.
Jetzt kann ich verstehen, warum der Preiserlein-Lokführer nach den Tests vehement eine Sondervergütung von mir verlangte
Nun weiter. Welche Geschwindigkeit hätte eine Vorbildlok nach dieser Beschleunigung erreicht? v = a * t = 210 * 1 m / s = 210 m / s.
Das ist jetzt nicht so wild? Nun, dann rechnen wir es mal in km/h um: 210 * 3,6 = 756 km/h. Ein TGV erreichte mal auf einer Rekordfahrt 574 km/h - hatte danach aber Schrottwert, wohingegen die FLM E 103 die Tests gesund und munter überstanden hat (im übrigen... macht richtig Spaß, die so sausen zu lassen. Nur, ob das auf die Dauer für die Lebensdauer so gut ist...)
Wann hätte die Vorbild- E 103 die 100 km/h überschritten? t = v / a = (100 / 3,6) / 210 = 0,13 s. Es soll ja Sportwagen geben, die in lahmen 3 Sekunden von 0 auf 100 km/h kommen
Unsere Modellbahnloks sind also reinrassige Renn- und Beschleunigungsmaschinen - wenn man die Werte auf das Vorbild übertragen würde.
Und auch in Sachen Verzögerung (=Vollbremsung) dürfte das Vorbild nicht an das Modell herankommen.
Ich hoffe, ihr hattet ein wenig Spaß beim Lesen
viele Grüße
Chris