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Der Fluch der Akribik, Teil 164
DIE KÜCHENROLLE – DAS OPTIMALE SCHLEIFMITTEL
Ganz im Ernst, ich verwende Küchenrolle zum Schleifen. Wie das? Etwas Geduld bitte, ich erkläre das gleich.
Früher habe ich Räder mit der Airbrush lackiert. Das geht recht schnell. Aber man muss natürlich zuerst einmal einen Luftpinsel, einen Kompressor und etliches Zubehör besitzen. Das ist nicht unbedingt eines jeden schmalen Geldbörsels Sache. Und dann braucht man etliches an Zeit für Vorbereitungsarbeiten, Abdecken und Reinigen.
Auch brünierte Räder können recht gut aussehen. Allerdings habe ich es nie geschafft, die Laufflächen nicht mit einzufärben. Es wäre aber schön, die Lauffläche im ursprünglichen hellen Glanz zu erhalten.
Weil ich kürzlich hier im Stummiforum einen vor Weisheit triefenden Bericht über Pinsellackierungen gelesen habe, muss ich diese Alternative natürlich gleich an den Rädern meiner Güterwagen auszuprobieren.
Ich beschließe, die Räder meiner Güterwagen quasi „am Fließband“ zu lackieren. Ich ordne vorab die zur Lackierung bereitstehenden Wagen nach Fahrgestell-Herstellern, damit ich die verschiedenen Spitzenweiten der Radsätze nicht verwechseln kann bzw. mühsam einzeln nachmessen muss.
Zunächst einmal bemale ich EINE Innenseite. Die Achse halte ich dabei auf einem Stück Schaumstoff fest. So kann ich sie ohne weiteres vorübergehend auslassen und sie fällt nicht um. Die Räder bilden damit in der Innenseite der unteren Radscheibe eine Wanne, in welcher sich der Lack gleichmäßig verteilt – vorausgesetzt, er ist ausreichend verdünnt.
An Farben verwende ich wieder ein Gemisch aus Revell 36184 Lederbraun und 36108 Schwarz, wieder ca. 1:1 mit Wasser verdünnt. Die Farbe ist gerade dick genug, um nicht abzuperlen, und flüssig genug, um sich auf dem Metall gut zu verteilen. Eine Grundierung erspare ich mir, das Schwarz scheint besonders gut zu haften. Mein Pinsel ist relativ groß - Größe 3. Ich nehme die Farbe sparsam auf. Habe ich dennoch zu viel Farbe auf dem Rad, kann sie mit diesem großen Pinsel leichter abgesaugt werden als mit einem kleinen.
Ich arbeite von innen nach außen. Zunächst streiche ich das erste Rad innen, dann die erhabenen Spurkranzinnenseiten. Die Pinsel-Hand liegt auf dem Arbeitstisch auf, den Pinsel bewege ich nur einige wenige Millimeter tangential hin und her. Dabei drehe ich mit der anderen Hand das Rad in der Schaumstoff-Unterlage. Der Radsatz wird keinesfalls hingelegt – so versuche ich, Tropfenbildungen zu vermeiden. Er kommt nach der Fertigstellung der ersten Innenseite in unverändert aufrechter Stellung zum Trocknen auf einen weiteren Schaumstoffblock.
Ich habe ein Dutzend Radsätze auf diese Weise gestrichen. Bis ich den letzten Radsatz bemalt habe, ist der erste Radsatz bereits so weit getrocknet, dass ich sogleich weiterarbeiten kann. Ich drehe die Radsätze um 180° und setze mit der zweiten Rad-Innenseite fort. Diese ersten Schichten dürfen noch ein wenig fleckig sein und vereinzelt Lücken aufweisen.
