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Der Fluch der Akribik, Teil 206
EISENHARTE STANGE WEIT UNTER DER GÜRTELLINIE
Bei den frühen Spantenwagen wurden, wie bereits erwähnt, die ursprünglich vorhandenen Stangenpuffer nicht gleich ausgetauscht. Ebenso verblieben die alten Achshalter an den Wagen. Und nicht nur diese. Diese von außen gut sichtbare Stange findet sich ebenfalls immer wieder auf Fotos von frühen Spantenwagen und ist auch unter dem 5-fenstrigen VEF-Wagen erhalten geblieben. Ich bin der Sache ein wenig nachgegangen…
… und gelangte prompt nach Tschechien. Denn diese Stange ist Teil einer altösterreichischen Bremsanlage, welche Ing. Peter Berka aus Jesenice u Rakovníka wohlfeil auf seiner Website anbietet (links unten im Menü unter "Saugbremze").
Da Berka meine nicht einmal rudimentär vorhandenen Tschechisch-Kenntnisse mit umso besseren Deutsch-Kenntnissen kompensierte, befand sich alsbald ein Brief mit Ätzteilen auf dem Postweg:
Die Notwendigkeit von Sprachkenntnissen wird tendentiell überschätzt. Eine farbig ausgelegte Einbauskizze auf der Website Berkas genügte mir, um die Bremse korrekt einzubauen.
Die Bremsgehänge tauschte ich allerdings nicht gegen die Ätzteile aus. Die Klein-Bremsen sind recht gut detailliert und der Kunststoff bildet einen sicheren Schutz gegen Kurzschlüsse. Ich beschränkte mich darauf, sie zu durchbohren und sie zu verbinden:
Die Bremsgehänge waren bei zweiachsigen altösterreichischen Personen- und Dienstwagen nicht mit Rundstäben verbunden, sondern mit charakteristischen Platten. Berka hat sie präzis nachgebildet. Diese Platten klebe ich nicht an, sondern ich stecke sie nur in ihre Bohrlöcher, sodass Sie für die weiteren Schritte beweglich bleiben.
Nun können die restlichen Teile der Bremsanlage gelötet werden:
Anfangs habe ich meine liebe Not mit den winzigen Teilen. Es müssen jeweils 6 Ätzteilchen „in einem Aufwasch“ auf zwei 0,3mm-Drähtchen aufgefädelt werden. Ist eins drauf, hüpft ein anderes davon. Abhilfe bringt schließlich, dass ich das erste Drähtchen zuerst einmal an einem Ende quetsche, womit das unerlaubte Entfernen vom Arbeitsplatz auf der einen Seite des Drahtes wirkungsvoll unterbunden ist. Anschließend fädle ich alle Teilchen auf, die auf dieses Drähtchen gehören, und quetsche sofort das andere Ende des Drähtchens. Dann erst kommt das zweite Drähtchen dran, wieder wird das eine Ende sofort gequetscht und das andere nach gelungener Auffädel-Operation. Muss ich die Arbeit unterbrechen, stecke ich die Drähtchen mit den offenen Enden in einen Styrodurblock.
Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob dieser Styrodurblock exakt das Werkzeug ist, das Viktor gerne hier gesehen hätte…
Wenn die Teilchen miteinander verklebt bzw. verlötet sind, bringe ich die Drähtchen auf ihr endgültiges Maß und schneide die gequetschten Enden ab. Und so sieht die Sache eingebaut aus:
Abschließend vergewissere ich mich nochmals, dass die Räder nicht an den Metallteilen streifen. –
Voilà, hier ist sie auch im Modell, die charakteristische, gut sichtbare, geneigt verlaufende Stange unter dem Fahrgestell:
Es handelt sich dabei um einen 0,4mm-MS-Draht, den ich an einem Ende flachgequetscht und durchbohrt habe, worauf er sich mit Hilfe eines kurzen 0,3mm-Drahtes beweglich einfügen lies. Das andere Ende habe ich ebenfalls gequetscht, aber eingeklebt. Obwohl: eine voll funktionsfähige, bewegliche Handbremse in 1:87 hätte durchaus ihren Reiz...
Am nächsten Freitag geht’s weiter, und zwar genau so zäh wie bisher: kein Holz, keine Schienen, nichts als Spantenwagen, Spantenwagen, Spantenwagen. Besser, ihr schaut da nicht zu lange rein oder ihr nehmt zumindest viiiiel zu trinken mit. Wer sich ohne viiiieeel Flüssigkeit zu lange im Death Valley und unter Spantenwagenteilen aufhält, dem trocknet das Hirn aus und der kommt da nie wieder lebend raus…
Euer Karl