Danach kommen die Außenseiten dran. Immer streiche ich so, dass der Radsatz aufrecht steht und die zu bemalende Fläche nach oben zeigt. Innenseite, zweite Innenseite, Außenseite, zweite Außenseite. Nach einem Arbeitsdurchgang sind die ersten Flächen soweit trocken, dass sie grifffest sind. Beim Bemalen der zweiten Außenfläche wird nun die erste durch das Drehen auf dem Schaumstoffblock nicht mehr beschädigt. Nur die Achsen habe ich noch nicht gefärbt, die kommen erst ganz zum Schluss dran. Bis dahin kann ich den Radsatz jederzeit mit der Pinzette an der Achse fassen.
In weniger als zwei Stunden sind ein Dutzend Radsätze einmal gestrichen und bleiben nun über Nacht stehen, damit der Lack vollständig aushärten kann. Nach dieser Pause streiche ich alle Radsätze ein zweites Mal – wieder alle Innenseiten, dann alle Außenseiten, und wieder so, dass die frisch bemalten Flächen beim Trocknen immer nach oben zeigen. Der Lack trocknet schneller als erwartet, und auch ich werde schneller. Eine zweite Partie von 16 Achsen habe ich in wenig mehr als einer Stunde an allen vier Flächen lackiert. Nun gebe ich der Farbe noch etwas Braun zu, damit sie ein wenig heller wird, und streiche damit die Außenseiten der Radreifen:
Der Farbunterschied ist bei diesem Exemplar recht gering. Bei manchen anderen verwende ich auch grelle Rosttöne. Viel zu altern ist da nicht mehr, denn den Alterungszustand beeinflusse ich von Anfang an durch Zugabe von mehr oder weniger Braun oder Grau.
Trotz aller Sorgfalt gerät da und dort natürlich Farbe auf die Laufflächen. Diese sind nun zu reinigen. Eine Reinigungsflüssigkeit, welche den Lack angreift, scheidet aus. Holz oder Metall nimmt immer etwas Lack von der Außenseite des Radreifens mit. Der Radreifen sieht dann unschön ausgefranst aus. Mit etwas Nachsinnen komme ich schließlich auf folgende Lösung:
Ich lege ein Stahllineal auf ein Stück Küchenrolle, schlage die Küchenrolle über das Stahllineal und spanne sie mit einer Hand. Nun reibe ich die Räder mit der anderen Hand mit kräftigem Druck auf der Kante des Lineals:
Das Stahllineal stellt sicher, dass nur die Lauffläche behandelt wird und nichts sonst. Die Küchenrolle ist bei entsprechendem Anpressdruck rau genug, um die Farbe abzutragen, aber nicht so rau, dass sie die Lauffläche zerkratzt.
Nach jedem Rad ziehe ich die Küchenrolle ein wenig weiter, damit für das nächste Rad immer ein frisches Stück Küchenrolle zur Verfügung steht.
Apropos Küchenrolle: Wer ist bloß auf die Idee gekommen, dieses hervorragende Schleifmaterial „Küchenrolle“ zu nennen? Wie auch immer, meine Schleifmaschine hat er Gott sei Dank übersehen. Sonst hieße die womöglich „Küchenmaschine“ und ich müsste unentwegt mit meiner Frau darüber diskutieren, wer sie gerade benutzen darf...
Spaß beiseite: So sieht ein fast fertiger Radsatz jetzt aus:
Auch hier sind - den feinen Pigmenten und der Verdünnung sei‘s gedankt - keine Pinselhiebe zu erkennen. Sieht fast wie eine Airbrush-Lackierung aus, nur wirkt die Oberfläche etwas rauer und matter.
Die Achse ist noch unbehandelt. Wenn alle anderen Arbeiten abgeschlossen sind, streiche ich auch die Achsen und blase mit etwas Druckluft eventuelle Fusel der Küchenrolle weg.
Die fertigen Radsätze bewahre ich sauber getrennt nach Fahrgestell-Hersteller bzw. Spitzenweite auf. Eingebaut werden sie erst, wenn auch die Fahrgestelle fertig bemalt sind.
Liebe Grüße aus dem tiefwinterlichen Kärnten
Euer Karl